Beim NFL Draft 2025 wird ein Name sehr früh von Commissioner Roger Goodell auf der Bühne in Green Bay/Wisconsin aufgerufen werden - Travis Hunter. Der Heisman-Gewinner von Colorado hat die Chance, ein ganz besonderer Spieler zu werden, auf einer Stufe mit einem Megastar einer anderen uramerikanischen Sportart.
Wenn man sich dieser Tage über Travis Hunter informieren will, trifft man ihn in manch einem Draft Guide gleich zweimal an. Einmal als Cornerback und einmal als Wide Receiver. Und das mit gutem Grund, denn Hunter, der mit der Heisman Trophy für den besten College-Football-Spieler im Land ausgezeichnet wurde, hat beide Positionen im Grunde durchweg gespielt in den vergangenen paar Jahren bei den Colorado Buffaloes.
Und das sogar auf beachtlich hohem Niveau. Er war der beste Cornerback und der beste Wide Receiver seines Teams. Seine Ball-Skills sind elitär, ebenso seine Fähigkeit, Plays nach dem Catch zu machen. Nicht ohne Grund wird er als bester Cornerback der Draft-Klasse von 2025 angesehen. Was seine Offensiv-Qualitäten betrifft, gehört er dort auch zu den Topleuten seiner Klasse, obgleich es dort noch ein paar Dinge gibt, die er verbessern muss, um auch hier auf dem Niveau seiner Verteidigungsfähigkeiten zu landen.
Entsprechend stellt sich für Teams, die ihn draften wollen, die große Frage, wie genau er denn letztlich in der NFL eingesetzt werden sollte. Hunter selbst will natürlich weiterhin auf beiden Positionen als Starter agieren. Er tat dies für Colorado zuletzt in 13 Spielen. In der NFL wären es deren 17 - mindestens. Allein schon aufgrund der hohen Belastung in dieser Liga und gegen bessere Gegner als auf dem College, wo die Big 12 Conference zumindest mal nicht zur ganz oberen Schublade des Wettbewerbs zählt, wird zumindest bezweifelt, ob diese Belastung weiter aufrechtzuerhalten ist.
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Die allgemeine Erwartung ist, dass ein Team, das ihn ziehen wird - und hier kommen wirklich nur die ersten drei bis vier Teams im Draft infrage -, Hunter vor allem als Cornerback betrachtet, der auch die Chance bekommt, gelegentlich in bestimmten Packages auch offensiv zu agieren. Vermutlich ist dies aufgrund seines derzeitigen Skill-Sets der beste Weg, seine Fähigkeiten zu maximieren.
Während er als Cornerback mit seiner Athletik, Antizipation und seinen ohnehin guten Händen - er hat im vergangenen Jahr laut "PFF" keinen einzigen Drop zu Buche stehen - sehr wahrscheinlich sofort starten und ein Team verbessern würde, gibt es in seinem Offensivspiel durchaus noch Raum für Verbesserungen. Sein Route Tree etwa ist noch sehr beschränkt. Er lief für Colorado hauptsächlich Hitch-, Go- und Crossing-Routes, dazu jede Menge Screens. Sehr simple Routes also. Um ein Nummer-1- oder -2-Receiver in der NFL zu werden, müsste er hier noch diverser werden.
NFL Draft Order 2025
Hinzu kommt, dass er einen recht schmalen Frame hat, sodass er durchaus zum Start seiner Routes aus der Bahn geworfen werden kann. Zudem seine seine Beinarbeit sowie die generellen technischen Grundlagen noch sehr roh. Dies sind alles Aspekte, an denen man arbeiten kann und die durch gutes Coaching verbessert werden können, doch wird das ein wenig Zeit benötigen. Erschwert wird es dadurch, dass Hunter eben nur die Hälfte seiner Zeit für die Offense aufbringen kann.
Sollte es Hunter jedoch gelingen, auch in der NFL als Cornerback und Wide Receiver zu den Topspielern der Liga aufzusteigen, dann wäre er der erste seiner Art. Ein Einhorn, ein Two-Way-Player. Solche gibt es im Football eigentlich nicht. Er erinnert damit ein wenig an den japanischen Megastar Shohei Ohtani, der im Major League Baseball im Grunde das Äquivalent dazu geschafft hat und sowohl als Schlagmann als auch als Pitcher auf allerhöchstem Niveau agiert und nun schon dreimal zum MVP gewählt wurde.
Vermutlich ist dies das schwierigste Unterfangen überhaupt im Sport - diesen kleinen harten Ball aus Leder mit einem rundlichen Holzschläger effektiv zu schlagen und besagten Ball dann auch noch so effektiv und effizient zu werfen, dass es anderen (Elite-)Spielern nicht gelingt, den Ball effektiv zu schlagen oder ihn überhaupt zu berühren. Ohtani ist zwar nicht der erste, der diese Vielseitigkeit an den Tag gelegt hat, aber der erste, der es auf dem Niveau über mehrere Saisons geschafft und damit quasi für sich zur Normalität gemacht hat.
Hunter: "Beides ist nicht einfach"
Glaubt man Hunter, dann ist sein Ding jedoch komplizierter, wie er beim Scouting Combine selbstsicher erklärte. "Ohtani ist ein großartiger Spieler, aber man muss sehr viel im Football machen ...", sagte Hunter. Anschließend gab es eine kleinen Shitstorm im Netz, weil diese Aussage doch etwas übertrieben wirkte. Doch Hunter relativierte seine Aussagen kurz darauf in seiner "Travis Hunter Show" ein wenig.
"Ich sage es euch gleich, ich kann nicht einmal Baseball spielen, also ich weiß, dass ich keinen Baseball schlagen kann, geschweige denn ihn werfen", begann Hunter seine Erklärung. "Ich sage nur, dass das, was ich mache, schwieriger ist. Ich muss ununterbrochen laufen und werde dabei getroffen … Ich weiß, dass ich keinen Ball mit 99 Meilen pro Stunde schlagen kann, also werde ich nicht so tun, als wäre das einfach. Nein, ist es nicht. Aber beides ist nicht einfach."
Und er betonte: "Zunächst spreche ich über den körperlichen Aspekt. Ich sage nicht, dass irgendjemand einfach rausgehen und auf beiden Seiten des Spiels spielen kann oder, dass irgendjemand einfach das tun kann, was Ohtani macht."
Die Messlatte für sich selbst hat Hunter in jedem Fall sehr hoch gelegt. 2024 brachte er es offensiv auf 1258 Yards und 15 Touchdowns. Defensiv waren es 25 Solo Tackles und 4 Interceptions. Dabei ließ er gerade mal eine Completion Percentage von 56,1 Prozent sowie 222 Receiving Yards als nächster Verteidiger zu (1 TD).
Hunter versucht nun in der NFL etwas zu leisten, was noch nie zuvor jemand in dieser über 100 Jahre alten Liga geleistet hat. Gelingt ihm dies, ist er wahrlich ein Unikat, ein Einhorn, wenn man so will. Doch da es solche vor ihm nicht gab, wäre er zur Abwechslung mal das erste - und nicht etwa das letzte - seiner Art.