Woche 11 der NFL sah die erste Saisonniederlage der Kansas City Chiefs gegen die Buffalo Bills - auch, weil Coach Sean McDermott über seinen Schatten sprang. Im Westen ereignet sich Kurioses und in Jacksonville muss wohl der Trainer gehen.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg liefert jede Woche seine Erkenntnisse des zurückliegenden NFL-Wochenendes.
NFL: Bills-Coach McDermott springt über seinen Schatten
Nun haben auch die Kansas City Chiefs ihre erste Niederlage kassiert. Und fast folgerichtig passierte es gegen ihren wohl stärkten Gegner seit Woche 1, den Buffalo Bills, gegen die sie nun vier Regular-Season-Spiele am Stück verloren haben. Doch die Art und Weise, wie dieser Sieg aus Sicht der Hausherren aus dem Westen New Yorks zustande kam, war das Beeindruckende an der ganzen Sache.
Die Bills schafften es defensiv - Head Coach Sean McDermotts Steckenpferd - Patrick Mahomes in der Pocket zu halten und ihn kein einziges Mal für einen Scramble ausbrechen zu lassen. Das gab es vor diesem Spiel noch nicht in dieser Saison. Seit Woche 1 hatte er vielmehr immer mindestens zwei Scrambles pro Spiel. Mahomes wurde überdies in 37,1 Prozent seiner Dropbacks unter Druck gesetzt und warf dennoch erstmals seit Woche 14 in der Saison 2022 wieder mehrere TD-Pässe unter Druck in einem Spiel laut "Next Gen Stats".
Dennoch verlängerte er eben in diesem Spiel keine Plays mit seinen Beinen, was sonst immer ein probates Mittel für Kansas City ist.
Das noch größere Thema jedoch war die Tatsache, dass die Bills das Spiel entgegen der üblichen konservativen Tendenzen von McDermott beendete. Nach dem letzten Chiefs-Touchdown hatte ich noch den Verdacht, dass McDermott mit einer Zwei-Punkte-Führung und weniger als acht Minuten zu spielen auf Vorsprung verwalten gehen würde, wie es so viele Teams gegen die Chiefs tun.
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Bills hielten Fuß auf dem Gas
Die Bills jedoch hielten den Fuß auf dem Gas und versuchten es sogar häufiger mit Empty-Formations und tiefen Pässen. Diese kamen zwar nicht immer an, sendeten aber die klare Botschaft, dass man hier versuchen werde, das Spiel hier und jetzt zu entscheiden und nicht etwa darauf zu hoffen, dass die Chiefs die Partie schon nicht ihrerseits gewinnen würden - eine Hoffnung, die in der Regel nicht erfüllt wird.
Unterstrichen wurde dieser neue Mut von McDermott dann dadurch, dass die Bills den 4th&2 an der 26 ausspielten, anstatt das Field Goal zu nehmen und damit den Vorsprung bei einem Score (5 Punkte) zu halten, was dann unweigerlich wieder eine Zitterpartie nach sich gezogen hätte. Und dann kam natürlich der pure Luxus dazu, dass Josh Allen eben per Scramble nicht nur ein neues 1st Down erzielen kann, sondern direkt unwiderstehlich in die Endzone gerauscht ist. Und das war insgesamt beeindruckend.
Mit dieser Vorstellung müssen wir nun wieder über Allen als möglichen MVP reden, denn was er in dieser Saison spielt, ist einfach stark. Er hat nahezu komplett neue Receiver und setzt jeden davon - mithilfe von Play Caller Joe Brady - perfekt in Szene. Ich glaube nicht, dass ich Curtis Samuel schon mal so gut gesehen haben wie gegen KC! Amari Cooper hat sich sehr gut eingefunden und Khalil Shakir spielt ebenfalls seine bislang beste Saison - zudem haben sowohl Tight End Dalton Kincaid als auch Rookie-Receiver Keon Coleman noch gefehlt.
Defensiv kommt derweil demnächst unter anderem Matt Milano zurück, was ebenfalls noch ein großer Boost sein könnte. Will sagen: die Bills werden bis zum Ende oben mitspielen.
Im Westen was Neues
Was ist da nur in der NFC West los? Wir alle hatten sicherlich damit gerechnet, dass die 49ers diese Division einmal mehr dominieren würden, schließlich kann man argumentieren, dass sich die anderen Teams dieser Division an je einem bestimmten Punkt eines Rebuilds befinden. Und dennoch ist alles offen im Westen der NFC.
Durch den Last-Minute-Touchdown-Run von Seattles Geno Smith stehen nun drei Teams dieser Division bei 5-5 - hinter den Arizona Cardinals, die in ihrer Bye Week gespannt auf das Geschehen geschaut haben und nun ein Spiel Vorsprung vor der Konkurrenz haben mit 6-4. Und: Die Niners haben als einziges Team dieser Division schon drei Spiele gegen West-Konkurrenz verloren (!). Ein Szenario, in dem die Niners also die Playoffs verpassen, ist damit gar nicht mal mehr so abwegig.
Natürlich spielen auch Verletzungen eine Rolle, doch gerade Christian McCaffrey ist nun wieder zurück und hatte spätestens gegen die Seahawks seinen halbwegs normalen Workload und war auch produktiv. Brock Purdy machte ein paar Fehler zu viel und bis auf Jauan Jennings spielte sich auch kein Wide Receiver in den Vordergrund - der Ausfall von Brandon Aiyuk, der einzige X-Receiver im Typ, macht sich deutlich bemerkbar.
Die Seahawks wiederum sind nun 1-2 in der Division und durften sich immerhin auf eine engmaschige Defense verlassen, die so sattelfest auch noch nicht oft agierte in dieser Saison. Offensiv lief bei weitem nicht alles, doch da man stets im Spiel war, weil die Niners nie wirklich davonzogen, reichte am Ende eben ein Scramble von Smith, den keiner auf dem Zettel hatte.
Derweil präsentierten sich die Rams einigermaßen souverän beim Sieg in New England, den sie Matthew Stafford und dessen Top-Receivern zu verdanken haben.
Ein Blick aufs Playoff Picture zeigt nun, dass die Cardinals als Division-Leader Rang 3 stehen. Die übrigen West-Teams wiederum belegen die Plätze 8 bis 10. Die Niners liegen zwar auf 10, haben laut "NGS" aber mit 32 Prozent immer noch die beste Playoff-Wahrscheinlichkeit dieser Gruppe. Die Seahawks (21 Prozent) und Rams (15 Prozent) müssen sich derweil noch größere Sorgen machen.
Diese Division hat das Zeug dazu, bis zum Ende der Regular Season offen zu sein.

Nächster Trainer-Wechsel in der NFL
Schon früher am Sonntag hatte "NFL Network"-Insider Ian Rapoport davon berichtet, dass die Jacksonville Jaguars vor einem Wechsel auf der Trainerposition stehen könnten, wenn das Gastspiel bei den Detroit Lions schief gehen würde. Und bevor ich nun darauf blicke, wie verheerend dieses Spiel aus Sicht der Jaguars tatsächlich gelaufen ist, sei mal in den Raum gestellt, wie absurd dieser kolportierte Plan eigentlich klingt.
Die Lions haben bis auf wenige Ausnahmen zuletzt alles und jeden durch den Schredder gejagt und selbst richtig gute Mannschaften teils an die Wand gespielt. Und dann stellt man sich als Team mit zwei Siegen hin und zieht einen Trainerwechsel in Erwägung, falls ein Spiel bei den Lions schiefginge? Wirklich? Die Lions waren 13-Punkte-Favorit. Die Lions waren seit 1995 nicht mehr so hoch favorisiert worden bei den Buchmachern. Damals spielte noch Running-Back-Legende Barry Sanders in Höchstform!
Wenn eine Niederlage bei einem der besten Teams der NFL und einem der größten Super-Bowl-Favoriten den Ausschlag darüber geben soll ob der Trainer bleiben darf oder nicht, dann muss man sich als Organisation einfach grundsätzlich hinterfragen.
Ebenso natürlich, was den generellen Zeitpunkt angeht. Die Jaguars sind nun 2-9 und hätten Stand jetzt mal wieder den First-Overall Pick in der Tasche. Was genau soll ein Trainerwechsel jetzt also bewirken?
Jaguars-Vorstellung in Detroit ein Desaster
Abgesehen davon aber war die 6:52-Pleite in der Motor City jedoch vollumfänglich desaströs. Man erzielte 475 Yards weniger (!) als die Lions, kassierte in jedem der ersten sieben Drives einen Touchdown und der Abstand von 46 Punkten bedeutete die höchste Pleite der Jaguars in ihrer seit den 90ern laufenden Geschichte. Und wenn man als Shad Khan ohnehin schon angefressen ist, dann sind das durchaus gute Gründe, jetzt das Großreinemachen zu beginnen.
Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist noch nichts Offizielles zu hören gewesen, doch würde mich ein Bleiben von Doug Pederson mittlerweile durchaus überraschen. Im Sommer hat es noch geheißen, dass dies das bestzusammengestellte Jaguars-Team der Franchise-Geschichte sein soll. Und selbiges könnte nun den dritten First-Overall Pick im Draft seit 2021 bedeuten.
Schon vor den London Games war zu hören, dass Pederson die Kabine verloren habe. Spätestens nach der Bankrotterklärung von Detroit scheint das nicht mehr abwegig zu sein. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass man zum zweiten Mal nacheinander mit Backup-QB Mac Jones spielte, der völlig von der Rolle war - also so, wie im Vorjahr schon bei den Patriots. Doch da auch Trevor Lawrence keine überragende Saison spielt, mag das keine allzu überzeugende Entschuldigung sein.
Letztlich stellt sich nun eigentlich nur noch die Frage, ob man zum kompletten Kahlschlag ansetzt und alles neu macht inklusive General Manager Trent Baalke. Oder ob Letzterer noch länger bleiben darf. Seine Drafts fruchteten unterm Strich aber auch nicht wirklich.
Die Eagles muss man ernst nehmen
Irgendwer schrieb kürzlich auf Twitter, dass die einzigen, die die Eagles nicht als Super-Bowl-Anwärter sehen, die Fans der Eagles sind. Und spätestens nach dem 26:18-Erfolg über Washington - das Ergebnis verzerrt ein wenig den Spielverlauf, denn die letzten acht Punkte kamen per Touchdown in der Garbage Time zustande, als die Partie eigentlich schon entschieden war.
Die Art und Weise, wie dieser Sieg zustande kam, war vielsagend. Es war eine enge Kiste für drei Viertel und die Eagles lagen 6:10 zurück. Immerhin hielt sie ihre Defense bis dahin im Spiel, während sich die Offense noch schwerer tat als die der Commanders. Doch dann spielten die Eagles im vierten Viertel groß auf und erzielten 20 Punkte am Stück. Gegen eine dann müde Defense rannte Saquon Barkley mal wieder alles in Grund und Boden und brachte das Spiel außer Reichweite.
Philly unterstrich mal wieder, dass es sehr viele Mittel besitzt, um Spiele zu gewinnen. Das Run Game ist eines davon. Das Passspiel glänzte dieses Mal zwar nicht, doch ist es mit A.J. Brown und DeVonta Smith an der Spitze normalerweise eine Bank. Und dann wäre da noch die Defense, die Super-Rookie-QB Jayden Daniels bei -0,18 EPA/Dropback hielt. Und das ohne großartig zu blitzen (12,5 Prozent der Dropbacks). Der Schlüssel war vielmehr die starke Coverage der Eagles-Defense.
Bemerkenswert war, dass die Eagles Star-Receiver Terry McLaurin aus dem Spiel nahmen. Er hatte einen Catch für 10 Yards bei zwei Targets im Spiel. Seine durchschnittliche Separation bei seinen Targets lag bei gerade mal 1,2 Yards zum nächsten Verteidiger. Und das war in den meisten Fällen Rookie-Cornerback Quinyon Mitchell, den man konsequent auf McLaurin ansetzte. Bei 20 seiner 25 Routes war Mitchell sein Gegenspieler und gegen ihn hatte er kein einziges Target - sechsmal nahm ihn Mitchell sogar in Press Coverage.
Es war der sechste Sieg am Stück für die Eagles und während dieser Siegesserie ließen sie nur einmal mehr als 18 Punkte zu. Die Zeiten, in denen man sie berechtigterweise für diverse Dinge kritisieren kann, ist daher vorerst vorbei. Die NFC East ist zwar keineswegs entschieden durch diesen Erfolg, doch ist dieser dennoch ein Ausrufezeichen für die Konkurrenz. Die Eagles sind wieder da.






































