Die Dallas Cowboys wollten nach Aussage von Jerry Jones 2024 in der NFL zum Großangriff ansetzen. Die Aktivitäten auf dem Transfermarkt lassen jedoch anderes vermuten. Eine Bestandsaufnahme der schwierigen Lage in Texas.
Wenn Fans der Dallas Cowboys dieser Tage nicht allzu gut auf ihr Team zu sprechen sind, dann hat das einen guten Grund. Die vollmundige Ankündigung von Teameigner, Präsident und General Manager Jerry Jones "All-in" zu sein für die kommende Saison, wurde weitläufig so verstanden, dass er aggressiv an die Offseason herangehen wolle.
Seither sind ein paar Wochen vergangen und alles, was bei den Cowboys auf der Haben-Seite steht, sind die Weiterbeschäftigungen von den Defensive Backs Jourdan Lewis und C.J. Goodwin, Running Back Rico Dowdle und Long Snapper Trent Sieg. Hinzu kommt die Verpflichtung von Linebacker Eric Kendricks von den Minnesota Vikings. Dem gegenüber stehen jedoch gleich acht sichere Abgänge, darunter Offensive Tackle Tyron Smith, Running Back Tony Pollard, Edge Rusher Dante Fowler und Center Tyler Biadasz - neun, wenn man das erwartete Karriereende von Leighton Vander Esch dazu zählt. Und vier weitere etablierte eigene Free Agents sind bis heute auf dem Markt.
Der Knackpunkt bleibt der geringe Cap Space, mit dem die Cowboys ins neue Liga-Jahr gegangen sind. Derzeit stehen sie bei rund 5,5 Millionen Dollar, die sie in weitere Free Agents stecken könnten. Und das auch erst, seitdem Quarterback Dak Prescott einer kleinen Restrukturierung seines Vertrags zugestimmt hat. Dabei wurde ein anstehender Roster Bonus in Höhe von fünf Millionen Dollar zum Signing Bonus umgewandelt, was durch die Hilfe von zwei weiteren Void-Jahren Cap Space in Höhe von vier Millionen Dollar kreiert hat.
Prescotts Vertrag bleibt jedoch das größte Problem, denn Stand jetzt steht bei ihm immer noch eine Cap Number in Höhe von fast 55,5 Millionen Dollar zu Buche. Ein weiterer Restructure, um sein Jahresgehalt (29 Mio.) zum Signing Bonus zu machen, wäre möglich, würde jedoch die zukünftige Cap-Situation weiter verschlechtern. Es bleibt also dabei, dass ein neuer Vertrag für ihn her muss, der potenziell aufgrund seiner großartigen Verhandlungsposition Maßstäbe setzen könnte.
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Da sich seit Anfang der Offseason jedoch auch bei anderen namhaften Spielern der Cowboys nichts geändert hat, bleiben dem Team mit Micah Parsons und CeeDee Lamb weitere Großbaustellen offen. Lamb geht in sein letztes Vertragsjahr und würde zum potenziellen Franchise-Tag-Kandidaten werden, wenn man sich in diesem Jahr nicht über einen neuen Deal für einen der produktivsten Receiver der NFL einig werden würde. Und bei Parsons steht die Option für ein fünftes Vertragsjahr an.
Diese wird mit großer Sicherheit gezogen und dürfte laut "Over the Cap" circa 21,3 Millionen Dollar kosten und damit immerhin weniger als der Jahresdurchschnitt seines anstehenden Vertrags sein. Jedoch gilt auch für ihn, dass er immer teurer wird, je länger das Team nun wartet.
Wie ist nun also diese "All-in"-Ankündigung von Jerry Jones zu werten? Sein COO, EVP, Director of Player Personnel - und Sohn - Stephen Jones hatte kürzlich versucht, hier ein wenig zurückzurudern und verwies auf die angespannte Cap-Situation. Jerrah selbst relativierte seine Aussagen jüngst ebenso mit dem Verweis auf eigene Spieler, mit denen man ja durchaus "All-in" sei.
Doch auch in dieser Lesart fehlt bislang die Konsequenz. Die drei genannten Stars brauchen über kurz oder lang allesamt neue Verträge und solange die nicht geschlossen werden, hängt alles im Norden von Texas ein wenig in der Warteschleife. Jones selbst hat nach dem erneut frühen Playoff-Aus seines Teams nicht lange gebraucht, um Head Coach Mike McCarthy für dessen letztes Vertragsjahr den Rücken zu stärken. Doch seither verlor dessen Team zahlreiche Leistungsträger, die nicht wirklich ersetzt wurden - die Entlassung von Michael Gallup machte zusätzlich zu den aufgezählten Abgängen noch eine weitere Baustelle im Receiving Corps auf.
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So richtig scheint Jones also nicht überzeugt zu sein, dass McCarthy das Ruder nochmal rumreißen kann, sonst hätte er ihm womöglich Verstärkungen besorgt, anstatt mit anzusehen, wie etwa Ex-Defensive-Coordinator Dan Quinn gefühlt seine halbe Defense (Fowler, Dorance Armstrong, Noah Igbinoghene) sowie den Center (Biadasz) mit in die Hauptstadt genommen hat.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind nicht mehr allzu viele Spieler zu haben, die wirklich weiterhelfen würden. Nicht, dass die Cowboys dafür Cap Space hatten. Erschwerend hinzu kommt, dass im Draft ebenfalls nur sieben Picks zur Verfügung stehen und der eigene Viertrundenpick etwa in San Francisco liegt für den überzogenen Trade für Quarterback Trey Lance. Auch auf diesem Wege wird es also kaum möglich sein, all die entstandenen Lücken zu schließen.
Objektiv betrachtet braucht es mindestens einen neuen Center, Left Guard, Z- oder X-Receiver, Running Back, Linebacker und Defensive Tackle. Und auch auf den Edge-Positionen fehlt es nun an Alternativen.
Und so stellt sich eben die Frage, ob 2024 wirklich das Jahr sein soll - und kann -, in dem es den Cowboys und McCarthy doch noch gelingt, den großen Wurf zu schaffen und endlich mal über die Divisional Round der Playoffs hinauszukommen. Oder geht es Jerry Jones am Ende mal wieder nur darum, für Drama und damit Aufmerksamkeit zu sorgen und nebenbei zu verhindern, dass er eine Abfindung für seinen Head Coach zahlen muss, im Wissen, dass die Reise ohnehin 2025 enden wird? Seine bisherigen (In-)Aktivitäten lassen diese Vermutung zumindest mal nicht gänzlich abwegig erscheinen.
Marcus Blumberg