Der verlorene Sohn kehrt ins Bernabeu zurück und muss schon nach wenigen Monaten um seinen Job bangen. Bei Real Madrid herrscht plötzlich Chaos – und Xabi Alonso steckt mittendrin. Was ist da los?
Mit Niederlagen kennt sich Xabi Alonso nicht so gut aus. Vor allem nicht als Cheftrainer. In seiner Zeit bei Bayer Leverkusen schaffte er es bekanntlich eine ganze Saison ohne einzige Pleite in der Liga. Insgesamt verlor er als Trainer der Werkself nur 10 von 140 Liga-Spielen. Ab Mitte 2023 sogar nur drei. Eine Wahnsinnsbilanz von 2,17 Punkten pro Spiel.
Mit seinem neuen Team Real Madrid steht er nach 16 Spielen in LaLiga schon bei zwei Niederlagen. Die jüngste kam am Sonntag im heimischen Bernabeu gegen Celta de Vigo hinzu.
2,25 Punkte pro Spiel (damit sogar etwas besser als in Leverkusen) hören sich erstmal nicht verkehrt an. Aber: Der Trend ist kein Amigo Alonsos. Seinem Team gelang aus den vergangenen sieben Pflichtspielen nur zwei Siege. Dazu gab’s viele Unentschieden gegen Underdogs, eine weitere Pleite gegen seinen Ex-Spieler Wirtz und Liverpool in der Champions League.
In der Liga sind die Königlichen nun vier Punkte hinter Tabellenführer FC Barcelona um den deutschen Trainer Hansi Flick abgerutscht. Dahinter kratzt schon Villarreal am Thron.
Bei Real Madrid kippt die Stimmung
Nach der Pleite gegen Celta Vigo schien die Stimmung daher zu kippen. Die nicht zimperlichen spanischen Medien knöpften sich Alonso vor. Die Stoßrichtung ist klar: Der Trainer wackelt – spielt schon unter der Woche um seinen Job.
Das ist ganz schön schnell eskaliert, oder?
Nun sind die mäßigen Ergebnisse aus den vergangenen sieben Spielen nur die Oberfläche der Akut-Krise.
"Ich glaube, da kommt alles zusammen", sagt der Ex-DFB-Direktor Oliver Bierhoff zu RTL/ntv und sport.de über die Situation bei dem spanischen Klub. "Du hast eine Kabine mit vielen Alphatieren und Persönlichkeiten, die ihre Stärken und Qualität kennen und ein gewisses Ego mitbringen."
Hinzu komme, dass man einen "Verein mit unglaublichen Erwartungen" hat und "rundherum ständig mediale Diskussionen" ihr Unwesen treiben. "Dann sitzt du da als Trainer mittendrin und musst das Ganze händeln mit Stimmen, die von außen kommen und der Unzufriedenheit der Spieler."
Passt die Anti-Diva zu diesem Team?
Xabi Alonso kam zwar mit vielen Lorbeeren aus seiner Spielerzeit von 2009 bis 2014 (gewann Meisterschaft, Pokal und die Champions League) und der unfassbaren Leverkusen-Bilanz zurück in die spanische Hauptstadt. Doch einen Hype wie im Rheinland erzeugte er bisher nicht. Es rutscht eher in die andere Richtung.
Schon in Leverkusen kamen nicht alle Spieler mit Alonso und seiner akribischen, fast schon besessenen Art zurecht. Doch der Erfolg des Kollektivs überlagerte alles.
In Madrid ist die Gemengelage anders.
Schon früh gab es erste Streitigkeiten mit Fußball-Diven vom Schlage eines Vinicius Junior. Ein Spieler, der anders zu bändigen ist als beispielsweise ein Jonas Hofmann.
Nach der Auswechslung im Clasico gegen Barça eskalierte es. Vini Junior raunzte Alonso an, beschwerte sich und soll gesagt haben: "Immer ich, ich verlasse die Mannschaft, es ist besser, wenn ich gehe, ich gehe."
Die Lage ist offenbar so vertrackt, dass laut "The Athletic" Vinicius Junior seinen Vertrag nicht verlängern will, solange Alonso am Ruder ist.
Angeblich herrscht zwischen den beiden schon seit einer Aufstellungsdebatte (welche Seite) bei der Klub-WM im Sommer Zwist. Der Brasilianer kam zuletzt nicht regelmäßig in der Startelf zum Zuge.
Auch sein Landsmann Rodrygo soll eine Privatfehde mit Alonso führen. Der brasilianische Wunderstürmer Endrick sucht wegen ausbleibender Spielzeit im Winter sogar die Flucht nach Frankreich.
Auch zwischen einzelnen Star-Spieler wie Jude Bellingham und Kylian Mbappé soll es kriseln, heißt es in den Gazetten der spanischen Hauptstadt. Was davon wahr ist, was davon eher einer Telenovela-Plotline entspricht – man weiß es nicht genau. Klar ist aber, dass es gewaltig rumort. Und tatsächlich kann man die Fragen stellen, ob eine Anti-Diva wie Alonso der richtige Trainer für eine Diven-Truppe ist, wie es Real eben zu sein scheint.
Pérez knöpft sich Alonso vor
Nun ist Alonso auch ein Gegenentwurf zum alten Teamflüsterer und Erfolgscoach Carlo Ancelotti, den irgendwie alle mochten und der das Team meistens zusammenhielt. Alonso eckt da mehr an.
Die Ansprüche in Madrid sind vermutlich höher als überall sonst in der Welt. Eine Niederlage im Bernabeu – egal gegen wen – kommt einer Majestätsbeleidigung gleich. In Madrid ist man dann schneller angezählt als ein Torero das rote Tuch hebt.
Auf dem Platz hinkt das Team oft den Ansprüchen von Alonso hinterher. Von dem angekündigten Rock’n’Roll-Stil bleibt oft nicht viel übrig. Immer wieder verliert das Team die Kontrolle im Mittelfeld, schafft es nicht, das Pressing aufzuziehen. Gegen defensiv stehende Teams wirkt die Elf mitunter überfordert.
So braute sich über dem Bernabeu ein veritables Gewitter zusammen. Nach der Celta-Niederlage saßen die Klubbosse um Florentino Pérez über Stunden zusammen. Medien spekulieren schon offen über die Nachfolge. Klopp, Zidane, Mourinho - diese Kaliber.
Der Real-Boss soll sich Alonso nach dem Abpfiff vorgeknöpft haben: "Hier muss sich etwas ändern, und die Lösungen müssen umgehend kommen", lautete angeblich die Ansage an Alonso.
Die Champions-League-Partie am Mittwoch (21 Uhr im sport.de-Ticker) gegen ManCity ist zum Endspiel ausgerufen worden. Ausgerechnet gegen den alten Real-Rivalen Pep Guardiola.
Vor "Finale": Verletzungssorgen bei Real Madrid
Zu allem Überfluss herrscht jetzt auch noch Personalnot in Madrid. Viele Defensiv-Haudegen wie David Alaba, Trent Alexander-Arnold oder Daniel Carvajal fallen ohnehin schon aus. Nun kommt auch noch Innenverteidiger Eder Militao hinzu. Zudem muss Alonso um einen Einsatz von Topstürmer Kylian Mbappé bangen. Der Franzose hatte sich gegen Vigo den Ringfinger gebrochen und droht auszufallen.
Egal, wer am Mittwoch spielt: Alonso muss liefern, er braucht den Befreiungsschlag. Der 44-Jährige steckt in der ersten richtigen Krise seiner Trainerkarriere. Der Baske versucht es aktuell mit Ruhe und Gelassenheit: Er genieße die Unterstützung des gesamten Kaders, beteuerte Alonso. "Die Mannschaft hält zusammen und ist davon überzeugt, dass wir morgen gewinnen können", sagte er. "Wenn man Trainer von Real ist, muss man darauf vorbereitet sein, solche Situationen mit Ruhe und Verantwortung zu meistern."
Bierhoff traut Alonso den Turnaround zu. "Ich glaube, Xabi hat genug Erfahrung, auch als Spieler, um mit Drucksituation und den Spielern umzugehen."
Am Ende gelten aber auch für den Super-Trainer die Fußball-Gesetze. Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, eskaliert es irgendwann. Insbesondere bei Real.





























