Wenn die New England Patriots in der NFL am Sonntag gegen die Buffalo Bills (ab 19 Uhr live auf RTL) antreten, wirkt das ein wenig wie David gegen Goliath dieser Tage. Vor nicht allzu langer noch war das genauso, nur mit vertauschten Rollen.
Bis auf wenige Ausnahmen dominierten die Patriots dieses Duell der AFC-East-Rivalen in diesem Jahrhundert eindeutig. Das hatte natürlich hauptsächlich mit Quarterback-Legende Tom Brady zu tun, der in seiner Hall-of-Fame-Karriere nur gegen die New York Jets (37 Mal) häufiger gewann als gegen die Bills (und Dolphins), nämlich 36 Mal. Er verlor im Übrigen nur drei Spiele gegen Buffalo!
Seit Bradys Abgang nach Tampa jedoch hat sich das Blatt gewendet. New England gelang nur noch ein Sieg in den folgenden sieben Duellen - ein kurioses 14:10 im Dezember 2021 bei orkanartigen Bedingungen in einem Spiel, in dem der damalige Rookie-QB Mac Jones ganze drei Pässe (!) warf.
Doch wie kam es zu diesem drastischen Umschwung in so kurzer Zeit seit 2019? Der Abgang Bradys war sicherlich der größte Faktor, ebenso die ein Jahr zuvor erfolgte Ankunft von Josh Allen bei den Bills, die diese Franchise sukzessive zur Erfolgsgeschichte gemacht hat - die Verpflichtungen von General Manager Brandon Beane und Head Coach Sean McDermott 2017 sind natürlich auch große Gründe für den dortigen Umschwung.
NFL: Der schleichende Niedergang der Patriots
Während die Bills von da an auch auf organisatorischer Ebene sehr viel richtig machten mit stetig guten Drafts und der Entwicklung dieser Spieler, kann man in New England von einer Art schleichendem Niedergang sprechen.
Die Patriots fielen nicht 2020 im ersten Jahr nach Brady von einer Klippe. Sie zahlten ab da lediglich den Preis für falsche Entscheidungen und auch schwache Drafts der jüngeren Vergangenheit. So gut Bill Belichick als Coach auch immer noch ist, so schwach ist hingegen seine Draft-Bilanz, was besonders Wide Receiver angeht.
Geht es um Cornerbacks, Offensive und Defensive Linemen oder auch Linebacker und Safetys - selbst Running Backs - gelang es unter seinem Regime immer wieder, echte Juwelen zu finden. Doch reden wir von Passempfängern, dann sieht die Sache anders aus.
Während Teams wie die Chiefs, Rams und Buccaneers - mit der Hilfe von Belichicks sicherlich bestem Draftpick - die vergangenen vier Super Bowls hauptsächlich mit Eigengewächsen auf Receiver gewannen, hat New England besonders hier den Anschluss verloren.
Seit 2018 zog New England trotz Problemen auf dieser Position lediglich sechs Wide Receiver im Draft. Von denen sind noch drei im Team - vier, wenn wir Practice-Squad-Stammgast Tre Nixon dazu zählen - und keiner von ihnen wurde vor 2022 gedraftet.
Patriots: Kendrick Bourne als einziger Lichtblick
Erschwerend kommt hinzu, dass die stattdessen geholten Free Agents auch keine Granaten waren. Lediglich Kendrick Bourne kann man dieser Tage als zuverlässig betrachten, nachdem er im Vorjahr nach Problemen mit dem damaligen Offensiv-Stab um Matt Patricia und Joe Judge nur eine Randnotiz war.
Patricia und Judge sind zwei weitere große Probleme der letzten Jahre. Beide sind nicht wirklich vom Fach und wurden damit betraut, die Entwicklung von Mac Jones in seinem zweiten Jahr nach guter Rookie-Saison voranzutreiben. Patricia war früher Defensive Coordinator in New England, ehe er als Head Coach der Detroit Lions krachend scheiterte. Und Judge coachte einst die Wide Receiver und Special Teams der Patriots, ehe er Head Coach der Giants wurde und sich auch nicht mit Ruhm bekleckerte.
Es war Belichicks Weg, den Abgang des langjährigen Offensive Coordinators Josh McDaniels Richtung Las Vegas zu kompensieren. Dem Vernehmen nach wollte er schlicht niemanden von außerhalb installieren und auf Altbewährtes setzen. Ebenso tat er es dann in diesem Jahr mit Bill O'Brien, der auch einst in New England tätig war vor seinen Stationen in Houston und Alabama. Der zuvor angerichtete Schaden ist jedoch noch allenthalben spürbar.
Die Patriots gewannen von 2014 bis 2018 drei Super Bowls und standen insgesamt viermal in dieser Zeit im Endspiel. Von jenen Teams sind lediglich noch zehn Spieler insgesamt immer noch oder wieder da. Fünf Jahre später sicher keine allzu große Anomalie angesichts der Schnelllebigkeit der NFL. Es unterstreicht jedoch, dass das damalige Niveau nicht im Ansatz gehalten wurde.
Patriots schon 2018 keine Offensiv-Macht mehr
Und da sei durchaus erwähnt, dass schon 2018 und erst recht 2019 offensiv schon nicht mehr so viel offensive Produktion von diesem Team kam - und da war Brady noch da, hatte nur keine verlässlichen Anspielstationen mehr.
Auch 2023 bleibt die Offense das Sorgenkind. In diversen Metriken ist sie unter den schlechtesten Teams der NFL angesiedelt, während die Defense seit den jüngsten schweren Verletzungen einiger Leistungsträger nun auch einen Schritt zurück gemacht hat, aber immerhin noch besser ist als der Durchschnitt.
Während die Bills um den Titel der AFC East kämpfen, geht es für die Patriots nach ihrem 1-5-Start eigentlich nur noch um Schadensbegrenzung. Es ist indes ihr erster 1-5-Start seit 1995. Damals war noch Bill Parcells der Head Coach und Belichick der Defensive Coordinator - ein Jahr später erreichten sie gemeinsam den Super Bowl. Unwahrscheinlich, dass sich in diesem Fall Geschichte wiederholen wird.
Marcus Blumberg