Quarterback Shedeur Sanders hat am vergangenen Sonntag sein langersehntes NFL-Debüt bei den Cleveland Browns gefeiert. Rein sportlich verlief es jedoch überschaubar, was viele Fragen beantwortet hat.
Die nie endende Story um Shedeur Sanders hat am Sonntag beim 16:23 der Cleveland Browns gegen die Baltimore Ravens ein weiteres Kapitel dazu bekommen. Eines, das womöglich eine entscheidende Wendung enthielt.
Seit dem Draft schon gibt es fast schon Verschwörungstheorien, warum Sanders bislang keine Chance von den Browns bekam. Joe Flacco, der ohnehin als Starter vorgesehen war, bekam den Vorzug zu Saisonbeginn und nachdem der auf die Bank versetzt und letztlich zu den Cincinnati Bengals getradet worden war, durfte Dillon Gabriel ran.
Der Drittrundenpick riss zwar bislang auch keine Bäume aus, doch zeigte er durchaus solide Vorstellungen, auch wenn weiterhin die positiven Ergebnisse ausblieben. Gabriel zog sich gegen die Ravens eine Gehirnerschütterung zu und so hatte die Stunde für Sanders geschlagen.
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An dieser Stelle sei erwähnt, dass Cleveland zu diesem Zeitpunkt - zur Pause - 16:6 in Führung lag.
Sanders kam rein und überzeugte nicht. Unterm Strich warf er für 47 Yards (4/16) und eine Interception. Er brachte es auf ein Passer Rating von 13,5 und ein QBR von 2,5. Beides sind abenteuerlich schlechte Werte. Zum Vergleich: Wenn man den Ball nimmt und ihn einfach beliebig oft in den Dreck wirft, käme man auf ein Passer Rating von 39,58!
Zudem brachte es Sanders auf Minus-0,67 EPA/Play, was laut "The Athletic" der schlechteste Wert aller Quarterbacks in Woche 11 war. Mit Sanders auf dem Feld brachte die Offense der Browns also im Grunde bis auf drei 1st Downs gar nichts mehr zustande, was dazu führte, dass die bis dahin bärenstarke Defense nach und nach die Puste ausging und man den Vorsprung von zwei Scores letztlich verspielte. Derrick Henrys 59-Yard-Run spät im Spiel war ebenso Sinnbild dafür wie der 35-Yard-Fake-Tush-Push-Naked-Bootleg-Touchdown-Run von Tight End Mark Andrews. Die Defense konnte einfach nicht mehr, weil sie zu lange auf dem Feld stand.
Das ganze Jahr über haben wir nun von diversen Talking Heads gehört, wie schlecht die Browns Sanders doch entwickeln würden, wie sehr sie ihm im Weg stehen. Man gibt ihm einfach keine faire Chance. Nach dieser sportlichen Bankrotterklärung kam der frühere MVP Cam Newton bei "ESPN" um die Ecke und erklärte: "Ich habe das schon einmal gesagt und sage es noch einmal: Ich glaube nicht, dass Kevin Stefanski will, dass Shedeur Sanders in Cleveland Erfolg hat. Der Grund dafür ist: Erzähl mir nicht, was er gesagt hat, erzähl mir nicht, was er sagt. Ich beurteile es nach seinen Taten - okay? Gehen wir nach den Taten."
Cam Newton versucht vom Thema abzulenken
Der Mann, der sich zu schade war, in Super Bowl 50 nach seinem eigenen Fumble zu hechten und der lieber MVP als Super-Bowl-Sieger ist, schwadronierte weiter: "Wenn ich Shedeur wäre oder ein Fan von Shedeur Sanders, würde ich nicht wollen, dass er auf das Spielfeld geht, weil das genau das ist, was wir immer wieder zu sehen bekommen werden. Es spielt keine Rolle, ob es Deshaun Watson ist, ob es Shedeur Sanders ist, ob es Dillon Gabriel ist, ob es Dan Orlovsky ist oder ob es Cam Newton ist. In Cleveland braucht man Unterstützung. Wenn man einen Quarterback im Kader hat, der immer noch 46 Millionen Dollar verdient und nicht gesund ist, wirkt sich das auf das Talent um ihn herum aus. Dieses Team ist nicht gut."
Sicherlich ist Watson ein Problem, aber hatte der nun mal gar nichts mit Sanders' Vorstellung am Sonntag zu tun. Sanders' Vorstellung war im Grunde einfach nur ein Best-Of - also Worst-of - dessen, was wir ihm schon seit seiner College-Zeit als Defizite vorgeworfen hatten.
Sanders wirkte einfach nicht bereit für die NFL. Er wirkte überfordert mit dem Tempo in der NFL. Er hielt den Ball zu lange - laut "PFF" waren es 3,31 Sekunden im Schnitt bis zum Pass. Er ließt die Defense offenbar nicht sauber, geht nicht konsequent durch seine Progressions und er läuft hinten aus der Pocket, wenn er unter Druck gerät. Seine zwei Sacks sahen durchaus vermeidbar aus.
Ein weiterer Kritikpunkt in die Richtung von Kevin Stefanski war nach dem Spiel von mehreren Seiten, dass Sanders ja auch keine Trainingseinheiten mit dem ersten Team bekommen habe. Doch reden wir hier von der NFL, in der in der Regel nur der Starter mit der ersten Offense trainiert, vor allem weil kaum Zeit für echtes Training da ist. Kein Backup-Quarterback in dieser Liga bekommt First-Team-Reps, wenn der Starter fit ist - schon gar nicht ein Fünftrundenpick, der ohnehin nicht als Starter vorgesehen war in dieser Saison. Laut übereinstimmenden Medien war intern sogar die Rede davon, dass 2025 für Sanders als Redshirt-Jahr betrachtet wurde - er also vor allem an der Seitenlinie stehen und lernen sollte. Flaccos Abgang und Gabriels Verletzung jetzt haben diesen Prozess unfreiwillig beschleunigt, und für den Moment nicht zum Vorteil aller Beteiligten.

Browns: Sanders-Debüt zu früh?
Dieser Auftritt zeigte vielmehr, warum die Browns Sanders bislang zurückgehalten hatten. Er ist offenkundig nicht bereit für die NFL. Wer weiß, ob sich das ändert, wenn er nun in Gabriels Zeit im Concussion Protocol die Starter-Reps bekommt. Doch für den Moment sieht er aus wie ein Fünftrundenpick, der tatsächlich nicht spielen sollte.
Will man den Browns also irgendwas in dieser Sache vorwerfen, dann eher, dass sie ihren einst auf fünf Mann bestehenden QB Room womöglich zu früh verkleinert haben. Kenny Pickett wurde sehr früh getradet und auch die Trennung von Flacco, der zu einem Division-Rivalen geschickt wurde, war womöglich nicht vollends durchdacht.
Nun muss womöglich Sanders im Gastspiel bei den Raiders ran, was angesichts deren Defense ebenfalls eine hohe Hürde sein wird. Für die Heerschar an Sanders-Verteidigern und -Apologeten droht hier der nächste schwierige Tag.




































