Berlin ist nun NFL-Stadt und hat eine beeindruckende und denkwürdige Premiere hingelegt, an die man sich sicherlich noch lange zurückerinnern wird. Ein Rückblick eines Zeitzeugen.
Das Spiel an sich hatte seine Momente. Es begann schnell, hatte einiges an Chaos und ein mächtiges, spektakuläres Finish. Doch das Spiel an sich war sicher nicht der Hauptgrund dafür, warum man diese Berlin-Premiere als großen Erfolg werten muss. In diesem Fall war es vor allem die gesamte Inszenierung, die einfach atemberaubend war.
Auf emotionaler Ebene bleibt so viel hängen von diesen vier Tagen in Berlin, wobei der Höhepunkt, der Gänsehautmoment, unzweifelhaft das Tribut zum 9. November war. Die Choreo vor dem Spiel mit der einen Stadionseite mit der Deutschland-Flagge, die andere mit dem Star-Spangled-Banner und in der Mitte - auf der geschlossenen Seite des Olympiastadions - das NFL-Logo.
Dazu spielte "Wind of Change", sozusagen die Hymne der Wiedervereinigung. Es war ein unglaublicher Moment, den ich so schnell nicht vergessen werde und einfach zeigt, dass auch die NFL verstanden hat, dass dies für dieses Land, für diese Stadt, nochmal etwas Größeres war als das Spiel an sich.
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Scooter rockt das Olympiastadion
Björn Werner am Amboss setzte dann den Ton und Scooter sorgte gleich für das nächste Highlight. Nach Jonathan Taylors erstem von drei Touchdowns sprintete H.P. Baxxter aus Richtung Olympiator in die Endzone mit der Colts-Lackierung, nur um dann nochmal zurückgepfiffen zu werden, weil schließlich erst noch der Extrapunkt erfolgen musste. Dann jedoch war es soweit - die Techno-Legende performte seinen Hit "Maria (I like it loud)" direkt auf dem Feld und brachte die Schüssel zum Kochen.
Für die Nicht-Eingeweihten sei gesagt, dass dies aus irgendeinem Grund die Touchdown-Hymne der Colts ist. Hierzulande kennt man das "Döp, Döp, Döp" vor allem nach Toren von Borussia Mönchengladbach, was der Stimmung keinen Abbruch gab.
Überhaupt war Musik ein großes Thema an diesem Nachmittag in Berlin. Es gab eine Hausband, wobei nicht so ganz klar war, warum. Halbzeit-Act The Kid LaRoi war dann nicht mal auf dem Spielfeld und sicherlich das, was man am ehesten wieder vergessen wird, während der NFL-Deutschland-Klassiker "Country Roads" von John Denver natürlich nicht fehlen durfte. Zwar wird nichts ans erste Mal damals in München herankommen, doch wie eine Pflichtveranstaltung fühlte es sich dann auch nicht an. Wie üblich sangen die 72.203 Zuschauer die letzte Zeile ohne Musik selbst weiter, was nicht allen Colts gefiel, weil sie gerade im Angriff waren und Ruhe wollten.
Head Coach Shane Steichen sagte nach dem Spiel zur Stimmung: "Es war ziemlich laut. Ich weiß, dass Ihr es mögt zu singen. Es war ziemlich laut, wenn man all diese Stimmen hört. Es hat aber Spaß gemacht. Es war einfach eine phänomenale Atmosphäre für uns hier herzukommen und vor diesen Fans in so einem historischen Stadion zu spielen. Das war großartig."
"Get loud!"
Was er nicht ansprach, war ein kleiner Wermutstropfen, der vermutlich mit der diversen Besucherschar zusammenhing. Auf Deutsch gesagt: Die Leute wussten nicht, wann man die Klappe halten sollte. Mutmaßlich waren mehr Colts- als Falcons-Fans im Stadion, doch anstatt in kritischen Situationen mit Colts-Ballbesitz still zu sein, wie das eben üblich ist, war es auch dann richtig laut, wie eben im Fußball. Am Ende störte es nicht sonderlich, doch ungewohnt war es dennoch.
Daran anknüpfend sollte erwähnt werden, dass man sich in Zukunft vielleicht die stetig präsente "Get loud"-Grafik auf der Anzeigetafel sparen sollte, ebenso die übertriebenen Auftritte des Stadion-DJs, der wirklich zu viel "Redezeit" hatte.
Was bleibt noch? Berlin hatte sich für dieses erste NFL-Event in der Hauptstadt überall herausgeputzt. Überall waren kultige NFL-Logos zu sehen, es gab von allem Teams mit Global Market Rights in Deutschlands Teampubs oder Locations, es gab diverse NFL-Partys und Get-Togethers. Am Brandenburger Tor stand ein Popup-Flag-Football-Stadion und der Potsdamer Platz war fest in den Händen der NFL.
Bleiben wird auch das beeindruckende Mural am Savigny-Platz mit Björn Werner und einem Berliner Bären darauf. Die Colts errichteten einen Spielplatz, mit dem Co-Besitzerin Kalen Jackson das soziale Engagement ihres Franchise nochmal unterstrich.

Gedenken an Jesse Owens
Die NFL legte zudem Wert darauf, in die Kultur der Stadt einzutauchen. Diverse Dönerhäuser hatten NFL-Branding, wobei der "Döner Kebuc" der Buccaneers in Zusammenarbeit mit "Kebap with Attitude" natürlich den Höhepunkt setzte.
Ebenso muss einmal mehr betont werden, dass die Teams, die hierherkommen, das nicht als lästige Pflichtaufgabe sehen. Sie wollen auch etwas mitnehmen. Falcons-Head-Coach Raheem Morris etwa betonte auf seiner Pressekonferenz am Freitag, dass er seinen Spielern allen voran die historische Bedeutung des Olympiastadions näherbringen wollte. Allen voran fiel hier der Name Jesse Owens, der hier einst bei Hitlers Sommerspielen 1936 als Schwarzer natürlich unerwünscht war und dennoch allen die Show stahl mit seinen vier Goldmedaillen.
Die Show der NFL wird derweil hierzulande weitergehen. Bei RTL sagte etwa Commissioner Roger Goodell am Sonntag: "Ich kann das Drehbuch nicht verraten. Aber wir kommen mit Sicherheit zurück. Es ist für uns richtig spannend, in Deutschland Spiele zu veranstalten. Wir haben das schon mehrere Jahre gemacht und werden das auch weiterhin tun, garantiert."
Bekannt ist bereits, dass dies 2027 und 2029 wieder in Berlin sein wird. Und das war schon klar, bevor auch die dritte deutsche NFL-Stadt ihre Feuertaufe mit Bravour bestanden hat.
Danke Berlin, das hat Spaß gemacht!




































