Die Los Angeles Chargers haben vor knapp einem Jahr ihr sportliches Schicksal in die Hände von Jim Harbaugh gelegt. Einem Mann, der über viel NFL-Erfahrung verfügt, dort aber erst drei Jahre als Head Coach arbeitete. Einem Mann der neun Jahre raus aus der National Football League war. Einem Mann, der die Dinge etwas anders angeht. Doch der Erfolg gibt den Chargers Recht.
Nach einer verkorksten Vorsaison mit einer Bilanz von 5-12 führte Harbaugh das Team frühzeitig in die Playoffs. Nach elf Siegen in der Regular Season trifft man am Samstag zum Auftakt der Wild Card Round auf die Houston Texans (22:30 Uhr live bei RTL und RTL+*)
Die Coaching-Reise des Jim Harbaugh
Auch wenn man in den Playoffs in der AFC sicherlich nicht der große Favorit ist, lebt er, der Traum vom Super Bowl. Ein Traum, den sich Harbaugh selbst 2013 schon teilweise erfüllt hat. Denn zumindest stand er, damals als Coach der San Francisco 49ers, schon einmal im großen Spiel. Damals verlor er gegen die Baltimore Ravens, die damals wie heute von seinem Bruder John trainiert wurden.
Für Jim wäre ein damaliger Sieg die Krönung einer NFL-Laufbahn gewesen, die bereits 1987 begann, als Harbaugh mit dem 26. Pick des Draft von den Chicago Bears in die NFL geholt wurde.
Als Quarterback verbrachte Harbaugh 14 Jahre in der Liga, seine Spuren hinterließ er vor allem 1995, als er bei den Colts zum All-Pro wurde.
Seine Coaching-Karriere hatte der heute 61-Jährige bereits parallel zu seiner NFL-Laufbahn gestartet, als ehrenamtlicher Assistenztrainer der Western Kentucky University. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere ging es für ihn nach Oakland, wo er sich als Quarterback-Coach der Raiders seine ersten Sporen als NFL-Coach verdiente.
Es blieb jedoch seine einzige Anstellung als Assistenztrainer, viel mehr schien ihm die Rolle als Head Coach zu liegen. Als solcher startete er am College in San Diego, anschließend ging es nach Stanford, ehe die 49ers anfragten.
Hier blieb Harbaugh, inklusive des angesprochenen Super Bowls, bis 2015, ehe es ihn nach der Entlassung in der Bay Area zurück ans College zog. Harbaugh übernahm 2015 die Verantwortung für das Footballteam seiner Alma Mater, der University of Michigan.
Acht Jahre blieb er in Ann Arbor und brachte die Wolverines vor allem in den letzten Jahren wieder auf die Karte. Zwischen 2021 und 2023 gewann er drei Mal in Serie die Big Ten und krönte das Ganze mit der National Championship 2023.

Die verschenkten Chargers-Jahre
Und damit schien Harbaugh sein Ziel erreicht zu haben. Es wurde Zeit für etwas Neues, denn in Sachen NFL hat der 61-Jährige noch eine Rechnung offen. Als Harbaugh also ankündigte, wieder in der National Football League coachen zu wollen, gab es einige Interessenten. Den Zuschlag bekamen die Los Angeles Chargers.
Ein Team, das sich in den vorherigen Jahren, auch auf Grund von Coaching-Problemen immer wieder selbst schlug. Obwohl man in Justin Herbert seit 2020 einen der talentiertesten NFL-Quarterbacks in den eigenen Reihen hatte und mit Spielern wie Keenan Allen, Mike Williams, Khalil Mack, Joey Bosa oder Derwin James eine Menge weitere Qualität anbieten konnte, schaffte man es nur 2022 in die Playoffs. Dort unterlag man passenderweise nach 27:0-Führung noch gegen die Jacksonville Jaguars.
Was folgte war die angesprochene Katastrophen-Saison, die Head Coach Brandon Staley schon im Verlaufe des Jahres seinen Job kostete. Die Chargers hatten also frühzeitig Zeit, sich zu überlegen, in welche Richtung man bei der Coaching-Suche gehen wollte.

"For He's a Jolly Good Fellow"
Die Wahl fiel auf den Veteranen Jim Harbaugh. Und damit auf einen Head Coach im klassischen Sinne. Harbaugh ist kein begnadeter Playcaller, weder offensiv noch defensiv. Doch er ist ein Leader, einer der weiß, wie man Teams zusammenstellt und eine "Winning Culture" aufbaut.
Diese Coaches, ob sie nun vom alten Schlag sein mögen oder nicht, wurden in den vorherigen Jahren immer weniger, mittlerweile ist der Trend allerdings wieder rückläufig. Typen wie Dan Campbell, Dan Quinn oder eben Jim Harbaugh sind wieder mehr gefragt und nicht nur talentierte Playcaller a la McVay oder Shanahan. Klar, es gibt natürlich noch Andy Reid, der beides gleichermaßen verkörpert, aber der gewann auch nicht grundlos zwei Super Bowls in Folge.
Und wenn man sich mal das ein oder andere Video aus der Chargers-Kabine anschaut, wo Harbaugh die Spieler nach jedem Sieg gemeinsam aus vollem Halse "For He's a Jolly Good Fellow" singen lässt, der erkennt ein Team, das in nur einem Jahr eben diese Teamkultur aufgebaut hat, auf die ihr Head Coach so großen Wert legt.
Ein Umbruch mit Erfolg
Dabei stört es scheinbar auch nicht, dass das Team auch neben der Position einen gehörigen Umbruch machen musste. Mit Keenan Allen, Mike Williams und Austin Ekeler verlor man aus Cap-Gründen gleich drei Spieler, die die Chargers-Offense jahrelang geprägt hatten.
Doch die Chargers bewiesen den richtigen Riecher und holten im Draft unter anderem Joe Alt, der sich sofort zu einem der besseren Left Tackle der Liga entwickelte, sowie auch Ladd McConkey, der die Saison mit 1.149 Receiving Yards abschloss.
Zudem holte man als Ekeler-Ersatz das Running-Back-Duo Gus Edwards und J.K. Dobbins. Die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit mit Offensive Coordinator Greg Roman, denn das Trio arbeitete zusammen bei John Harbaugh und den Ravens.
Auch wenn Dobbins und Edwards immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatten, schafften es die Chargers das zu installieren, was bei der Verpflichtung von Roman bereits abzusehen war. Eine laufintensive Offense, mit hohem Floor.
Doch auch hier gelangen im Saison-Verlauf weitere Anpassung. Zum Ende der Spielzeit ließ man Quarterback Justin Herbert immer mehr von der Leine, was der Offense sichtlich gut tat.

Erneutes Brüder-Duell in Aussicht
Und weil man zum Ende der Regular Season richtig gut in Form war, sind die Chargers am Samstag bei weitem nicht der klare Underdog, wie man es bei einem Matchup gegen die Texans noch zu Saisonbeginn hätte vermuten können.
Im Gegenteil, die Form spricht sogar eindeutig für die Chargers, weshalb Experten und Buchmacher das Team von Jim Harbaugh sogar leicht favorisiert sehen. Sollte es den Chargers gelingen, in Houston zu bestehen, bekäme man es in der Divisional Round entweder mit den Kansas City Chiefs oder den Baltimore Ravens zu tun.
Auch wenn ein Duell mit den Chiefs auf Grund des Playoff-Brackets deutlich wahrscheinlicher ist, glitzert am Horizont die Chance auf ein weiteres Brüder-Duell zwischen Jim und John Harbaugh.
Die beiden standen sich in dieser Saison bereits mit den Chargers und Ravens gegenüber, es war das verspätete Rückspiel für den "HarBowl 2013" als John wie erwähnt den Super Bowl gegen seinen Bruder gewann.
In Woche 12 hatten die Ravens mit 30:23 in Los Angeles gewonnen. Im Brüder-Vergleich steht es damit 2:0 für den älteren Harbaugh. Doch bekanntermaßen sind aller guten Dinge ja drei.
Natürlich muss bis dahin noch viel passieren, aber diesen Chargers ist dank Jim Harbaugh einiges zuzutrauen!
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