Der deutsche Spieler im diesjährigen International Pathway Program der NFL, Leander Wiegand, berichtet über sein Trainingslager in Bradenton/Florida und gibt einen Einblick, wie sich die Spieler dort auf ihren Pro Day vorbereiten.
Der Zusammenhalt in der Gruppe ist überraschend gut und man hat einen gesunden Wettkampf um eine besondere Erfrischung in der Sonne Floridas laufen. Ferner verrät Wiegand im exklusiven Interview mit sport.de-Redakteur Marcus Blumberg seine Herangehensweise im täglichen Training. Und er nennt das große Ziel, dass er sich für seinen Pro Day Ende März gesetzt hat.
Herr Wiegand, Sie sind jetzt seit Mitte Januar in Florida und bereiten sich auf den IPP Pro Day vor. Beschreiben Sie doch mal Ihren Tagesablauf.
Leander Wiegand: Wir sind jetzt hier seit sechs, sieben Wochen im Trainingslager und haben seither volles Programm. Wir haben viermal die Woche dreimal am Tag Training. Die Haupttage sind dann Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag. Mittwoch ist es ein bisschen ruhiger, da sind mehr Meetings und wir machen beispielsweise auch Yoga an dem Tag und eine Regenerations-Session. Zudem wird da für die Special Teams trainiert - also für die Jungs, die dafür infrage kommen. Da bin ich leider kaum dabei, ich spiele da nur im Field-Goal-Team. Aber für die allermeisten wird das wohl der Weg ins Team sein. Dafür gibt es nochmal eine extra Special-Teams-Session und am Samstag ist auch nochmal ein bisschen Training, der restliche Samstag und Sonntag ist dann frei.
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Wenn Sie Meetings ansprechen - was genau wird da besprochen?
Wiegand: Viele kennen ja den Sport Football noch gar nicht, also muss man denen den Sport erstmal grundlegend näherbringen und dann die Positionen. Die Verantwortlichen hier haben es bei manchen vorher ungefähr eingeschätzt, wer für welche Position infrage kommt und entsprechend werden dann positionsspezifisch die Basics erklärt. Und da machen die Coaches hier richtig gute Arbeit, denn ich glaube, ich hätte da schon Probleme damit, in so kurzer Zeit jemandem einen ganzen Sport und eine spezielle Position zu erklären. Und es ist auch ganz interessant, das so mitzubekommen - ich selbst spiele ja in der Offensive Line -, wie die Coaches da dem Jeneiro Wakeham, das ist einer der O-Liner aus Fidschi, versuchen, alles von Null quasi beizubringen. Und es ist auch wahnsinnig zu sehen, wie er da in kürzester Zeit riesige Sprünge macht. Wie er sich O-Line-spezifisch bewegt, aber auch von seinem Wissen her. Für mich ist das eher eine Auffrischung. Und jetzt, wo wir in den Endspurt kommen, ist das schon interessant, denn Ashley Cornwell, unsere zweite O-Line-Trainerin, die vor kurzem noch in mehreren NFL-Teams gearbeitet hat, testet uns dann wie in Meetings mit Scouts. Das heißt, man geht nach vorne vors Whiteboard und muss Plays anzeichnen, zum Beispiel 36-Power, oder Split-Zone erklären. Was machst du gegen diese oder jene Defense oder verändere mal die Linebacker-Positionen. Übungen, bei denen man dann wirklich sieht, wer Plan hat und wer nicht. Das ist auf alle Fälle spannend. Abends in den Meetings geht es derweil darum, das Training zu verbessern. Es wird immer alles gefilmt, es sind immer viele Leute beim Training anwesend, denn nur so wird man eben besser. Wie einer unserer Coaches sagt: "Film lügt eben nicht." Und anhand dessen sieht man eben wirklich, ob wir heute besser geworden sind oder das nur so ein Gefühl war.
Wie ist denn der generell Zusammenhalt bei Euch in der Gruppe?
Wiegand: Ich denke, der ist auf alle Fälle besser als ich dachte. Ich bin hier hergekommen mit der Einstellung, dass es für mich wie ein Business-Trip ist und es nicht darum geht, hier großartig meinen Freundeskreis zu erweitern. Aber die Jungs sind alle supercool und sehr, sehr sympathisch. So macht man dann auch neben den Trainingseinheiten schon viel miteinander, ob es dann nochmal eine Extrarunde auf dem Feld ist oder zusammen in den Kraftraum zu gehen, Film zu gucken oder am Wochenende auch zusammen an den Strand zu fahren. Es wird auch sehr viel Madden gespielt und man merkt, dass alles sehr kompetitiv ist. Mein Ding ist es, um Smoothies zu wetten. Wir haben hier so einen Smoothieladen in der Nähe und da wird dann Madden oder EAFC um Smoothies gespielt - überwiegend Madden.
Leander Wiegand: Das ist sein Team bei Madden
Konkret: Welche Smoothies sind da Ihre Favoriten?
Wiegand: Die haben alle so abgefahrene Namen. Ich nehme gerne den "Pineapple Surf". Der ist auf alle Fälle krass. Und die Bechergrößen hier sind natürlich auch absurd. Wenn einer jemandem dann einen Smoothie schuldet, wird natürlich immer die größte Sorte gewählt. Das sind 44 Ounce (1,3 Liter, Anm. d. Red.), das ist ein riesiger Becher, auf alle Fälle ist das jede Menge Smoothie. Mit dem warmen Wetter hier ist das natürlich sehr, sehr stark.
Und mit welchem Team spielen Sie am liebsten bei Madden?
Wiegand: Normalerweise geht das hier im Zufallsprinzip, aber wenn es um Geld und um Smoothies geht und ich mir ein Team aussuchen kann, dann spiele ich häufig mit den Eagles, weil die natürlich die beste O-Line haben. Aber auch mit den Ravens kann man krass gut spielen. Ich bin ein Madden-Anfänger, vor allem im Vergleich zu anderen Leuten, aber wenn man das einmal mit der Read-Option verstanden hat, kann man mit Lamar Jackson schon viel machen.
Wenn wir mal aufs Training schauen, sehen Sie sich da im Wettkampf mit den anderen oder schauen Sie hauptsächlich auf sich selbst?
Wiegand: Es ist ein bisschen schwierig, weil die anderen beiden O-Liner einfach sehr verschieden sind. Die haben ja gar keine Vorerfahrung, weshalb ich mich nicht so gut mit ihnen messen kann. Und auch athletisch betrachtet - wie die NFL auf uns schaut - liegen wir sehr weit auseinander. Die beiden haben, sagen wir mal, Übergrößen - selbst für die NFL. Und ich selbst muss einfach beim Pro Day athletisch sehr gute Leistungen bringen, um mich da in den Topf zu werfen. Ich habe mir für das ganze Projekt hier gesagt, dass ich alles gebe, was ich kann. Ich mache das Beste aus dieser Chance und so kann ich am Ende nur gewinnen. Denn ich habe es am Ende ja auch nur begrenzt in der Hand, ob mir ein Team am Ende die Chance gibt. Es hat ja auch viel mit Glück zu tun, aber ich werde hier auf alle Fälle nichts liegen lassen. Ich konkurriere hier also hauptsächlich mit meinem Ich vor zwei Wochen, um besser zu werden. Deshalb ist es auch ganz gut, dass wir einen Mock-Pro-Day gemacht haben, dadurch habe ich jetzt die Zahlen und versuche, da jetzt nochmal ein Niveau draufzusetzen beim richtigen Pro Day. Ich weiß nicht, ob Ihr das in der Doku ("The Pathway", Anm. d. Red.) gesehen habt, aber ich versuche mich jetzt mit den Combine-Zahlen der Amerikaner zu messen, zum Beispiel beim Bankdrücken. Unser Coach sagte auch, dass wir einen gewissen Wow-Faktor brauchen. Und für mich wird es das Bankdrücken sein. Allerdings ist da keiner von denen in Indy an das herangekommen, was ich vorhabe und machen kann. Deshalb ist es jetzt auch da so, dass ich einfach schaue, dass ich die Nummer erreiche, die ich mir am Anfang als Ziel gesetzt habe.

Wiegands Ziel: 40 Reps beim Bankdrücken
Dann konkret: Welches Ziel haben Sie sich gesetzt?
Wiegand: Ich will mindestens 40 Repetitions schaffen. Man muss eben ein Ausrufezeichen setzen und in den vergangenen fünf Jahren hat niemand über 40 gedrückt und daher denke ich, dass das etwas wäre, was Aufsehen erregt.
Ist denn das Training eher richtiges Footballtraining oder liegt der Fokus komplett auf den Übungen beim Pro Day?
Wiegand: Also am Anfang war es schon so, dass wir die Basics trainiert haben - in der O-Line eben die Basic-Blocks, man hat einen Inside-Zone-Block, einen für Outside-Zone, dann für die Gap-Schemes, wir haben viel mit Pads und Helm gearbeitet. Wir hatten auch einmal One-on-One-Übungen mit den Defensive Linemen. Aber jetzt, wo der Pro Day näher rückt, werden wir mehr die Sachen machen, die da auch getestet werden. Das sind immer eine Handvoll von Drills, die immer wieder kommen. Dann denken sich die Coaches auch immer was Neues aus, aber das ist ganz ohne Ausrüstung abgesehen von den Schuhen. In den kommenden zwei Wochen wird der Fokus nun darauf liegen, sodass man dann auch flüssig in diesen Übungen aussieht.
Wenn Sie sich nun diese Drills anschauen, die ja relativ wenig mit echtem Football zu tun haben. Inwiefern können diese Ihrer Meinung nach helfen, Talent am Ende zu erkennen?
Wiegand: Diese Diskussion gibt es ja schon lange, was ich auch verstehen kann. Waren denn die dominantesten Spieler in der NFL auch die dominantesten bei der Combine? Ich denke, dass es gerade für uns schon wichtig ist, weil wir jetzt teilweise gar kein Football, teilweise nur wenig gespielt haben und dann vielleicht nicht auf einem hohen College-Niveau. Und da kann man schon sehen, wie explosiv ein Athlet ist. Und dann kann man ja was mit dieser Explosivität machen. Gerade beim Bankdrücken ist es bei 30 Reps irgendwann eine Ausdauerübung, wo man schon fragen muss, wie sinnvoll das dann ist. Aber ich denke, dass es schon gut ist, so einen Drill zu haben. Die Power im Oberkörper - ob man das Gewicht dann vielleicht eher anpassen sollte an den Athleten, das heißt, jeder drückt sein Körpergewicht. Die Sprünge finde ich schon gut, denn da kann man auch nicht viel mit Technik machen, da geht es auch einfach darum, wie explosiv man ist. Es ist gewissermaßen ein Studium für sich. Wenn man jetzt nicht aus dem Sprinten kommt, muss man das alles nochmal neu lernen. Da ist ja wahnsinnig viel gut zu machen mit einer guten Technik. Und man läuft ja auf dem Feld auch selten so, wie man den 40-Yard-Dash laufen würde. Ich kann die Kritik daran also auf jeden Fall verstehen, denke aber auch, dass es gerade für die Situation hier schon sinnvoll ist, wobei die Positionsdrills natürlich genauso wichtig sind. Denn wenn man die Grundlagen seiner Position nicht beherrscht und darin flüssig aussieht, sondern überfordert wirkt oder man sieht, dass sich derjenige gar nicht unter Kontrolle hat, dann ist das schon schwierig. Wenn jemand super schnell laufen kann, aber in die falsche Richtung geht, bringt das ja auch nicht viel.
Guter Punkt! Wenn wir jetzt mal weiter vorausschauen, der Pro Day steht Ende März an, doch was passiert im Anschluss?
Wiegand: Der Pro Day ist am 26. März, danach werden wir nochmal ungefähr eine Woche hier bleiben und haben noch einen Tag auf dem Campus, an dem Teams kommen. Da hat jeder seine Timeslots, wo es dann nochmal ein Workout geben wird, bei dem Scouts und Coaches dabei sein werden und die dann ein Training anleiten können. Teams können dann sagen, "wir haben hier zehn Übungen mitgebracht und möchten, dass XY die dann macht". Und danach geht es zurück. Ich werde am 7. April wieder nach Deutschland fliegen. Und da ich für den Draft zugelassen bin, werde ich dann bis nach dem Draft warten, um zu wissen, wie es weitergeht.
Wiegand will beim Pro Day "komplett explodieren"
Haben Sie denn von den Coaches vor Ort schon Feedback bekommen, wie die Ihre Chancen einschätzen?
Wiegand: Ja, das Feedback ist überwiegend gut. Ich habe die schon in der ersten Woche gefragt - denn vor ein paar Jahren war ein anderer Deutscher hier, der Marlon Werthmann -, warum es denn mit dem nicht geklappt hat. Und die haben mir gesagt: "Ganz ehrlich: das wissen wir nicht." Es ist ganz schwer zu sagen. Am Ende können das nur die Teams sagen. Aber das Feedback der Coaches ist grundsätzlich sehr gut, weil ich mich in den Bereichen, die ich in der Hand habe, verbessere. Daher habe ich mit Blick auf den Pro Day auch ein echt gutes Gefühl. Am Ende hängt das aber von so vielen Sachen ab, die man auch gar nicht selbst in der Hand hat. Und man weiß auch nicht, wonach die Teams gerade suchen. Von daher versuche ich mir auch keinen Kopf zu machen und einfach das zu kontrollieren, was ich kontrollieren kann, also diesen Pro Day abzureißen und komplett zu explodieren.
Sie sind ja nun an der IMG Academy. Was macht diese so besonders?
Wiegand: Die vielen Möglichkeiten, die man hier hat, sind Wahnsinn. Die Anlage ist riesengroß. Es gibt hier glaube ich sieben Fußballfelder, ich denke 30 bis 40 Tennisplätze, mehrere Basketballhallen, verschiedene Lacrosse- und Football-Felder, vier oder fünf Gyms, die alle qualitativ hochwertig sind. Dann gibt es Möglichkeiten, körperliche Tests zu machen. Die haben hier so ein Zentrum, in dem man genau gucken kann, wie viel jemand wiegt, wie viel Körper und Knochenmasse jemand hat, wie viel Energie jemand verbraucht, wenn er den ganzen Tag über nur liegen würde. Die Möglichkeiten hier sind enorm. Deswegen sieht man auch immer wieder Profiteams aus verschiedenen Sportarten oder Profisportler, die sich hier individuell vorbereiten auf Saisons. Ich habe zum Beispiel von den New York Red Bulls Choupo-Moting hier zuletzt rumlaufen gesehen.