Woche 9 der NFL ist so gut wie hinter uns und die Chiefs werden sich ans Vorjahr erinnert fühlen. J.J. McCarthy machte den Vikings Hoffnung und für Berlin ergibt sich ein unrühmlicher Verdacht.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nennt an jedem Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Chiefs vs. Bills: Here we go again
Im Vorjahr habe ich nach dem Sieg der Bills über die Chiefs - damals in Woche 11 - Bills-Coach Sean McDermott dafür gelobt, dass er seine bis dahin gängigen Tendenzen über den Haufen geworfen hat und letztlich auf Sieg spielte, anstatt Angsthasen-Football zu spielen. Wenn man so will, war dieses Spiel nun ziemlich ähnlich. Es ging 28:21 aus und erneut gelang es den Bills, diszipliniert an der Line zu agieren und Patrick Mahomes in der Pocket zu halten.
Laut "PFF" hatte der Star-Quarterback nur einen Scramble im ganzen Spiel und das ziemlich spät, als man im Verzweiflungsmodus war. Offensiv wiederum war mitentscheidend, dass man beim vorletzten 3rd&3 kurz nach der Two-Minute Warning eben nicht konservativ einfach einen Lauf versuchte, sondern per Pass das neue 1st Down herausholte. Das war mutig und genau richtig gegen diesen Gegner.
Doch blieb auch diese Partie bis ganz zum Schluss eng und dramatisch. Erstmal, weil es danach eben doch konservativ wurde und man nur noch versuchte, durch die Mitte zu laufen. Die Chiefs stoppten das ohne Mühe und hatten eben auch noch Timeouts. Am Ende war es dann Pech, dass Matt Prater den Field-Goal-Versuch aus 52 Yards an den Upright jagte und damit Mahomes noch eine weitere Chance gab.
Ein Schuss landete noch in der Endzone, ein letzter Pass weit davor. Es gab kein spätes Chiefs-Comeback, was für KC ein Problem werden dürfte, denn nun liegt man schon 2,5 Spiele hinter den Broncos in der AFC West. Doch verdeutlichte gerade das Ende des Spiels, dass die Chiefs eben immer brandgefährlich sind. Wie Mahomes immer wieder mit Leichtigkeit vierte Versuche - allen voran den 4th&17 auf Rashee Rice - löste, erinnerte uns daran, dass dieses Team jeden Gegner in Windeseile auseinander nehmen kann.
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Bills liefern Blaupause für die Chiefs
Und das bringt mich einfach wieder zur Erkenntnis, dass sie zwar jetzt schon ihr viertes Spiel verloren haben und nun 0-4 in One-Score-Games sind - zuletzt hatten sie 14 davon in Serie gewonnen -, aber dennoch nirgendwo hingehen werden. Sie haben nicht die sonstige Konstanz, doch werden sie sicherlich die Playoffs erreichen. Und dann muss sie erstmal jemand schlagen.
Die Bills haben einmal mehr die Blaupause dafür geliefert, wie man die Chiefs schlägt - mit Druck ohne allzu viel zu blitzen -, doch muss man das eben auch reproduzieren können. Die Bills haben Mahomes in 52,6 Prozent seiner Dropbacks unter Druck gesetzt, was laut "Next Gen Stats" 14,3 Prozent höher war als in jedem der anderen neun Spiele gegen KC seit 2020. Und das zeigte Wirkung: Mahomes brachte unter Druck nur 3/16 Pässen für 61 Yards an (INT).
Doch auch im Vorjahr sah das ähnlich aus. Im späteren Duell im AFC Championship Game jedoch war von dieser Disziplin an der Line dann nichts mehr zu sehen, Mahomes scrambelte und die Chiefs erreichten wieder den Super Bowl. Wird das den Bills dieses Mal eine Lehre sein? Man sieht sich wohl im Januar, um das zu klären.
J.J. McCarthy setzt Ausrufezeichen
Der frühere National Champion der Wolverines, J.J. McCarthy, wurde in Woche 9 bei seiner Rückkehr nach mehreren Wochen Pause gebeten, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Spiele im Bundesstaat Michigan zu gewinnen! Seit dem College ist McCarthy nun 15-0 als Starter in Michigan. Natürlich war dieser Auftritt mit den Vikings sein erstes Gastspiel dort bei den Lions, doch ungeschlagen bleibt er dort eben allemal.
Seine Stat Line war nicht der Rede Wert (14/25, 143 YDS, 2 TD, INT), doch wenn es zählte, dann war der Youngster und Erstrundenpick des NFL Draft 2024 in seinem dritten NFL-Spiel überhaupt da. Er kassierte zwar auch fünf Sacks und neun QB-Hits, die er sich teils selbst zuzuschreiben hatte, weil er den Ball zulange hielt. Doch er zeigte eben auch, warum die Vikings und Head Coach Kevin O'Connell letztlich auf ihn setzen.
Er brachte einige Schlüssel-Plays an, zeigte meist eine gute Connection zu Justin Jefferson, dem er gerade bei dessen einhändigen Touchdown-Catch eine Chance gab, ein Play zu machen. Zudem brachte er den einen oder anderen guten Pass aus der Bewegung und außerhalb der Struktur an. Dass ihm O'Connell vertraut, sah man schließlich besonders gut, als man auf einen Pass gegen Ende setzte, anstatt bei 3rd Down durch die Mitte zu laufen und nochmal einen Punt zu riskieren. McCarthy fand Jalen Nailor für die Entscheidung.
Die Vikings sind nun trotz all ihrer Verletzungen bei 4-4 und sorgten für eine der größten Überraschungen mit dem Auswärtssieg in Detroit, wo die Lions zuletzt am Rollen waren.
Die Defense leistete zwar die Hauptarbeit mit fünf Sacks und elf Hits gegen Jared Goff, doch war die Offense in den vergangenen Wochen auch zu selten ein großer Faktor. McCarthy machte mit seiner Leistung nun zumindest Hoffnung, dass Besserung in Sicht ist. Man steht zwar derzeit auf dem letzten Platz der NFC North, doch mit nur 1,5 Spielen Rückstand ist für die Vikings so noch alles drin.
Welcome to Crazy Town!
Was war das bitte für eine Woche insgesamt in der NFL? Verrückte Ergebnisse waren wir bis hierhin ja schon gewohnt und in Woche 8 häuften sich plötzlich Kantersiege. Doch Woche 9 - vielleicht lag es auch an Halloween? - setzte der bisher verrückten Saison ein wenig die Krone auf.
Die Vikings besiegten die Lions in einer engen Kiste, die Panthers (!) marschierten im Lambeau Field ein und gewannen eine Defensivschlacht in Green Bay, das offensiv mal wieder so gar nicht in Tritt kam. Die Colts strandeten nach ganz schwacher und konfuser Offensivleistung in Pittsburgh, das schon wieder ein enges Spiel dank zahlreicher Fehler des Gegners gewann. Und das Finish im Bengals-Bears-Spiel (47:42 Bears) wird womöglich sowieso in die Geschichte eingehen.
Man kann sagen, was man will, doch ist die Liga derzeit sehr häufig äußerst ausgeglichen und jeder kann buchstäblich jeden schlagen. Wie nah alles beieinander ist, zeigt die schiere Anzahl an One-Score-Games allein in dieser Woche. Von den elf Spielen in den frühen Sonntags-Slots waren zehn One-Score-Games. Eines davon wurde durch eine gescheiterte Two-Point Conversion (Raiders-Jaguars) entschieden, ein weiteres letztlich durch einen vergebenen Extrapunkt (Falcons-Patriots) und auch sonst hätte das Ergebnis vielerorts leicht umgekehrt aussehen können.
Ein Großteil dieser Ergebnisse dürfte es nun für einige potenzielle Verkäufer bis zur Trade Deadline noch schwerer machen, sich von etablierten Spielern zu trennen, denn Wochen wie diese unterstreichen einfach, dass jeder eine Chance hat. Eine Wild Card scheint für viele zumindest mal in Reichweite zu sein.
Berlin doch wie erwartet?
Für Begeisterungsstürme sorgte die Ankündigung, dass die Colts die Falcons am kommenden Sonntag in Berlin (ab 14:30 Uhr live bei RTL) empfangen werden, nicht unbedingt. Seither alles hat sich das Blatt ein wenig gewendet, schließlich waren beide Teams zuletzt im Aufwind. Doch nach Woche 9 muss man zumindest wieder skeptisch sein.
Die Colts gingen in Pittsburgh baden und Daniel Jones sah plötzlich wieder aus wie Daniel Jones aus alten Giants-Tagen. Er war für fünf Turnover verantwortlich wirkte nicht im Ansatz so wie der Quarterback, der die Colts zu einer 7-1-Bilanz geführt hatte. Generell muss man sagen, dass die effizienteste Offense der Liga gerade am Stocken ist. Auffällig ist in dem Zusammenhang vor allem ein Blick auf die Pressure-to-Sack-Rate von Jones laut "PFF".
Während diese P2S-Rate in den ersten sieben Wochen meist einstellig und nur in Woche 1 mal zweistellig war (12,5 Prozent), stieg jene in den vergangenen zwei Spielen drastisch an. In Woche 8 waren es 33,3 Prozent gegen die Titans (!), nun 27,8 Prozent gegen die Steelers. Das scheint Jones zu schaffen zu machen. Gleichzeitig sorgt dann ein Jones in Problemen für weitere Schwierigkeiten.
Das Run Game um Jonathan Taylor ist damit nämlich auch lahm gelegt, schließlich hängt alles miteinander zusammen. Gegen die Steelers lief Jonathan Taylor nun nur noch für 3,2 Yards im Schnitt und hatte nur 16 Touches insgesamt.

Falcons-Pass-Rush läuft auf Hochtouren
Der nächste Gegner sind die Atlanta Falcons, die am Sonntag zumindest mal gezeigt haben, dass sie es verstehen, Pressure zu erzeugen. Gegen New England und Drake Maye waren es am Ende sogar sechs Sacks.
Besagte Falcons verloren zwar dennoch (23:24), doch zeigten sie gute Ansätze in dieser Defense. Offensiv wiederum funktionierte die Combo zwischen Michael Penix und Drake London (3 TD) einwandfrei.
Für Berlin gilt es nun zu hoffen, dass die Leistung der Colts nur ein Ausrutscher war, während die Falcons idealerweise mehr Spieler in ihre Offense involvieren müssen als Penix, London und Robinson. Nur dann nämlich besteht die Chance, dass wir im Olympiastadion eine unterhaltsame Vorstellung beider Teams sehen werden.





































