Die San Francisco 49ers haben in dieser Offseason der NFL für Aufsehen gesorgt mit zahlreichen Abgängen von Leistungsträgern. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zudem steht schon der nächste Ärger ins Haus.
Die San Francisco 49ers gehören zu den erfolgreichsten NFL-Teams der vergangenen Jahre. Seit Head Coach Kyle Shanahan und General Manager John Lynch das Kommando in der Bay Area 2017 übernommen haben, erreichten die Niners viermal die Playoffs - zweimal endete der Run im NFC Championship Game, zweimal sogar mit späten Führungen im Super Bowl.
Es reichte nicht zum ganz großen Wurf und der sechsten Lombardi Trophy für das so erfolgreiche Franchise aus Kalifornien, doch gab es eben auch kaum ein anderes Team, das in diesem Zeitraum so konstant auf hohem Niveau unterwegs war. Doch nun scheint man die Reißleine gezogen zu haben. Die Saison 2024 war eine aus der Hölle, wie es ein Coach des Teams gegenüber Michael Silver von "The Athletic" so treffend formulierte.
Diese Höllensaison endete mit einer 6-11-Saison, der ersten Losing Season des Teams seit 2020 (6-10). Und auch wenn es gute Gründe dafür gab, darunter vor allem zahlreiche schwere Verletzungen von Leistungsträgern, ist diese schwache Spielzeit wohl auch der Beginn einer Zeitenwende in San Francisco - Zeit für einen Reset.
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49ers setzen den Rotstift an
Entsprechend sah die Offseason bislang auch aus. Der Rotstift wurde angesetzt, nachdem die 49ers im Vorjahr die Liga in Cash Spending - das tatsächliche Geld, das ein Team für Spieler in einem Jahr ausgibt - mit mehr als 334 Millionen Dollar angeführt hatten. Mit Edge Rusher Leonard Floyd, den Defensive Linemen Javon Hargrave und Maliek Collins sowie Fullback Kyle Juszczyk - er kam letztlich für weniger Geld zurück - wurden gleich mehrere Leistungsträger entlassen, um einen zweistelligen Millionenbetrag aus den Büchern zu streichen.
Darüber hinaus wurde der durchaus schwierige Schritt gemacht, Wide Receiver Deebo Samuel für einen Day-3-Pick im Draft nach Washington zu traden. Betonen muss man bei alledem, dass es hier keineswegs darum ging, Cap Space zu gewinnen. Diese Abgänge sind keine Cap-Opfer, wie es sonst üblich ist zu diesem Zeitpunkt des Jahres. Einige dieser Spieler hinterlassen beträchtliches Dead Money und haben die durch ihr - unfreiwilliges - Gehen die Cap-Situation noch verschlechtert.
Hier ging es einzig darum, echtes Geld einzusparen, nachdem das Vorjahr eben nicht die hohen Summen gerechtfertigt hat, die Owner Jed York ins Team gepumpt hat.
Erschwerend kommt für Head Coach Kyle Shanahan dazu, dass man auch nicht wahnsinnig große Anstrengungen unternommen hat, um die zahlreichen eigenen Free Agents zu halten. Bitter dürften besonders der Abgänge von Linebacker Dre Greenlaw sowie Safety Talenoa Hufanga gen Denver gewesen sein, schließlich waren sie frühere Fünftrundenpicks, die voll eingeschlagen waren. Eigentlich Spieler, die man als erfolgreiches Team nicht gehen lassen will oder sollte.
Spieler | Position | Art des Abgangs |
Aaron Banks | Guard | Free Agent |
Maliek Collins | Defensive Tackle | Entlassung |
Joshua Dobbs | Quarterback | Free Agent |
Leonard Floyd | Edge Rusher | Entlassung |
Dre Greenlaw | Linebacker | Free Agent |
Javon Hargrave | Defensive Tackle | Entlassung |
Talenoa Hufanga | Safety | Free Agent |
Kyle Juszczyk | Fullback | Entlassung* |
Jordan Mason | Running Back | Trade |
Elijah Mitchell | Running Back | Free Agent |
Jaylon Moore | Offensive Tackle | Free Agent |
Deebo Samuel | Wide Receiver | Trade |
Charvarius Ward | Cornerback | Free Agent |
*) Kam anschließend mit neuem Vertrag zurück.
49ers: Auch Aiyuk bald weg?
Und damit nicht genug, denn dem Vernehmen nach soll auch Wide Receiver Brandon Aiyuk auf der Abschussliste stehen. Er hatte nach einem Holdout in der vergangenen Offseason und langatmigem Theater am Ende auf Wunsch von Shanahan doch noch seinen Vertrag um vier Jahre und 120 Millionen Dollar verlängert. Ähnlich wie Samuel nach öffentlichem Wechselwunsch für neues Geld blieb und Trent Williams einfach so mehr Geld wollte, da sein Vertrag keine Garantien mehr übrig hatte.
Das Problem bei Aiyuk, der im Vorjahr aufgrund seines massiven Trainingsrückstands nie in Form kam und sich dann mit einem Kreuzbandriss nach nur sieben Spielen verabschiedete, ist jedoch genau das: er kommt von einem Kreuzbandriss zurück. Gut möglich, dass er zwar zum Saisonstart wieder fit ist, doch die jüngere Vergangenheit zeigte eben auch, dass gerade Wide Receiver nach so einer Verletzung in der Regel erstmal ein Jahr brauchen, um wieder in Form zu kommen und effektiv zu spielen.
Es mag dort draußen zwar durchaus an Aiyuk interessierte Teams geben, doch werden diese womöglich vom Gesamtpaket abgeschreckt. Für 2025 sind ihm bereits jetzt fast 21 Millionen Dollar garantiert. Mehr als 26 Millionen für 2026 (größtenteils per Option Bonus) werden ihm zusätzlich am 1. April 2025 garantiert sein. Wer also für ihn tradet, muss ihm also vor seinem ersten Spiel fast 50 Millionen Dollar für die kommenden zwei Saisons zusichern.
Ein stolzer Preis für einen Spieler, der zwar bis 2023 äußerst produktiv war, der jedoch die vergangene Offseason größtenteils verpasste und der dann von seinem Coach nach Unterschrift des neuen Vertrags öffentlich dafür ermahnt werden musste, weil es ihm nicht gelang, die korrekten Trainingsshorts zum Training zu tragen. Zudem wurde er während des Spiels dabei beobachtet, wie er Mitspieler - Kicker und Long Snapper - nach einem Fehlschuss anschnauzte.
49ers: Draft im defensiven Fokus
Ob nun mit Aiyuk oder nicht, werden die 49ers in der kommenden Saison anders aussehen. Im Receiving Corps hatte man mit Ricky Pearsall im vergangenen Draft bereits für einen Samuel-Abgang vorgebaut, im Slot dürfte künftig Jauan Jennings agieren. Die größte Baustelle ist jedoch sicherlich die Defensive Front. Ein Ersatz für Greenlaw sowie für die Defensive Tackles muss gefunden werden.
In der Free Agency hielt man sich vornehm zurück - Sparkurs eben -, doch im Draft warten in diesem Jahr genügend gute Defensive Tackles für die ersten drei bis vier Runden. Ähnlich sieht es mit Linebackern aus. Da trifft es sich gut, dass die Niners über elf Picks im Draft und vier in den ersten drei Runden verfügen.
Der Hauptgrund für diesen radikalen Schnitt dürfte neben der schwachen Vorsaison, die nüchtern betrachtet bewiesen hat, dass viel Geld auszugeben nicht unbedingt Erfolg garantiert, besonders nicht in der NFL, aber auch die so wichtige noch anstehende Personalie Brock Purdy sein. Purdy geht bekanntermaßen in sein letztes Vertragsjahr und benötigt daher einen neuen Vertrag. Eine hochdotierten noch dazu.
Purdy, Mr. Irrelevant im Draft 2022, hat sein Team in seinen ersten drei Jahren zweimal bis ins NFC Championship Game und einmal in den Super Bowl geführt. Im Vorjahr ging er mit den Kollegen unter, doch fehlten ihm eben auch häufig die sonst so verlässlichen Waffen, weshalb sich das erklären lässt. Und somit muss der QB eben bezahlt werden.
49ers drohen zähe Verhandlungen mit Purdy
Gerüchten zufolge sollen die 49ers im ersten Anlauf ein durchschnittliches Jahresgehalt von 45 Millionen Dollar geboten haben. Anders gesagt: 15 Millionen Dollar weniger als Liga-Topverdiener Dak Prescott in Dallas. Jetzt lässt sich treffend diskutieren, ob Purdy den nächsten Markt-Reset verdient hat oder eben nicht. Doch diese extreme Diskrepanz zwischen Prescotts Salär und diesem Angebot, dürfte für Purdy und seinen Agenten Kyle Strongin von "Rage Sports" ein Schlag ins Gesicht gewesen sein.
Das Angebot wurde folglich abgelehnt. Beide Seiten haben etwaige Druckmittel für die weiteren Verhandlungen. Die Niners können darauf verweisen, dass Purdy ohne Einigung nur etwas mehr als 5 Millionen Dollar im kommenden Jahr verdienen würde. Und im Anschluss könnten die Niners ihn dann schlimmstenfalls zweimal per Franchise Tag vom freien Markt fernhalten. Das wäre teuer, aber wohl günstiger als ein Vertrag, der im Schnitt mehr als 60 Millionen Dollar kosten würde.
Purdy wiederum kann damit drohen, nicht zu erscheinen, was auch die ohnehin schon schwierige Vorbereitung auf die neue Saison noch weiter erschweren könnte. Es droht damit abermals eine Offseason, die von Dingen außerhalb des Platzes überschattet wird. Und wie folgenschwer das sein kann, zeigte 2024 recht deutlich. Lange vor der Verletzungsflut, die dem Team schließlich den Rest gegeben hat.
Für die 49ers stehen damit entscheidende Wochen und Monate an. Eine Zeit, in der die Weichen gestellt werden für eine ungewisse Zukunft. Für ein Team, das seit 2019 zweimal im Super Bowl stand, entscheidet sich nun vielleicht schon, ob das vor kurzem noch so offen wirkende Titelfenster nicht vielleicht doch schon fast geschlossen ist oder noch einen Spalt offen steht.