Es dauerte sieben Wochen in der NFL, doch nun scheint der Death Star Kansas City Chiefs voll funktionstüchtig zu sein. Derweil ist Joe Flacco immer noch "elite" und die AFC East erlebt ein Déjà-vu.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nennt an jedem Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Chiefs-Offense: Voll funktionstüchtiger Death Star
Das Imperium schlägt zurück! Die dunkle Seite der Macht hat ihren Death Star in Woche 7 fertiggestellt und ist wieder auf dem Weg, Welten zu zerstören. Das fehlende Puzzleteil war offenkundig Wide Receiver Rashee Rice, der seine Sperre wegen Fahrerflucht nach einem illegalen Autorennen abgesessen hat. Wie ein Held gefeiert, als sei er aus den Fängen seiner Peiniger befreit worden, gab er unter großem Jubel sein Saisondebüt – und lieferte direkt eine starke Vorstellung ab.
Rice ebnete den Weg für die Chiefs beim 31:0-Shutout gegen die Las Vegas Raiders mit sieben Receptions für 42 Yards und zwei Touchdowns. Hollywood Brown erzielte einen weiteren Touchdown, und Patrick Mahomes fand insgesamt neun verschiedene Receiver auf dem Weg zu 286 Yards (3 TD, 89,7 QBR). Es war statistisch vielleicht nicht Mahomes’ beste Vorstellung, aber wohl eine seiner mühelosesten.
Die Chiefs spielten ohne Left Tackle Josh Simmons, der aus unbekannten Gründen fehlte. Während des Spiels musste zudem Guard Trey Smith verletzt raus. Trotzdem kassierte Mahomes nur einen Sack und drei Hits – bemerkenswert gegen einen Pass Rush, der zu den wenigen funktionierenden Bereichen bei den Raiders zählt. Auch das Laufspiel lief rund und steuerte 152 Yards samt Touchdown bei.
Chiefs: Nur noch Nebenrolle für Kelce
Der Schlüssel zum Erfolg war, dass die Chiefs endlich ihre Abhängigkeit von Travis Kelce abgelegt haben. Zwar führte der Tight End das Team mit 57 Yards an, hatte aber nur drei Targets und Receptions - vier andere Spieler sahen mehr Pässe als Mahomes’ langjähriger Lieblingsreceiver. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, da nun alle drei Top-Receiver einsatzbereit sind: Neben Rice auch Xavier Worthy und Hollywood Brown, die gegen Vegas noch dosiert eingesetzt wurden.
Die Chiefs scheinen bereit, wieder voll anzugreifen. Durch den Erfolg über die Raiders zogen sie in der AFC West mit den Chargers (4-3) gleich und liegen weiterhin nur ein Sieg hinter den Broncos (5-2). Laut dem "Football Power Index" von "ESPN" haben Chargers und Broncos jedoch die schwereren Restspielpläne bis zum Saisonende.
Es dauerte sieben Wochen, ehe der neue Death Star fertiggestellt werden konnte - doch nun steht er bereit und zieht in voller Stärke auf Zerstörungskurs. Ob die Rebellen diesmal eine Chance haben, diese Version zu stoppen, ist derzeit sehr fraglich.
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Quarterback-Déjà-vu in der AFC East
Für den Großteil der Anhänger der AFC East-Teams dürften sich die vergangenen Wochen wie ein Déjà-vu angefühlt haben. Die New England Patriots haben wieder einen Quarterback – und was für einen! Drake Maye hat beim 31:13-Erfolg bereits zum sechsten Mal in Serie über 200 Yards geworfen und dabei ein Passer Rating von über 100 erreicht. Und das im Alter von gerade einmal 23 Jahren. Vor ihm ist das in der NFL-Geschichte unter 24 nur zwei anderen Quarterbacks gelungen - Hall-of-Famer Dan Marino und Future-Hall-of-Famer Patrick Mahomes.
Maye ist "special", das darf man inzwischen mit Fug und Recht behaupten. Wie "special"? Nun, er hat in seinem 20. NFL-Spiel einen Rekord des GOAT persönlich, Tom Brady, gebrochen. Maye brachte gegen die Titans 21 von 23 Pässen für 222 Yards an – eine Completion Percentage von 91,3! Bradys bisheriger Franchise-Rekord lag bei 88,5 Prozent in einem Sieg über die Jacksonville Jaguars 2009. Zwar hatte Brady 2007 in den Playoffs ebenfalls gegen Jacksonville 92,9 Prozent, doch das schmälert die Leistung des jungen Patriots-Stars nicht im Geringsten.
Maye ist angekommen in der Liga – und scheint von Woche zu Woche nur besser zu werden. Die Buffalo Bills wiederum haben mit Josh Allen zwar den amtierenden MVP in ihren Reihen, auch wenn dieser momentan etwas schwächelt. Doch auch sie sind bestens aufgestellt auf der Quarterback-Position.
Das allerdings kann man über die übrigen Teams der AFC East nicht sagen. Die Dolphins? Tua Tagovailoa wurde beim 6:31 in Cleveland (!) im vierten Viertel nach einer desaströsen Vorstellung auf die Bank gesetzt und durch Siebtrundenpick Quinn Ewers ersetzt. Tua brachte nur 12 von 23 Pässen für 100 Yards an, warf drei Interceptions – bei einem QBR von 3,4 und einem Passer Rating von 24,1. Beides Werte, die man rein rechnerisch kaum so schlecht hinbekommt. Es war bereits sein zweites Spiel in Folge mit drei Interceptions. Insgesamt hat Tagovailoa in dieser Saison nun zehn Interceptions – bei gerade einmal elf Touchdowns.
Problemfall Tua lässt sich nur schwer lösen
Seit Jahren galt eigentlich die Annahme, dass die Dolphins dann gut sind, wenn Tua gut ist. Und Tua wiederum ist dann gut, wenn er gesund ist. Nun ist er gesund, die Dolphins aber nicht gut. Sie sind 1-6! Und mit dieser Bilanz wackeln die Stühle von Head Coach Mike McDaniel und General Manager Chris Grier nun ganz gewaltig. Was Tagovailoa selbst angeht, dürfte ein Benching nun durchaus denkbar sein, auch wenn es schwerfallen wird, ihn nach der Saison - vielleicht unter neuem Regime - zu ersetzen. Eine Entlassung würde Dead Money in Höhe von 99 Millionen Dollar nach sich ziehen - ihm stehen zudem noch garantierte 54 Millionen Dollar an Gehalt zu.
Was auch immer von nun an noch passiert, werden die Probleme der Dolphins womöglich über die Saison hinweg weitergehen, egal, wer letztlich sportlich das Sagen haben wird.
Und dann wären da noch die New York Jets. Sie sind zum dritten Mal in ihrer Franchise-Geschichte 0-7 in eine Saison gestartet und haben nun auch zuhause gegen die Carolina Panthers verloren (6:13). Jene Panthers warteten bis dahin noch auf einen Auswärtssieg in dieser Saison.
Erneut spielte Justin Fields unterirdisch und brachte es gerade mal auf 46 Yards (6/12) durch die Luft. Er kassierte drei Sacks, verlor aber immerhin nicht den Ball. Mit ihm auf dem Feld produzierten die Jets drei Punkte. Anschließend musste er zur zweiten Hälfte auf die Bank. Tyrod Taylor übernahm und ich war drauf und dran, hier von einem notwendigen permanenten Quarterback-Tausch zu schreiben, schließlich gelang es Taylor scheinbar, den Ball ordentlich zu verteilen.
Auch Taylor nicht die Antwort
Ich war jedoch ein wenig voreilig, denn Taylor erinnerte mich dann relativ schnell daran, warum er seit Jahren nur noch Backup in dieser Liga ist. Er warf letztlich zwei Interceptions und kassierte auch drei Sacks. Auch mit ihm auf dem Feld gelangen nur ganze drei Zähler per Field Goal.
Am Ende muss man sich auch in New York die Frage stellen, wie es weitergeht. Wie soll eine sieglose Saison verhindert werden? Und wie geht es danach weiter? Sicherlich mit einem neuen Quarterback, der vermutlich aus dem Draft kommen wird. Bei den Jets muss man aber zwangsläufig noch einen Schritt weitergehen. War Aaron Glenn wirklich die richtige Wahl als Head Coach?
Wie schon in London in der Vorwoche verschwendete er auch dieses Mal mit katastrophalem Clock Management wertvolle Zeit und brachte sein Team so um die Chance, noch vor der Pause zu punkten. Ist er vielleicht einfach überfordert in seiner Rolle? Und viel wichtiger: Traut man ihm einen Turnaround nach dieser Saison überhaupt noch zu?
Unterm Strich sind wir nach ein paar Jahren der totalen Bills-Dominanz mit fünf Division-Titeln in Serie wieder da, wo wir davor waren - mit Patriots, die scheinbar wieder oben mitspielen können und den Bills das Leben schwer machen. Und zwei Teams am Boden der Division, bei denen es keinen klaren Weg zurück an die Spitze gibt, weil man auf der wichtigsten Position scheinbar hoffnungslos ist.
Joe Flacco immer noch "elite" - in den richtigen Umständen
Ich habe nach dem überraschenden Trade von Joe Flacco von den Cleveland Browns zu den Cincinnati Bengals bereits ausführlich über seinen Saisonbeginn beim anderen Team aus Ohio gesprochen. Seither ging seine Formkurve merklich nach oben und er lieferte gerade gegen die Pittsburgh Steelers seine beste Saisonleistung ab.
Flacco warf beim 33:31-Erfolg über die Steelers für 342 Yards (31/47 YDS) und 3 Touchdowns (75,1 QBR, 108,6 Passer Rating). Nach vier durchwachsenen bis schwachen Auftritten für die Browns, bei denen er nur in Woche 1 - gegen die Bengals (!) - überhaupt die 200-Yard-Marke geknackt hatte und nie mehr als ein 75,2-Passer-Rating (Woche 1) hatte, wirkte Flacco in seinen nun zwei Spielen für die Bengals, als sei er in einen Jungbrunnen gefallen.
Natürlich ist er weiterhin 40 Jahre alt, doch merkt man ihm nun an, dass es er immer noch einiges im Tank hat, wenn man ihm gute Bedingungen schafft. Ein Receiving Corps mit Ja'Marr Chase und Tee Higgins an der Spitze hilft da enorm. Ebenso ein funktionierendes Run Game, das die Bengals in diesem Jahr auch in Woche 7 zum ersten Mal ihr eigen nennen durften. Chase Brown lief allein für 108 Yards und als Team kamen die Bengals auf 142 Yards (6,2 im Schnitt), was sicherlich eine Folge des gut funktionierenden Passspiels war - die Steelers konnten sich schlicht keine Heavy Boxes leisten.
Chase legte eine Galavorstellung hin und fing 16 Pässe (Career High!) für 161 Yards und einen Touchdown. Higgins kam auf 96 Yards (6 REC, TD) und auch Noah Fant erzielte einen Touchdown. Doch bemerkenswert war darüber hinaus, dass Flacco sein Spiel grundlegend veränderte, seit er die Seiten gewechselt hat in der AFC North. Laut "PFF" brachte er seine Pässe in Cleveland im Schnitt 2,72 Sekunden nach dem Snap an. Bei den Bengals liegt dieser Wert bei nur noch 2,31 Sekunden und gegen die Steelers waren es sogar nur 2,27 Sekunden.
Flacco gibt mit Umstellung perfekte Antwort
Die Könige der Quick-Pressures waren damit im Grunde aus dem Spiel genommen. T.J. Watt hatte zwar dennoch vier Pressures und einen Sack, aber erst ziemlich spät im Spiel. Flacco wiederum kassierte zwei Sacks, ließ sich dadurch aber nicht beeinflussen und leistete sich auch unter Druck keine Plays, die zu Turnovers hätten führen müssen. Er blieb fehlerfrei und führte sein Team souverän zu dessen drittem Saisonsieg und dem ersten seit der Verletzung von Joe Burrow.
Flacco bewies damit einmal mehr, dass er weiterhin nicht zum alten Eisen gehört und auf ihn Verlass ist, wenn man ihm gute Bedingungen zur Verfügung stellt. Die Bengals scheinen dies zu schaffen.
Giants werfen geschenkten Sieg weg
Diese Schlussphase in Denver war denkwürdig. Die Broncos vollbrachten das Kunststück, als erstes Team überhaupt 33 Punkte im Schlussviertel zu erzielen, nachdem man in den ersten drei Vierteln bei null Punkten gehalten worden war. Die Offense, die bis dahin komplett abgemeldet war, drehte dann völlig frei und spielte spektakulär, war kaum aufzuhalten.
Am Ende jedoch hätten wir beinahe gar nicht darüber reden müssen, denn die Giants sahen dennoch 37 Sekunden vor Schluss wie der Sieger aus. Nach ein paar fragwürdigen Penalties gegen die Broncos lief Jaxson Dart schließlich in die Endzone für einen Touchdown zum 32:30 aus ihrer Sicht. Kicker Jude McAtamney vergab daraufhin jedoch den Extrapunkt - zum zweiten Mal im Spiel - und ließ damit die Tür für die Broncos offen.
Bo Nix warf dann einen 29-Yard-Pass gefolgt von einem 22-Yard-Pass und die Hausherren waren in Field-Goal-Reichweite. Mit auslaufender Uhr traf Will Lutz aus 39 Yards zum Sieg für Denver.
Das jedoch hätte alles nicht sein müssen. Zehn Minuten vor Schluss nämlich fand Dart Theo Johnson für einen 41-Yard-Touchdown zur 26:8-Führung. Die Broncos schlugen zurück mit einem Nix-Touchdown samt Two-Point Conversion zum 26:16. Da waren noch rund fünf Minuten zu spielen. Doch anstatt dann mit ein paar weiteren 1st Down das Spiel nach Hause zu bringen, wurde Giants-Coach Brian Daboll konservativ und ließ zweimal für kurze Raumgewinne durch die Mitte laufen. Bei 3rd&5 musste Dart dann passe und warf eine Interception ohne Not blind über die Mitte. Keine Minute später fand Nix RJ Harvey für einen Touchdown-Pass, der das Spiel wieder offener gestaltete.
Defensiv-Taktik sorgt für Unmut in der Mannschaft
Und als man dann in der Schlussminute mit einem Punkt Vorsprung führte, wurde beschlossen, Prevent zu spielen. Man ließ acht Mann in Coverage fallen bei den Chunk Plays der Broncos ganz am Ende. Die Folge: besagte Chunk Plays, die die Broncos in Field-Goal-Reichweite brachten. Einverstanden waren mit dieser Maßnahme die wenigsten. Giants-Edge-Rusher Brian Burns machte seinem Ärger sogar auf dem Weg in die Kabine Luft.
Die allgemeine Annahme ist es, dass Daboll und GM Joe Schoen nicht mehr allzu sicher im Sattel sitzen. Auftritte wie dieser ganz am Ende werden das Vertrauen in die sportliche Führung jedoch mutmaßlich nicht steigern.





































