Die Detroit Lions haben die neue NFL-Saison mit einem überraschenden 21:20-Sieg bei den Kansas City Chiefs begonnen. Doch was sagt dieses Ergebnis über den Zustand beider Teams aus?
Es war nur ein Spiel, insofern darf man nicht überreagieren, in welche Richtung auch immer. Und dennoch bestätigte die Vorstellung beider Teams ein paar zentrale Punkte, über die man bislang nur spekulieren konnte.
NFL: Die Chiefs müssen Chris Jones bezahlen
Lions-Quarterback Jared Goff setzte auffallend häufig und auch effektiv auf simple Dropbacks und nur selten auf Play Action. Und dennoch hatte er Erfolg mit dem Passspiel. Vor der Pause geriet er häufiger unter Druck, auch, weil die Chiefs häufig blitzten. Das ließ im zweiten Durchgang etwas nach, was auch eine Folge des Extra-Blockers war, den Detroit gelegentlich einsetzte. Goff hatte also meist eine saubere Pocket, vor allem mit fortlaufender Spieldauer.
Als es dann darum ging, das Spiel zu kontrollieren und ganz am Ende den Sieg nach Hause zu bringen, liefen die Lions über ihre dominante Offensive Line durch die Mitte und holten die nötigen Yards auf dem Boden. Die Chiefs hatten darauf keine Antwort mehr.
Stattdessen bleibt unterm Strich hängen, dass KC meist nur mit mitunter exotischen Blitz-Packages für Druck auf Goff sorgte und das Run Game durch die Mitte nicht mehr stoppen konnte, als es zählte. Die Lücke, die durch den Holdout von Defensive Tackle Chris Jones entstand, machte sich zur absoluten Unzeit deutlich bemerkbar.
Jones kündigte bereits an, dass er zur Not bis Woche 8 weg bleiben werde, sollte er bis dahin keinen neuen Vertrag bekommen haben. Wie ernst es ihm damit ist, zeigte er mit seinem Fernbleiben im Opener - er verzichtete damit auf mehr als eine Million Dollar, die ihm pro Spiel zustehen.
Abgesehen davon, dass sich die Chiefs einen Jones-Ausfall offenkundig nicht leisten können, ist es einfach an der Zeit, ihren besten und wichtigsten Verteidiger zu bezahlen. Zu groß ist die Not in der eigenen Defense ohne ihn.
NFL: Die Chiefs können Travis Kelce nicht ersetzen
Das mag nun nicht überraschend kommen, aber die Chiefs haben mit ihrer Vorstellung im Opener deutlich gezeigt, wie abhängig sie von Tight End Travis Kelce wirklich sind. Kelce ist nicht nur der beste Tight End der NFL, er ist auch mit weitem Abstand der beste und wichtigste Receiver der Chiefs. Und für Patrick Mahomes das ultimative Sicherheitsnetz
Die Chiefs verwerteten nur 4 ihrer 15 3rd Downs, also jene Situationen, in denen man sonst sehr viel Geld darauf verwetten kann, dass Mahomes im Grunde ohne hinzuschauen einen weit offenen Kelce findet, egal wie lang das Down ist. Gegen Detroit jedoch fehlte Kelce und damit auch dieses Sicherheitsnetz. Mahomes fand dennoch offene Receiver in solchen Situationen, jene jedoch ließen die Pässe reihenweise fallen. Nicht nur Kadarius Toney, der einen äußerst unglücklichen Abend verlebte mit 3 Drops bei 5 Targets (1 REC, 1 YD). Auch Skyy Moore und andere ließen kritische Pässe fallen.
Auch das dürfte dazu beigetragen haben, dass Head Coach Andy Reid in der zweiten Hälfte wiederholt zur Entscheidung kam, Mahomes in Short-Yardage-Situationen den Ball aus der Hand zu nehmen und stattdessen unverständliche und in dem Fall übertrieben kreative Spielzüge auszupacken. Zweimal versuchte man mit Jet Sweeps ein Yard zu überbrücken, einmal sogar nach Handoff von Tight End Blake Bell.
Zusätzlich fehlte da wohl auch das Zutrauen in die eigene Offensive Line, denn im Vorjahr noch wurde in Formationen mit Bell under Center des Öfteren ein Sneak gespielt, um Mahomes zu schonen.
Und das sah man dann auch beim Run, das nicht in Tritt kam. Der einzige Chiefs-Spieler, der auf dem Boden überzeugte, war ausgerechnet Mahomes mit ein paar Scrambles für insgesamt 45 Yards - genauso viel Raumgewinn wie Isiah Pacheco und Clyde Edwards-Helaire zusammen erliefen. Geplant war das sicher nicht.
Letztlich begannen die Chiefs so, als ob Kelces Ausfall keine allzu große Rolle spielte, was daran abzulesen war, dass kein Chief mehr Routes lief als Tight End Noah Gray. Doch mit fortlaufender Spieldauer kamen sie immer mehr vom rechten Weg ab, zumal der Druck der Lions-Front auch ohne Sack immer größer wurde.
Kelce hat einem Bericht von "NBC" zufolge eine Knochenprellung im Knie erlitten und hatte beim Aquajogging "keine Power" im Knie, was darauf schließen lässt, dass er wohl länger als nur ein Spiel ausfallen könnte. Die Chiefs spielen in der kommenden Woche in Jacksonville, das sicherlich auch mutig auftreten wird.
NFL: Dan Campbell sieht seinen Mut bestätigt
"Ich habe heute gar nichts Neues gelernt. Ich habe lediglich einen Nachweis für das bekommen, was ich ohnehin schon wusste", erklärte Lions-Head-Coach Dan Campbell nach dem Sieg über die Chiefs. Erwartungsgemäß trat dieser Erfolg seinem ohnehin schon astronomischen Selbstvertrauen keinen Abbruch.
Wie sehr er seinem Team vertraut, zeigte er gleich im ersten Viertel, als er einen Fake Punt spielen ließ, die Chiefs auf falschem Fuß erwischte und damit den zweiten Drive seines Teams am Leben hielt, der dann zum ersten Touchdown führte.
Dass die zwei weiteren 4th Downs daneben gingen? Geschenkt. Dass er im vierten Viertel eine Holding-Strafe der Defense ablehnte, um stattdessen bei 2nd&2 statt 1st&10 weiterzumachen, nur um drei Yards mehr an Raumgewinn zu haben - vergeben und vergessen, auch wenn das nicht gerade schlau war. Campbell lebt die Einstellung seines Teams vor. Furchtlosigkeit ohne Kompromisse und mit absoluter Überzeugung.
Ebenfalls nicht sonderlich schlau, dafür aber gegen Ende effektiv - und spielentscheidend - war zudem das sture Festhalten am Run Game in frühen Downs. Aus analytischer Sicht vor dem letzten Drive dieses Spiels ein No-Go, zumal es auch nicht sonderlich effizient war. Es half aber sicherlich mit, die gegnerische Defensive Front mürbe zu machen. Hatten es die Chiefs bis dahin noch irgendwie geschafft, Jones' Abwesenheit zu kaschieren, war das am Ende nicht mehr möglich. Da lief man dann genau in besagte Lücke zum Erfolg.
Marcus Blumberg
