Die Buffalo Bills waren schon oft ein ernstzunehmender Anwärter auf den Super Bowl in der NFL. Doch neben den Minnesota Vikings sind sie das einzige Team in der NFL, das zwar viermal im Endspiel um die begehrte Vince Lombardi Trophy stand, am Ende aber nie den Titel holte. Sind die Bills in diesem Jahr endlich an der Reihe? Der Favoritencheck.
Betrachtet man die nackten Zahlen, ist das Team aus Buffalo eindeutig ein Favorit auf den Titel. Sie sind Erster in der AFC East, befinden sich mit ihrer Offense und Defense jeweils in den Top 6 der Liga und erzielten in vier Saisonspielen bisher 84 Punkte mehr als ihre Gegner. Spätestens nach der Klatsche, die sie ihrem ärgsten Rivalen in der eigenen Division, den Miami Dolphins, verpassten, geht kein Weg mehr an den Bills vorbei.
Buffalo Bills: Mehr Schein als Sein
Doch gut ausgesehen, das haben die Buffalo Bills bereits häufig in ihrer 63-jährigen Geschichte. Mit Quarterback Jim Kelly, Running Back Thurman Thomas und Defensive End Bruce Smith prägten sie in den 1990er Jahren sogar eine ganze Dekade der NFL. Den Titel gewannen jedoch andere.
In ihren ersten beiden von vier Super Bowls in Serie unterlag man nach den Saisons 1990 und 1991 den New York Giants und dem Team aus Washington, anschließend war zweimal gegen die Dallas Cowboys Endstation. Buffalo sah in dieser Zeit immer wieder wie ein Champion aus, brachte es aber gegen die wirklich großen Teams nie aufs Feld.
Quarterback Josh Allen leitete jedoch nach 17 Jahren ohne Playoff-Teilnahme über die vergangenen fünf Saisons eine neue Zeit des Erfolgs ein. Am Ende der Saison 2019 erreichten die Bills endlich wieder die Playoffs und am 9. Januar 2021 beendeten sie auch ihre Niederlagenserie und gewannen ihr erstes Postseason Game nach über 25 Jahren.
Trotzdem war danach im AFC Championship Game gegen die Kansas City Chiefs Schluss. An Patrick Mahomes und seinen Teamkollegen scheiterte das stolze Team aus dem Nordosten auch ein Jahr später. In der letzten Saison war dann gegen die Cincinnati Bengals und Quarterback Joe Burrow in der Divisional Round Schluss. Es hat den Anschein, als seien die Bills dazu verdammt, wieder und wieder ein wirklich gutes Team zu haben, um dann trotzdem gegen ein noch stärkeres das Nachsehen zu haben.
Die Bills sind nicht “verdammt”
Auch wenn so etwas gern herangezogen wird, kann in Bezug auf die Bills nicht davon gesprochen werden, dass sie “verdammt” sind. Die Spieler sind längst andere als noch in den 1990ern. Während Jim Kelly und seine Mannen bei der vierten Super-Bowl-Teilnahme in Serie gewiss an so etwas wie einen Fluch geglaubt haben, wird das die heutigen Bills nur wenig berühren.
Der Grund für ihr Scheitern muss in der Analyse ihres Spiels gesucht werden. Nur dann kann sich das Playoff-Team zum Titelanwärter emporschwingen. Diese Arbeit wurde scheinbar gemacht, denn momentan wirken die Bills stabiler und kontrollierter als in der jüngsten Vergangenheit.
Bills: Von der Highlight-Maschine zum Titelkandidaten
Die Konkurrenz in der AFC hat in den letzten Jahren genauestens hingesehen, was die Bills in Buffalo nahe der Niagarafälle so getrieben haben. Denn den Chiefs war immer klar: Mit dem richtigen Team kann Josh Allen dem letztjährigen Champion durchaus gefährlich werden.
Bisher war das nicht der Fall. Die Bills hatten keine Basis in ihrem Spiel. Ihr Konzept bestand darin, mit einer hohen Schlagzahl im Angriff eine höchstmögliche Anzahl an Big Plays zu kreieren. Die Defense sollte währenddessen gerade gut genug spielen, um sie im Spiel zu halten.
Doch wenn der Plan nicht aufging und die scharf vorgetragenen Angriffswellen nicht zum Ziel führten, gab es keine Alternative für die Bills. Ihre Abwehr war nicht gut genug und das Laufspiel oder gar ein rhythmisches Kurzpassspiel entsprach einfach nicht ihrer Spielweise.
In diesem Jahr ist das anders. Buffalo hat eine Offensive Line aufgebaut, die ihre Running Backs, allen voran James Cook, dazu befähigt, im Zentrum für viele Yards zu sorgen. Diese Runs schaffen eine Basis und sorgen obendrein für mehr Optionen. Denn kürzere Downs öffnen weitere Seiten des Playbooks, lassen die Bills und Quarterback Allen variabler spielen und erlauben es, einfach mal einen kurzen Pass zu werfen, statt immer auf das nächste explosive Play zu gehen.
Buffalo Bills: War die Defense zu soft?
Die Abwehr wirkte in den letzten Jahren ziemlich soft. Zumindest hörte man solche Aussagen vom Konkurrenten aus Cincinnati vor dem letzten Playoff-Aus. Mit dem Wechsel einzelner Spieler, dem Abgang von Linebacker Tremaine Edmunds und dem Zugang von Leonard Floyd soll nun ein anderer Wind in Buffalo wehen. Head Coach Sean McDermott übernahm außerdem wieder das Play Calling für die Defense und die bisherigen Resultate können sich sehen lassen.
Zwar besitzen die Bills auch weiterhin keine gefürchtete Abwehr. Doch das ist mit einem Quarterback wie Josh Allen auch gar nicht nötig. Es genügt, wenn die Defense den einen oder anderen Stopp und für manchen Turnover sorgen kann. Das ermöglicht der Offense eine bessere Feldposition und minimiert weiter die Abhängigkeit von Big Plays.
Buffalo kann nun konservativer spielen als noch vor einem Jahr und erzielt trotzdem nicht weniger Punkte. Genau diese Spielweise ist es, die ihre Konkurrenz nun endlich ins Grübeln bringt. Die Buffalo Bills sind in diesem Jahr ein ernstzunehmender Super-Bowl-Contender. Jetzt müssen sie es nur bis zum Schluss durchziehen.
Ihren nächste Gelegenheit, ihre Klasse unter Beweis zu stellen, haben die Bills derweil schon am Sonntag in London gegen die Jacksonville Jaguars (ab 15:30 Uhr live auf RTL).
Philipp Forstner