Resets und Rebuilds scheinen der Trend an der Westküste in der NFL zu sein. Neben den 49ers haben auch die Seattle Seahawks größere Veränderungen an ihrem Kader vorgenommen, die weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Gehen sie damit den richtigen Weg?
Die Seahawks haben für viel Aufmerksamkeit gesorgt, als sie kurz vorm Start der Free Agency Quarterback Geno Smith abgegeben haben. Per Trade ging es für ihn zu den Las Vegas Raiders, nachdem Head Coach Mike Macdonald eigentlich schon öffentlich erklärt hatte, dass der 33-Jährige auch 2025 noch der Starting Quarterback des Teams sein würde.
Damit nicht genug, denn zuvor schon wurde Teamlegende Wide Receiver Tyler Lockett entlassen, weil dem Team sowohl der Cap Hit als auch das Gehalt zu hoch waren. Und zu allem Überfluss kam es dann auch noch zum Trade, der D.K. Metcalf nach Pittsburgh schickte - weil man den mächtigen X-Receiver nicht wirklich nochmal hochdotiert entlohnen wollte.
Ein kompletter Reset also für eine Offense, die in der Offensive Line zudem noch Guard Laken Tomlinson und Tackle George Fant abgegeben hat. Letzteres machte durchaus Sinn, denn die Interior Offensive Line ist seit jeher eine Baustelle im Nordwesten. Im Vorjahr ließen die Seahawks die siebthöchste Pressure Rate der NFL (37,4 Prozent) laut "Next Gen Stats" zu. Upgrades sind also dringend erforderlich.
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Solche allerdings kamen an dieser Front noch nicht. Vielmehr wurde die Depth Chart zunächst mit Eigengewächsen aufgefüllt, die bislang nur sporadisch zum Einsatz kamen.
Wirklich ersetzt wurden bislang nur die großen Namen aus der Offensive. Auf Quarterback kam der wohl beste - oder am wenigsten schlechte, wenn wir ehrlich sind - Free Agent in Sam Darnold, der mit einem Dreijahresvertrag über 100,5 Millionen Dollar ausgestattet wurde. In Wahrheit ist dies natürlich nur ein Einjahresvertrag über 37,5 Millionen, was die Sache sehr teamfreundlich und sicher macht, sollte es wider Erwarten doch kein Erfolg werden mit ihm.
Um Lockett zu ersetzen, wurde letztlich Altmeister Cooper Kupp nach dessen Entlassung bei den Los Angeles Rams an Land gezogen. Er kam für drei Jahre und 45 Millionen Dollar - Details zum Deal sind noch nicht bekannt - und für Metcalf und dessen vertikalen Speed gelang es, Marquez Valdes-Scantling zu akquirieren. Er kommt auch zunächst erstmal nur für ein Jahr.
Schaut man sich nun einmal 1:1 an, was diese Veränderungen bedeuten, muss man zunächst mal konstatieren, dass von einem Upgrade wohl keine Rede sein kann. Die bekannten O-Line-Probleme etwa müssen eigentlich die Alarmsirenen in Washington schrillen lassen, denn im Gegensatz zu Geno Smith, der den Ball im Schnitt in 2,83 Sekunden los wurde und damit die Pressure-Problematik einigermaßen kompensieren konnte, könnte das bei Darnold zum Problem werden. Er wurde den Ball im Schnitt in 3,08 Sekunden los.

Seahawks: Darnold braucht bessere Protection
Generell gilt Darnold als weniger Pressure-resistent als Smith. Smith kassierte 50 Sacks in der Vorsaison und hatte eine Pressure-to-Sack-Rate von 19,9 Prozent. Darnold? 57 Sacks und 21,7 Prozent P2S%. Die naheliegende Empfehlung ist also, dass die Seahawks dringend noch nachlegen müssen, was die Protection für Darnold betrifft, zumal sicherlich allen noch dessen zwei letzte Auftritte in Diensten der Vikings vor Augen sein dürften. In Detroit kassierte er zwar nur 2 Sacks, machte aber schon da angesichts vieler Blitzes einige Fehler, in Arizona gegen die Rams im Wild Card Game waren es dann sogar neun Sacks. In beiden Fällen hielt er den Ball viel zu lange (3,14 und 3,15 Sekunden).
Wie zu hören war, hatten die Seahawks vor dem Trade mit den Raiders vergeblich versucht, den Vertrag von Smith über 2025 hinaus zu verlängern. Das führte dann zu diesem Move. Die Entscheidung für Darnold war dann jedoch folgerichtig, schließlich wird der neue Offensive Coordinator Klint Kubiak ein ähnliches Scheme spielen lassen wie Kevin O'Connell in Minnesota oder Kyle Shanahan in San Francisco, wo Darnold 2023 als Backup bereits seine Leistungen stabilisiert hatte. Die Vermutung liegt also nahe, dass er nun auch in Seattle funktionieren könnte.
Was die Wide Receiver angeht, die für die zwei Stars gekommen sind, fällt es hingegen schwerer, rationale Erklärungen zu finden. Kupp ist zwar ein etablierter und großer Name in dieser Liga, doch wird er zum Saisonstart bereits 32 Jahre alt sein - er ist nur etwas mehr als ein Jahr jünger als Lockett. Und er hat in den vergangenen drei Spielzeiten 18 Spiele mit diversen Verletzungen verpasst.
Nach seiner historischen Saison 2021, in der er die Receiving Triple Crown und später den Super Bowl als dessen MVP gewann, ging es für ihn steil bergab. In den vergangenen drei Jahren ging seine Fähigkeit, "offen" zu sein, laut "ESPN"-Daten immer weiter zurück.
Seahawks: Trend nicht Kupps Friend
Zudem brachte er es in den vergangenen zwei Jahren erstmals in seiner Karriere auf negative Werte bei Catch Rate over Expected (-5,8 und -0,2). Und seine Yards after Catch over Expected gingen ebenfalls stetig zurück und kamen 2024 nur noch auf +21, der mit Abstand schlechteste Wert seiner Karriere. Kupp war gegen Ende seiner Rams-Zeit kaum noch ein Faktor und wurde auch nur noch selten von Matthew Stafford gesucht - und das sicherlich nicht nur, weil ihn Puka Nakua in den Schatten gestellt hat.
Erschwerend kommt in Seattle nun noch dazu, dass er eigentlich auf der von ihm eher ungeliebten Rolle als Outside-Receiver spielen muss, da sich Jaxon Smith-Njigba im Slot festgespielt hat und dort zuletzt aufgeblüht war. Kupp bringt jede Menge Erfahrung mit und dürfte auf diese Weise helfen, doch sollte man nicht erwarten, dass er auf dem Feld noch viele Bäume ausreißen wird.
Und dann wäre da noch MVS. Jener kämpft seit jeher mit Butterfingern. Er ist das wohl größte Downgrade in diesem Kader im Vergleich zu Metcalf. Erstmal ist er ein reiner Deep Threat und wird außer ein paar Screens sicherlich nur für vertikale Routes infrage kommen - etwas, was in der West Coast Offense nicht unbedingt die größte Waffe ist. Und er fängt eben zu wenige Bälle. Laut "NGS" lag seine Catch Rate over Expected in den vergangenen zwei Jahren (Bills/Saints, Chiefs) bei jeweils -11,0 Prozent. Metcalf hingegen lag zuletzt bei +4,8 Prozent.
Was die Defense betrifft, hat man auch dort ein paar Veränderungen vorgenommen. Am auffälligsten ist da sicher der Abgang vom zum Edge Rusher umfunktionierten Dre'Mont Jones, den man ultimativ mit Cowboys-Urgestein DeMarcus Lawrence ersetzt hat. Auf dem Papier könnte das ein Upgrade sein, doch ist auch Lawrence verletzungsbedingt nicht mehr der zuverlässigste.
Seahawks müssen langfristig planen
Wie auch immer wir es drehen und wenden wollen, haben sich die Seahawks mit ihren Manövern in der bisherigen Offseason offensiv nicht unbedingt einen Gefallen getan. Für den Moment scheint daher der Plan zu sein, Geld zu sparen und sich womöglich langfristig besser zu positionieren. Sie verfügen im Draft 2025 über insgesamt zehn Picks, darunter fünf an den ersten beiden Tagen. Denkbar also, dass weitere Verstärkungen über diese Schiene kommen.
Es muss jedoch bezweifelt werden, ob Seattle mit dieser Neuausrichtung für die Saison 2025 ein Team sein kann, mit dem man rechnen muss. Trotz dreier Winning Seasons am Stück - 2024 beendete man die Saison sogar mit 10-7 - gelang der letzte Playoff-Einzug bis heute im Jahr 2022 (9-8). Diese Durststrecke könnte nun noch etwas länger anhalten.