Der SC Magdeburg hat zum zweiten Mal nach 2002 den europäischen Handball-Thron erklommen. Der SCM rang Barlinek Industria Kielce nach Verlängerung nieder.
Die nimmermüden Handball-Helden des SC Magdeburg schunkelten zur Hymne "We are the Champions", als EHF-Präsident Michael Wiederer ihnen um 20.33 Uhr den mächtigen Königsklassen-Pokal überreichte. Der SCM hat nach 21 Jahren Europas Thron zurückerobert - und wie!
Der deutsche Vizemeister um den überraschenden Rückkehrer Gisli Kristjansson setzte sich im Final-Krimi mit 30:29 (26:26, 13:15) nach Verlängerung gegen Barlinek Industria Kielce durch - und hinterließ einen abermals schwer enttäuschten Nationaltorhüter Andreas Wolff aufseiten des polnischen Meisters.
"Champions-League-Sieger, das hört sich gut an", freute sich Magdeburgs Erfolgstrainer Bennet Wiegert bei "DAZN": "Die Mannschaft ist die ganze Saison immer wieder aufgestanden. Ich kann es nicht fassen." Den Fans in Sachsen-Anhalt "drohte" Wiegert nun intensive Feierlichkeiten an: "Magdeburg, macht euch auf was gefasst."
Der Niederländer Kay Smits (acht Treffer) war vor 19.750 Zuschauern in der ausverkauften Lanxess Arena der beste Werfer für den SCM, der sich nach der Pause auch von einem zwischenzeitlichen Vier-Tore-Rückstand nicht aus dem Konzept bringen ließ. Nicht zuletzt dank Kristjansson (sechs Tore), der sich am Samstag im Halbfinale an der Schulter verletzte und am Sonntag zum wertvollsten Spieler des Final Four gewählt wurde, zog Magdeburg das Spiel auf den letzten Metern auf seine Seite.
"Was der SC Magdeburg geleistet hat, ist herausragend und ein sportliches Märchen", sagte Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB): "Egal, welche Rückschläge diese Mannschaft verkraften musste - sie ist immer zurückgekommen."
Überschattet wurde das Finale von einem Todesfall. Wie nach Spielende bekannt wurde, verstarb ein polnischer Journalist, der in der zweiten Hälfte auf der Pressetribüne zusammengebrochen war, infolge eines Herzstillstandes. Die Partie war für die notärztliche Versorgung des Mannes für eine knappe Viertelstunde unterbrochen worden.
Wolff wartet weiter auf ersten Champions-League-Titel
Vor 21 Jahren hatte das Magdeburger Team unter dem heutigen Bundestrainer Alfred Gislason als erste deutsche Mannschaft in der Königsklasse triumphiert. Beim Final Four in Köln krönte Magdeburg nun seine Comeback-Saison im wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb völlig unerwartet mit dem Titel.
Wolff hingegen muss trotz einer starken persönlichen Leistung weiter auf den ersten Champions-League-Triumph seiner Laufbahn warten. Der Europameister von 2016 war auch im Vorjahr mit Kielce im Endspiel leer ausgegangen, damals gegen den FC Barcelona im Siebenmeterwerfen.
"Ich bin einfach leer, sauer, enttäuscht", sagte Wolff, der sagenhafte 14 Bälle parierte, bei "DAZN": "Der SCM ist eine fantastische Mannschaft mit einem riesigen Charakter. Den haben sie heute wieder gezeigt, deswegen haben sie mit einem Tor gewonnen."
Schon das dramatische Halbfinale gegen Barcelona, das der SCM in einem irrwitzigen Spiel mit 40:39 nach Siebenmeterwerfen niedergerungen hatte, hatte für gewaltige Emotionen bei den Magdeburgern gesorgt - allerdings in mehrfacher Hinsicht. So trübte die Verletzung von Schlüsselspieler Kristjansson, der sich die Schulter auskugelte, den riesigen Jubel.
Der isländische Nationalspieler stand rund 24 Stunden später jedoch überraschend mit auf dem Spielberichtsbogen. "Schlimmer als die OP, die ohnehin kommen muss, wird es nicht werden. Dann darf ich einem Spieler nicht die Chance nehmen, vielleicht das größte Spiel seiner Karriere zu spielen", erklärte Wiegert vor Anwurf bei "DAZN".
Kielce zieht zunächst davon - Magdeburg antwortet
Zunächst nahm der Ausnahmespieler auf der Bank Platz. Magdeburg legte dennoch einen Traumstart hin: Durch eine starke Deckung und zwei frühe Paraden von Nikola Portner funktionierte das Tempospiel hervorragend, in der 6. Minute stand es bereits 4:1.
Die erfahrenen Polen schockte das aber nicht. Wolff leitete mit einer Siebenmeterparade gegen Kay Smits (8.) eine starke Phase Kielces ein, beim 6:7 (15.) ging der polnische Meister erstmals in Führung. Wolff war nun gut im Spiel. Wiegert reagierte und brachte Kristjansson, der in seinem ersten Angriff sofort traf.
Kielce fand sich im Angriff, wo Duschebajew intelligent die Fäden zog, nun aber besser zurecht. Erstmals deutete sich an, was Bundestrainer Gislason vor Anwurf prognostiziert hatte: "Magdeburg ist der große Underdog."
Beim 18:14 (35.) zog Kielce erstmals mit vier Toren davon. Doch Comebacker Kristjansson wurde nun zunehmend stärker. Unmittelbar vor der Crunchtime sorgte dann ein medizinischer Notfall auf der Pressetribüne für eine knapp viertelstündige Spielunterbrechung - kurz nach Wiederbeginn erzielte der SCM den Ausgleich und leitete eine spannende Schlussphase ein. In der Verlängerung hatte Magdeburg die besseren Nerven.






















