Je weiter es in die tiefen Runden des NFL Drafts geht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man Impact-Spieler oder gar Starter findet. Und doch passiert es jedes Jahr. Welche späten Picks aus diesem Draft könnten ein unerwartet große Rolle einnehmen?
Hat der 2025er Draft auch einen Puka Nacua zu bieten? Einen Isaiah Likely? Einen Riq Woolen, oder vielleicht einen Kyren Williams?
Es gibt sie immer wieder: Tag-3-Picks, die ihren Draft-Status um mehrere Stufen übertreffen. Dabei müssen einige Dinge zusammenkommen: Das Talent ist ein Punkt, aber gerade Tag-3-Picks müssen in das richtige Scheme kommen, zum richtigen Coach und in eine Situation, in der sie eine realistische Chance bekommen, sich Snaps zu verdienen.
Denn in erster Linie geht es für diese Spieler darum: Sich im Training und womöglich in der Preseason für eine - im Moment noch unerwartet - große Rolle zu empfehlen. Der Receiver, der in einen voll gepackten Receiver Room mit etablierten Startern kommt, wird es hier naturgemäß schwerer haben, als der Running Back, der in ein offenes Backfield ohne echten Platzhirsch kommt.
Quarterbacks sind dabei ein Sonderfall. Am dritten Draft gepickte Quarterbacks spielen nur sehr selten eine größere Rolle und sind meist in erster Linie Backups. Wenn überhaupt.
Dieses Jahr gibt es mit Shedeur Sanders hier einen Sonderfall, der eine eigene Analyse rechtfertigt. Um ihn soll es hier heute nicht gehen.
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NFL Draft 2025: Zehn Tag-3-Picks, die überraschen können
1. Running Back Cam Skattebo - New York Giants
(4. Runde, 105 OVR)
Skattebo ist ein Baller. Ein aggressiver Contact-Runner, der letztes Jahr 1.202 Yards nach Kontakt hatte. Er läuft mit niedrigem Körperschwerpunkt, kann dadurch auch durch Kontakt die Richtung wechseln und hat eine gute Beschleunigung, aber auch jede Menge Power hinter seinen Pads. Er sucht den Kontakt und läuft mit einem gewissen Feuer.
Seine Physis und sein ganzer Stil sind Tone-Setter für eine Offense. Es ist etwas, woran sich eine Offense ausrichten und aufrichten kann. Und: Er hatte eine ausgeprägte Rolle als Receiver bei Arizona State. Hier kann er ebenfalls einen Unterschied machen und ich bin gespannt, wie sie Skattebo zusammen mit Tyrone Tracy einsetzen. Das hat das Potenzial, eines der spannenderen Backfields der Liga zu werden, wobei Skattebo für mich der primäre Runner hier sein sollte.
Skattebo ist kein Saquon Barkley. Insbesondere was die Top-Tier-Athletik und auch den Speed angeht, ist er im Vergleich zum einstigen Giants-Star klar limitierter. Aber nach einer Saison, in der Giant-Fans dabei zuschauen mussten, wie Barkley in Philadelphia zur Legende wurde, haben sie jetzt mit Skattebo wieder einen Back, der eine Identifikationsfigur werden kann.
2. Defensive Tackle CJ West - San Francisco 49ers
(4. Runde, 113 OVR)
Das Thema dieses 49ers-Drafts war klar: Die desolate Run-Defense der Vorsaison soll der Vergangenheit angehören. Das begann mit dem Pick von Mykel Williams in der ersten Runde, und es ging weiter mit Tag 2 und bis hinein in Tag 3, als neben einem Linebacker auch zwei Defensive Tackles priorisiert wurden.
Einer der beiden ist West. Ein explosiver Nose Tackle mit einem guten Get-Off und einem stets aktiven Motor, der als Run-Defender funktionieren wird. Und während er mit den kurzen Armen an längeren Blockern hängenbleiben kann, hatte er definitiv Gap-Shooter-Momente in seinem Tape, bei denen er schnell zum Quarterback kam.
In San Franciscos Front werden die Karten komplett neu gemischt. Hier wird es viele Snap-Gelegenheiten für die Rookies geben.
3. Receiver Jaylin Lane - Washington Commanders
(4. Runde, 128 OVR)
Bei Tag-3-Picks geht es erst recht um die Frage: Welche Rolle könnte der Spieler besetzen? Gibt es einen Weg, wie das spezifische Skillset des Spielers so einen Mehrwert für sein neues Team darstellt, dass er auch als Tag-3-Rookie genügend Chancen bekommt?
Bei Lane ist dieser Case nicht kompliziert: Nur sechs Quarterbacks warfen in der vergangenen Regular Season mehr Screens als Jayden Daniels, nur fünf Quarterbacks hatten eine höhere Screen Rate. Die Effizienz war dabei ausbaufähig: Pro Screen-Pass kam Daniels auf 5 Yards pro Pass, Platz 19 ligaweit.
Hier kommt Lane ins Spiel. Ein explosiver Yards-after-Catch- sowie vertikaler Slot-Receiver, der ideal in einer Gadget-Rolle aufgehoben ist. In Washington könnte er genau die besetzen, mit frühem Fokus auf das Screen Game, das Lane merklich effizienter machen kann.
4. Edge-Rusher Que Robinson - Denver Broncos
(4. Runde, 134 OVR)
Manchmal gibt es, auch an Tag 3, Picks, die einfach Sinn ergeben. So, wie ein explosiver, agiler Pass-Rusher in die aggressive Broncos-Front.
In dieses Profil passen die beiden primären Edge-Rusher der Broncos, Nik Bonitto und Jonathon Cooper. Und in dieses Profil passt auch ihr diesjähriger Viertrunden-Pick Quandarrius "Que" Robinson.
Ein Rusher mit guter Größe und Länge, der aber vor allem mit seinem ersten Schritt und seiner Quickness gewinnt. In einer limitierten Rolle hatte er bei Alabama letztes Jahr bei 108 Pass-Rush-Snaps 19 Quarterback-Pressures und verzeichnete eine herausragende Pass-Rush Win Rate von 24 Prozent.
In Denver ist er in der für ihn idealen Situation gelandet. Als Nummer 3 oder Nummer 4 in der Rotation, in einer Defense, die ihre Rusher aus dem Raum kommen lässt und Eins-gegen-Eins-Situationen kreiert. Robinson wird bis auf Weiteres ein Role Player in Denver sein. In dieser Rolle aber könnte er sich als überaus produktiv erweisen.
5. Receiver Elic Ayomanor - Tennessee Titans
(4. Runde, 136 OVR)
Hinter Calvin Ridley ist in der Receiver-Hackordnung der Titans vieles offen. Der jüngst verpflichtete Tyler Lockett sowie Van Jefferson sind die beiden "sicheren" Veterans, die beiden sollen die Rookies Chimere Dike und Elic Ayomanor pushen. Hier geht es darum, ein Waffenarsenal zu finden, das mit Cameron Ward funktioniert. Schnell - hier sind die Veterans wichtig - aber auch perspektivisch.
Ayomanor war für mich deutlich höher auf dem Board, ich verstehe, warum die Liga ihn etwas niedriger sah. Er muss deutlich konstanter am Catch Point werden, er muss nuancierter als Route Runner werden. Aber die Physis, die Explosivität, die Power und der Wille als Blocker - das könnte Ayomanor vergleichsweise früh Snaps einbringen.
Die positiven Parts seines Tapes waren für mich zu gut, um ihn bis Tag 3 fallen zu lassen. Sein Tape gegen Travis Hunter vor zwei Jahren war das herausragende Positiv-Beispiel, aber Ayomanor ist die Art Receiver, der sich Snaps verdienen wird.
6. Running Back Jaydon Blue - Dallas Cowboys
(5. Runde, 149 OVR)
Wenige Offenses brauchen so dringend Explosivität, wie die der Cowboys. Das ist gewissermaßen Blues Spezialgebiet: Der ehemalige Sprinter (100 und 200 Meter in der High School) war der zweitschnellste Running Back bei der diesjährigen Combine. Und das sieht man auf seinem Tape.
Blue lässt Gegenspieler aussteigen und beschleunigt daraus blitzartig, seine Balance ist gut, Verteidigern, die mit vermeintlich gutem Winkel auf ihn zukommen, läuft er davon. Und er hat auch vertikal als Receiver gewonnen, weil er hier insbesondere gegen Man Coverage ein massives Speed-Problem für gegnerische Linebacker darstellte.
Blue ist ein Komplementär-Back, der primäre Runner in der Cowboys-Offense wird jemand anderes sein. Aber Blue bringt ein Element mit, das so kaum jemand in dieser Offense hat.
7. Receiver Tory Horton - Seattle Seahawks
(5. Runde, 166 OVR)
Ein großer Receiver, der aber effizient in seinen Bewegungen und agil nach dem Catch ist. Horton ist tough über die Mitte, wo seine Hände und seine Körperkontrolle ebenfalls voll zum Tragen kommen. Er ist ein guter Ball-Tracker und hat ein gutes Gespür dafür, wo er in Zone Coverage abstoppen muss, und wo sich Wurffenster öffnen.
Als ich Horton vor dem Draft analysiert habe, war mein erster Gedanke: Das könnte der diesjährige Puka Nacua werden - wenn er in der richtigen Offense landet. Das ist hier passiert. Die Seahawks installieren Kubiaks Outside-Zone-Play-Action-Offense, und da kann Horton als verlässliches Target über die Mitte glänzen.
Die Seahawks haben Jaxon Smith-Njigba und Cooper Kupp, die beide Underneath über die Mitte arbeiten werden. Horton besetzt den Raum eine Ebene tiefer, und ich traue es ihm zu, Marquez Valdes-Scantling zu verdrängen.
8. Linebacker Chris Paul - Los Angeles Rams
(5. Runde, 172 OVR)
Es ist nicht verwunderlich, dass Paul an Tag 3 noch zu haben war: Er ist klein, leicht und hat relativ kurze Arme. Paul hat keine Gardemaße für die Position, selbst nicht in der modernen NFL, in der die großen, bulligen Downhill-Backer früherer Tage nur noch sehr vereinzelt vorkommen.
Aber er hat Speed. Er bewegt sich sehr gut, er kann auf engem Raum reagieren, er beschleunigt gut und er ist - trotz der physischen Limitationen - ein überraschend sicherer Tackler.
Sein Spezialgebiet aber ist als Cover-Linebacker. Und ein Spieler mit seiner Range passt gut in die Defense der Rams. Deren Starting-Linebacker sind Troy Reeder und Omar Speights. Das ist keine unüberwindbare Hürde für einen Rookie-Linebacker.
9. Offensive Tackle Cameron Williams - Philadelphia Eagles
(6. Runde, 207 OVR)
Williams ging definitiv zu früh in den Draft, ein weiteres Jahr im College hätte ihn zu einem hohen Pick machen können. Vielleicht sogar zu einem Top-40-Pick im kommenden Jahr.
Selbst in dem Wissen, dass er roh ist, dass seine Technique noch extrem inkonstant ist, er seine Balance besser schützen muss und er generell einfach noch viel Coaching brauchen wird, hatte ich erwartet, dass Williams in den mittleren Runden vom Board gehen würde.
Denn: Tackles mit diesen Maßen gibt es schlicht nicht oft. Williams ist ein großer Tackle, mit vor allem aber herausragender Länge und gigantisch großen Händen. Diese Tools nutzt er auch schon gut, um Gegenspieler zu kontrollieren und sein erster Push kommt mit viel Power. Das ist ein Upside-Pick, der in der idealen Situation gelandet ist: Bei dem vermutlich besten Offensive-Line-Coach der NFL, sowie hinter einem der besten Right Tackles der letzten zehn Jahre.
Das ist hier keine Prognose für einen Impact in der kommenden Saison. Aber in ein bis zwei Jahren könnte sich Williams als der nächste O-Line-Steal der Eagles erweisen - und dann vielleicht Lane Johnson beerben, wenn der seine Karriere beendet.
10. Running Back Brashard Smith - Kansas City Chiefs
(7. Runde, 228 OVR)
Smith hat ursprünglich Receiver gespielt, ehe er erst spät in seiner College-Karriere auf Running Back umschulte. In der vergangenen Saison verzeichnete er 21 explosive Runs (mindestens 15 Yards), als Runner zeigt er scharfe Cuts und gute Beschleunigung, was auch für verpasste Tackles sorgt.
Aber in erster Linie ist er eine einfache Projection als Receiving Back. Und das ist eine potenziell lukrative Rolle in Kansas City: Die Chiefs leben mehr im Kurzpassspiel als fast jede andere Offense. Sie haben ein gut designtes Screen Game. Und sie wollen Spieler, die auch aus dem Backfield den Ball fangen können.
Diese Rolle war letztes Jahr nur bedingt verfügbar. Samaje Perine fing 29 Bälle, Kareem Hunt 26. Isiah Pacheco in einer von Verletzungen geprägten Saison immerhin noch 15. Smith hat in dieser Rolle mehr Potenzial als jeder dieser Backs. Die Chiefs haben in der Offseason Elijah Mitchell zusätzlich zu Hunt und Pacheco verpflichtet, in Stein gemeißelt ist aber kein Spieler in diesem Backfield. Und erst recht nicht als Receiving-Option aus dem Backfield.
Smith hat hier eine echte Chance, als Siebtrunden-Pick nicht nur den Sprung in den Kader zu schaffen, sondern sogar eine Chance darauf, eine relevante Rolle zu spielen.










































