Woche 4 der NFL-Saison sah eine dominante Vorstellung der Buffalo Bills gegen die Miami Dolphins, die gleich mehrere Väter des Erfolges hatte. Die Atlanta Falcons haben wohl bei der Quarterback-Wahl daneben gegriffen, während die New England Patriots eine düstere Vermutung unterstrichen. Die wichtigsten Erkenntnisse der Woche.
NFL-Star Stefon Diggs macht den Unterschied
Grundlegend muss man die Bills als Ganzes und vor allem auch Quarterback Josh Allen für ein perfektes Spiel beim 48:20-Kantersieg über die Miami Dolphins loben. Allen warf für 320 Yards und vier Touchdowns und hatte nur vier Incompletions im Spiel (21/25), was ihm ein Rating von 158,3 einbrachte (89,0 Total QBR). Zudem lief er für einen fünften Touchdown.
Doch die entscheidenden Nadelstiche kamen dennoch von seinem Top-Receiver Stefon Diggs, der nicht nur seinen Gegenspieler, Cornerback Kader Kohou, komplett zerstörte, sondern bei seinen sechs Receptions für 120 Yards und drei Touchdowns auch noch Dinge machte, die nicht normal sind.
Laut "Next Gen Stats" hatte Diggs bei seinen Targets im Schnitt ganze 1,97 Yards Separation (Abstand zum nächstens Verteidiger), also mehr als ein Yard unter dem Liga-Durchschnitt. Und es machte keinen Unterschied.
Diggs brachte es auf bei seinem längsten Touchdown des Spiels über 55 Yards auf 41 Yards nach dem Catch und damit +39 "over expected", was seine meisten YACOE bei einem einzigen Play über die vergangenen sechs Saisons bedeutete. Spätestens damit hat er ein Level erreicht, das den ganz Großen des Sports vorbehalten ist - selbst wenn jeder weiß, was er macht, hat er damit immer noch Erfolg.
Bemerkenswert war auch die Grundlage für seine Touchdowns. Er war jeweils davor in Motion beim Snap und ist damit der erste Spieler der "NGS"-Ära mit drei Touchdowns in einem Spiel als Motion-Man.
Diggs und Allen waren jedoch nicht die einzigen Gründe für den Erfolg der Bills. Auch die Defense, die ohne Safety Jordan Poyer antrat und dann auch noch Cornerback Tre'Davious White mit einer wahrscheinlichen Achillessehnenverletzung verlor, beeindruckte mindestens genauso.
Die Unit, die nach dem Abgang von Leslie Frazier derzeit von Head Coach Sean McDermott betreut wird, zeigte, wie man Tua Tagovailoa aus der Ruhe bringen kann. Obwohl sie kaum blitzten, generierten die Bills allein vor der Pause in fast der Hälfte von Tuas Dropbacks Pressure.
Begünstigt wurde das natürlich auch von den Ausfällen in der Offensive Line der Dolphins, die Center Connor Williams und dann im Laufe des Spiels auch noch Left Tackle Terron Armstead ersetzen musste, was eindeutig nicht gelang.
Den Bills gelangen vier Sacks und neun QB-Hits gegen Tua. Edge Rusher Greg Rousseou führte sein Team mit zwei Sacks an.
Es aber nur damit zu erklären, würde der Defensive Front der Bills aber nicht gerecht, schließlich wartet diese Unit weiter auf Star-Edge-Rusher Von Miller, der allerdings schon in der kommenden Woche in London gegen die Jaguars von der PUP List zurückkehren könnte.
Falcons sollten das Experiment mit Desmond Ridder beenden
(Schlechte) Entscheidungen haben Konsequenzen. Das gilt nicht zuletzt in der NFL. Und am Sonntag im Londoner Wembley Stadium wurde eine davon den Atlanta Falcons ganz besonders zum Verhängnis. Es geht natürlich um die Entscheidung, mit Desmond Ridder als unbestrittenen QB1 in die Saison zu gehen. Er hatte im Vorjahr schlicht viel zu wenig gezeigt, um diese Wahl zu rechtfertigen.
Nach vier Spielen und bescheidenen Leistungen in den ersten dreien trotz zweier Siege muss man nun konstatieren, dass es vermutlich nicht besser wird. Gegen die Jaguars verlor man 7:23 und zeigte eine insgesamt ziemlich trostlose Vorstellung.
Was mich immer besonders perplex zurücklässt, sind dabei seine Targets. Er hat mindestens drei hochveranlagte Skill-Player um sich - Kyle Pitts, Drake London und neuerdings Bijan Robinson. London (3 REC, 28 YDS) führte die Gruppe mit sieben Targets an, Robinson (5 REC, 32 YDS) kam auf fünf und Pitts hatte vier (2 REC, 21 YDS). Bei 31 Pässen gingen also nur knapp die Hälfte in die Richtung der drei besten Receiver.
Und da reden wir noch gar nicht von den zwei schlimmen Interceptions, die auf Anfängerfehler zurückzuführen sind. Ridder starrte jeweils in die Richtung seines Receivers, wobei bei Siscos Pick ehrlich gesagt nicht mal ein Receiver in der Nähe des Gegners war. Das sind Dinge, die auf dem Level nicht passieren dürften, schon gar nicht, wenn man kein Rookie - und kein Backup - mehr ist.
Ridder traf vermehrt schlechte Entscheidungen und war häufig zu zögerlich, was unter anderem auch zu seinen vier Sacks beigetragen hat - ebenso zu seinem Fumble am Ende.
Die Falcons haben ihre ersten beiden Spiele der Saison gewonnen und liegen nur ein Spiel hinter den Buccaneers. Es ist also alles drin in der NFC South und mit kompetentem Quarterback-Play umso mehr. Und damit stellt sich die Frage, ob Backup Taylor Heinicke nicht vielleicht die bessere Wahl wäre, auch wenn der selbst Limitierungen hat. Angesichts der schwachen Vorstellungen von Ridder und keiner wirklich besseren Alternative in Sicht, sollte der Ex-Commanders-Starter aber auch kein Tabu sein.
Die Patriots sind, wer sie sind
Die New England Patriots haben eine für Bill Belichick historische 3:38-Klatsche in Dallas kassiert. Eine Niederlage mit 35 Punkten Unterschied hat Belichick nie zuvor in seiner 29-jährigen Karriere als Head Coach in der NFL hinnehmen müssen. Und auch wenn diese Pleite in der Höhe überraschend kommt, kumulierte sich hier letztlich all das, was bei diesem Team schiefgehen kann.
Wir wussten bereits, dass der Spielraum für die Patriots sehr schmal ist. Es braucht nicht viel, um dieses Team, genau genommen diese Offense, aus der Bahn zu werfen. Seit Tom Brady weg ist, reicht dafür schon eine Strafe.
Ein negatives Play und man muss mit mindestens einem Punt, wenn nicht schlimmerem rechnen. Der Ausfall von Left Guard Cole Strange war nicht zu kompensieren - das Run Game war komplett lahmgelegt (2,3 Yards pro Carry), ein Trend, der sich schon in der Vorwoche mit Stranges Ausscheiden andeutete.
Und ohne Run Game lag der Fokus auf Quarterback Mac Jones, der einen rabenschwarzen Tag erlebte. Er warf zwei Interceptions, wovon eine zum Touchdown führte. Zudem verlor er einen Fumble vor der eigenen Endzone bei einem Play, in dem er einfach nicht selber laufen sollte und besser den Ball geworfen hätte. Bei seinem Pick-Six beging er derweil einen Kardinalsfehler und warf gegen seinen Körper quer übers Feld. Nachdem er ohne Not die stabile Pocket verlassen hatte. All das machte wenig Sinn.
Völlig von der Rolle wurde er dann durch Bailey Zappe ersetzt. Ob das nun so bleibt, ist schwer zu sagen. Es bleibt zunächst unwahrscheinlich, jedoch hat Jones einfach keine Ausreden mehr. Bill O'Brien hat mehr Struktur in diese Offense gebracht, der Hang zu zahllosen Fehlern blieb jedoch bestehen.
Die Patriots haben den schwersten Schedule der NFL und können scheinbar nicht aufhören, sich selbst ins Bein zu schießen - und das mehrmals pro Spiel. Mit einer 1-3-Bilanz im Rücken und den neuen, womöglich schweren Verletzungen von Cornerback Christian Gonzalez und Edge Rusher Matthew Judon als zusätzliche Hypothek besteht die Gefahr, dass die Saison damit schon gelaufen sein könnte.
NFL: Mysterium 4th Down
Man könnte eine Abhandlung darüber schreiben, wie unterschiedlich Head Coaches 4th-Down-Entscheidungen in der NFL angehen. Und dabei rede ich nicht mal nur von der simplen Entscheidung, den Versuch auszuspielen oder in irgendeiner Form zu kicken. Denn an dieser Front wird es langsam fortschrittlicher in der Liga.
Mein Problem liegt er darin, wie man mit diesen Situationen umgeht, wenn man die Versuche ausspielt. Meist ist es doch so, dass wir hier über 4th-and-Short-Szenarien reden. Ohne viel über Football zu wissen, könnte man hier auf die Idee kommen, dass man wohl am besten damit fährt, den kürzesten Weg zum neuen 1st Down zu suchen. Sollte man meinen, doch die Realität sind meist anders aus, so auch am Sonntag.
Beobachter des Spiel der Bears gegen die Broncos werden sicherlich eher Matt Eberflus' Entscheidung, den vierten Versuch auszuspielen anstatt ein Field Goal zu schießen, kritisieren. Und nicht etwa den Play Call, der mit mehr als drei Minuten auf der Uhr folgte. Bei 4th&1 an der 18-Yard-Linie kam es zum Inside Handoff zu Khalil Herbert aus der Shotgun.
Erstens: Warum aus der Shotgun? Die Shotgun ist fürs Passspiel gedacht, nicht etwa für Short-Yardage-Runs. Und zweitens: Warum nimmt man seinem besten Spieler, der noch dazu erstmals sogar als Passer überzeugte (28/35, 335 YDS, 4 TD, INT), in dieser so entscheidenden Situation den Ball aus der Hand? Ist das nicht kontraproduktiv?
Die Dolphins spielten drei 4th Downs aus, scheitert jeweils mit einem Sack. Fairerweise muss man erwähnen, dass nur die erste derartige Situation ein 4th&1 war. Aber selbst da ging es aus der Shotgun, anstatt einfach einen Run durch die Mitte oder sogar einen Sneak zu versuchen. Nun kann man argumentieren, dass die Offensive Line angeschlagen war. Doch geht so ein Run über ein Yard in der Regel schneller als ein Passspielzug, bei dem die Pocket in diesem Spiel regelmäßig schnell zusammengebrochen war.
Und auch die Jaguars versuchten, einen vierten Versuch auszuspielen. Lawrence stand dabei zur Abwechslung sogar "under Center" und nicht in der Shotgun. Sonderlich schlau war aber auch dieser Spielzug nicht, denn tief in der gegnerischen Red Zone einen Dropback bei 4th&1 zu versuchen, ist auch nicht so weise.
Das Ergebnis: ein Sack von Defensive Tackle David Onyemata, der durch die Mitte kam. Das Run Game der Jaguars funktionierte nur bedingt in diesem Spiel, doch ein so athletischer QB wie Lawrence muss in der Lage sein, per Sneak ein neues 1st Down zu erzielen in der Situation.
Das sind nur die eklatantesten Beispiele, die mir ins Auge sprangen. Der Trend generell ist jedoch, dass Teams zwar den - analytisch begründeten - Mut haben, den vierten Versuch auszuspielen, dann aber viel zu häufig bei der Play-Auswahl daneben greifen. Und das ist ziemlich unverständlich.
Marcus Blumberg