Woche 9 der NFL sah das erste Frankfurt Game, das einen problematischen Trend der Miami Dolphins bestätigte. Die Seattle Seahawks entpuppen sich als Papiertiger und wir haben einen Offensive Rookie of the Year. Die wichtigsten Erkenntnisse der Woche.
NFL: Miami Dolphins warten weiter
Head Coach Mike McDaniel hat es auf einer seiner sehenswerten Pressekonferenzen unter der Woche treffend formuliert: Wenn die Dolphins das Spiel in Frankfurt gegen die Kansas City Chiefs gewännen, würden alle von Miami als Super-Bowl-Favoriten reden, wenn nicht, dann hätte man immer noch kein Spiel gegen ein Team mit positiver Bilanz gewonnen und würde als soft hingestellt werden.
Soft it is, dann. Es mag letztes Viertel eng geworden sein gegen die Chefs in Frankfurt und man war drauf und dran, zumindest mal noch vor Spielende auszugleichen. Doch mit einem Fumble bei 4th Down war Schluss und so stehen die Dolphins bei 0-3 gegen Teams über .500! Wie ein Kollege von "nfl.com" richtig anmerkte, war es dieses Mal immerhin kompetitiv, nachdem man gegen die Eagles und Bills jeweils klar geschlagen worden war. Doch unterm Strich bleibt es eben auch dieses Mal bei einer Niederlage. Insgesamt haben sie nun sechs Spiele gegen Teams über .500 am Stück verloren.
Und die ist bitter, speziell nach der Woche, die man hinter sich hatte. Die Dolphins traten mit all dem Selbstvertrauen dieser Welt auf und sprachen teilweise schon offen vom Super Bowl. McDaniel selbst erklärte gegenüber dem "NFL Network", dass man schon deshalb bereits am Dienstag nach Frankfurt geflogen war, um eine Woche auswärts für den kommenden Februar zu simulieren, wenn man dann in Las Vegas ebenfalls lange vor Ort sein würde. Super Bowl also nur noch Formsache.
Selbstvertrauen ist sicher gut, aber dann darf man nicht so auftreten wie die Dolphins vor der Pause. Da ging weitestgehend nichts. Vom Vorteil, besser akklimatisiert zu sein, war nichts zu merken. Die Chiefs waren diejenigen, die wacher wirkten, obwohl sie erst Donnerstag ihren Trip antraten. Und sie schafften es dann sogar, quasi linkshändig zu spielen, was wiederum die klaren Defizite der Fangio-Defense offenbarte.
Fangio tat alles, um Travis Kelce (3 REC, 14 YDS) aus dem Spiel zu nehmen, doch es gelang seiner hochgelobten Defense überhaupt nicht, die anderen Receiver in den Griff zu kriegen. Warum? Weil Mahomes immer wieder Lücken in der Zone fand. Obwohl keiner von den Chiefs-Receivern in letzter Zeit sonderlich gut auftrat und das auch gegen Miami nicht änderte, waren sie gut genug. Und sie waren offen, sehr weit offen, bei ihren Targets.
Selbst mit dem Traumduo auf Cornerback mit Jalen Ramsey und Xavien Howard erstmals gemeinsam auf dem Feld hatte Mahomes wenig Mühe, den offenen Receiver zu finden, speziell über die Mitte und über kurze Distanzen. Ein Switch zu Man Coverage wäre hier vermutlich von Vorteil gewesen. Zudem war der Pass Rush der Dolphins ohne zu blitzen nicht gut genug. Der schnellste Sack von Bradley Chubb benötigte 4,6 Sekunden, was unterstrich, dass Mahomes einfach viel zu viel Zeit zum Werfen hatte.
Unterm Strich müssen wir nun also weiter konstatieren, dass die Dolphins trotz ihrer Offense nicht der große Favorit sind. Nicht, solange sie nicht nachweisen, dass sie auch gute Teams bezwingen können.
NFL: Die Seattle Seahawks sind ein Papiertiger
Die große Story der vergangenen Woche war die Tatsache, dass die Seahawks infolge der dritten Pleite in Serie der 49ers plötzlich wieder an der Spitze der NFC West standen. Alle waren voll des Lobes und beeindruckt ob dieses schnellen Turnarounds in Seattle. Die werden doch nicht etwa ein echter Contender in der NFC ist sein?
Die Antwort: Nein, werden sie nicht. Sie sind ein Papiertiger. Und zwar ein ziemlich wackliger. Von den Baltimore Ravens, dem nach DVOA derzeit klar besten Team der NFL, wurden sie überrannt. Buchstäblich! Die Ravens liefen für 298 Yards und drei Touchdowns bei nur 27 Carries. Laut "Next Gen Stats" waren dies schlappe +157 Rushing Yards over expected.
Zur Erinnerung: Die Seahawks hatten in der Offseason einiges unternommen, um die Run-Defense zu stärken. Sie hatten sogar Linebacker Bobby Wagner zurückgeholt und unter der Woche für Defensive Lineman Leonard Williams getradet. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Alarmierend ist zudem die Tatsache, dass sie nach der Packung in Baltimore eine Punktedifferenz von -4 aufweisen, die ihre nun 5-3-Bilanz schon gar nicht mehr so gut aussehen lässt.
Hinzu kommt, dass die Seahawks laut "ESPN" den viertschwersten Rest-Spielplan der Liga haben. Es stehen unter anderem noch vier Spiele gegen die Niners (2), Cowboys und Eagles an, was zumindest nicht viel Gutes verheißt.
Das kann jetzt natürlich eine Overreaction sein, doch sind die Vorzeichen für einen erfolgreichen Saisonausgang nach dieser Vorstellung zumindest mal infrage zu stellen.
NFL: C.J. Stroud ist der Offensive Rookie of the Year
Gibt es noch irgendwelche Zweifel an C.J. Stroud oder der Frage, wer denn nun der bessere Quarterback von den zwei Top-2-Picks des Drafts 2023 ist? Während Top-Pick Bryce Young heute erst wieder zwei Pick-Sixes geworfen hat, legte Stroud ein Wahnsinnsspiel hin und drehte das Spiel gegen die Buccaneers gleich dreimal im Schlussviertel.
Er tat dies mit einem Running Back als Kicker und scheinbar keiner Defense im Rücken. Stroud sorgte mit 470 Passing Yards für einen Rookie-Rekord - er überholte Rams-QB Marc Bulger, der 2002 mal für 453 Yards geworfen hatte -, ebenso mit seinen fünf Touchdown-Pässen.
Wie gut das war? In seinem erst achten Spiel hat er jetzt schon in die Career Highs von Hall-of-Famer wie John Elway, Brett Favre oder Steve Young überboten, um nur ein paar glorreiche Namen zu nennen.
Der Offensive Rookie of the Year Award dürfte nach dieser Vorstellung bereits vergeben sein. Ultimativ hat Young natürlich noch die Chance, Stroud eines Tages zu überholen, aber basierend auf dem bisher Gezeigten, wird das zumindest schwer. Die Texans sind dabei, etwas richtig Gutes aufzubauen. Und das aktuell mit ein paar eher durchschnittlichen Receivern, die allesamt über sich hinauswachsen. Wenn DeMeco Ryans jetzt noch sein Defense in den Griff bekommt, könnten die Texans in nicht allzu ferner Zukunft tatsächlich angreifen - zumindest mal in der AFC South.
NFL: Befreite Raiders mit Vorsicht zu genießen
Die Las Vegas Raiders spielten wie aufgedreht und wirkten befreit bei ihrem klaren Erfolg über die New York Giants. Josh McDaniels ist weg und nachdem das Anfang der Woche noch überraschend kam, sickerten nun wenig überraschend mehr Informationen durch, die suggerieren, dass die Trennung unabdingbar wurde.
Es ist nicht unüblich, dass so etwas passiert, schmutzige Wäsche wird in solchen Situationen mit fortlaufender Zeit schließlich überall gewaschen. Es ist die Rede von einem sehr lauten Meeting, in dem gegen die Coaches gewettert wurde. Ein reinigendes Gewitter jedoch war es gemessen an der darauffolgenden Pleite bei den Lions am Montagabend aber nicht. Und so zog schließlich Mark Davis die Reißleine.
So jedenfalls gehen die Berichte aus der Stadt der Sünde.
Ob das alles so stimmt? Wer weiß. Unterm Strich schien aber die Erleichterung innerhalb der Mannschaft groß zu sein. Die Raiders hatten schon vor der Pause 24 Punkte erzielt, damit drei mehr als in irgendeinem Spiel unter McDaniels in dieser Saison. Und das mit Aidan O'Connell als Quarterback, der in seinem bisherigen Start in dieser Saison alles andere als überzeugte. Dieses Mal spielte er sachlich und abgeklärt. Er kassierte nicht mal einen Sack.
Man griff ihm aber auch gut unter die Arme und setzte hauptsächlich und kreativ aufs Run Game. Josh Jacobs führte die Truppe an mit zwei Touchdowns und Jakobi Meyers, der vermutlich einzige Ex-Patriot in diesem Team mit einer einigermaßen sicheren Zukunft, scorte per Jet Sweep.
Was ist dieser befreite Auftritt nun wert? Basierend auf früheren Erfahrungen und Beobachtungen erstmal noch gar nichts. Zur Erinnerung: die desolaten Colts haben im Vorjahr nach der Entlassung von Frank Reich ebenfalls ihr erstes Spiel gewonnen unter der Leitung von Ex-High-School-Coach Jeff Saturday. Danach wurde dann alles verloren.
Ob das mit Antonio Pierce als Interimscoach ähnlich läuft, wird sich zeigen. Ausschließend würde ich es nach derzeitigem Stand aber noch nicht. Die Raiders könnten genauso gut nun ähnlich auftreten wie 2021, als man unter Rich Bisaccia sogar noch die Playoffs erreichte. Doch bevor wir hier eine ernsthafte Prognose stellen, sollten wir uns erstmal anschauen, die kommenden Wochen laufen. Speziell wenn es demnächst nicht gegen desolate Gegner geht.
NFL: Joshua Dobbs for the Win
Quarterback zu spielen ist verdammt schwer. Besonders in der NFL. Schaut man sich derzeit aber an, was Joshua Dobbs so spielt, könnte man diese Weisheit durchaus anzweifeln.
Dobbs stand am Sonntag nach seinem Trade unter der Woche aus Arizona nach Minnesota für sein insgesamt fünftes NFL-Team auf dem Platz. Er war ein Viertrundenpick der Steelers 2017 und landete 2019 bei den Jaguars (ohne Einsatz), kehrte 2020 nach Pittsburgh zurück, ehe er 2022 in Cleveland landete. Zwischenzeitlich ging es nach Detroit, ehe er kurz vor Saisonende plötzlich Starter bei den Titans war. Im März ging es wieder nach Cleveland, das ihn im August zu den Cardinals tradete.
Dort startete er bekanntlich die Saison, ehe sie ihn unter der Woche nach Minnesota schickten, weil die Vikings Kirk Cousins verloren hatten. Nach nur wenigen Tagen im Team saß Dobbs dann als Backup auf der Bank, musste aber zügig in Aktion treten, weil sich Rookie Jaren Hall verletzte. Und hier komme ich zurück an den Anfang: es ist verdammt schwer, Quarterback in der NFL zu spielen!
Dobbs jedoch spielte, als ob er schon lange in dieser Offense unterwegs ist. Ja, er verlor zwei Fumbles. Geschenkt. Er sorgte auch ein grandioses Comeback und steuerte drei Total Touchdowns bei - zwei davon per Pass, was angesichts der Tatsache, dass er vermutlich nicht mal alle seine Mitspieler kannte, noch dazu das komplette Playbook verinnerlicht hat, schon richtig beeindruckend ist.
Was auch immer nach dieser Saison passiert, sollte irgendwer diesem Spieler eine Chance und einen ordentlichen Vertrag geben. Verdient er hat er in jedem Fall, egal, was noch passiert bis Saisonende. "Pay the Man!" - wie Deion "Prime Time" Sanders früher im "NFL Network" immer zu sagen pflegte.
Marcus Blumberg