Wenn Woche 4 der NFL eines gezeigt hat, dann, dass die Kansas City Chiefs zurück sind. Derweil werden die Probleme bei den Baltimore Ravens immer größer, zumal sich die Pittsburgh Steelers gerade nicht über zu wenig Glück beklagen können.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nennt an jedem Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Die Chiefs sind zurück
Natürlich haben auch sie weiterhin gewisse Defizite, doch am Sonntag im Prestigeduell gegen die Ravens (37:20), die zumindest auf dem Papier weiterhin eines der Topteams sind - oder waren, wir kommen dazu gleich noch! -, haben die Kansas City Chiefs gezeigt, dass sie zurück sind. Die Offense funktionierte so gut und flüssig wie lange nicht mehr und Patrick Mahomes hat erstmals seit Oktober 2023 wieder vier Touchdowns in einem Spiel geworfen.
Der offensichtliche Grund für diese Leistungssteigerung nach zähen ersten drei Wochen? Die Rückkehr von Xavier Worthy spielte eine große Rolle, denn mit ihm war wieder mehr Speed vorhanden. Er wurde auf vertikalen Routes eingesetzt, ebenso bei Screens und er lief für 35 Yards nach einem Jet Sweep. Insgesamt machte dies einiges mit der Defense der Ravens. Sie spielten vor allem Off-Coverage und damit den Chiefs in die Karten. Diese Offense lebt ohnehin von vielen schnellen und kurzen Pässen und wenn man den Receivern dann auch noch so viel Platz underneath gibt, weil man ihren Speed respektieren muss, dann kann Mahomes in Ruhe schalten und walten.
Laut "PFF" hatte er in diesem Spiel eine durchschnittliche Pass-Tiefe von nur 6,9 Yards. Das war der niedrigste Wert in dieser Saison. Und dennoch brauchte er zum Passen im Schnitt 2,7 Sekunden, was mehr Zeit war als in allen Spielern dieser Saison mit Ausnahme des Duells mit den Eagles in Woche 2. Das lag daran, dass er kaum unter Druck stand - er sah nur sechs Pressures im ganzen Spiel. Ein absurd niedriger Wert für Chiefs-Verhältnisse in diesem Jahr. In den ersten drei Wochen waren es stets mindestens 15 (!) Pressures.
Vier Spiele liegen nun hinter Kansas City und den schlimmsten Teil ihres Spielplans haben sie damit schon hinter sich. Noch zwei Spiele (in Jacksonville und gegen die Lions) und dann kommt auch noch Rashee Rice von seiner Sperre zurück. Sprich: Diese Offense wird in Kürze wieder mit voller Kapelle spielen und sah schon jetzt hervorragend aus.
Mahomes ist immer noch der Alte
Das kombiniert mit einer Defense, die es nun geschafft hat, selbst Lamar Jackson komplett zu entzaubern und vor allem in der Pocket zu halten, während man ihn permanent per Blitz unter Druck gesetzt hat (13 Pressures, 2 Sacks), lässt auf erneut Großes schließen.
Wenn dieses Spiel eines gezeigt hat, dann, dass Mahomes keineswegs schlechter geworden ist, was durchaus der eine oder andere schon vermutet hatte angesichts der bisher gezeigten Leistungen. Doch wenn er seine Receiver hat, dann wird er weiter für Schaden sorgen und ist dann auch kaum zu stoppen, jedenfalls nicht von den meisten Teams.
Das bringt uns wiederum zur Frage, wer denn diese Chiefs, die sich ihrem Topniveau nähern, dann überhaupt noch schlagen kann. Es müssen schon Teams sein, die selbst einen funktionierenden Pass Rush und eine bärenstarke Offense haben. Die Eagles sind ein solches Team, doch dieses wäre frühestens im Februar wieder ein möglicher Gegner. Die Lions (Woche 6) kommen in den Sinn, ebenso der große Rivale der letzten Jahre - zumindest in der Regular Season -, die Buffalo Bills (Woche 10), die als einziges Team der AFC noch ungeschlagen sind und mit Josh Allen den wohl besten Quarterback der Liga haben. Doch sonst?
Insgesamt läuft schon wieder vieles darauf hinaus, dass die Bills unsere letzte Hoffnung sind, wenn wir zur Abwechslung mal einen anderen AFC-Vertreter im Super Bowl sehen wollen. Es ist noch früh, doch es fühlt sich schon wieder alles wie eine normale Chiefs-Saison der letzten Jahre an.
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Die Ravens sind nur ein Papiertiger
Ich hatte wirklich gedacht, dass die Ravens in Kansas City mithalten können. Doch sie haben wieder das gemacht, was sie schon das AFC Championship Game vor zwei Jahren gekostet hat - sie spielten gegen ihre Tendenzen und versuchten etwas, was ihnen nicht liegt. Aus irgendeinem Grund wollte Offensive Coordinator Todd Monken mit dem Passspiel gewinnen. Lamar Jackson ist sicherlich dazu in der Lage, ein effizientes Passspiel aufzuziehen, doch ist diese Offense eben auf dem Run Game aufgebaut. Dafür haben sie viel Geld in Derrick Henry investiert.
Jener Derrick Henry hatte dann ganze zehn (!) Touches im ganzen Spiel, davon waren nur acht Carries - das, wofür er hauptberuflich da ist. Er produzierte damit 42 Rushing Yards, 5,3 im Schnitt. Und offenbar ist er nicht verletzt. Was genau machen wir hier eigentlich? Warum sieht einer der besten Running Backs dieses Jahrzehnts so selten den Ball? Warum vor allem wurde er in kritischen Short-Yardage-Situationen immer wieder zugunsten von Leichtgewicht Justice Hill, der im Grunde nichts anderes als ein besserer Receiver aus dem Backfield ist, vom Feld genommen?
Alles, was man damit erreicht hat, ist, dem Gegner zu signalisieren, dass nun ein Pass kommen wird. Und Chiefs-DC Steve Spagnuolo nahm die Botschaft mit Kusshand auf und schickte Blitzes nach Herzenslust und spielte teilweise sogar Cover-0 gegen eine dann heillos überforderte Offensive Line, die Jackson im Grunde gar nicht beschützen konnte. Damit war das Spiel und jeder entsprechend Spielzug schon sehr früh entschieden.
Jetzt muss man natürlich erwähnen, dass die O-Line der Ravens zuletzt schon schwächelte und im Run Game eine gewisse Durchschlagskraft vermissen ließ beim Shootout gegen die Lions in Woche 3, den man auch schon verloren hatte. Und die neuerlichen Verletzungen, die man in diesem Chiefs-Spiel eingesteckt hat, halfen auch nicht. Zur Pause war bereits Left Tackle Ronnie Stanley mit einer Knöchelverletzung raus, was ein enormes Problem war, denn die Ravens sind an dieser Front nicht eben üppig besetzt.
Coaching ein großer Faktor für Ravens-Fehlstart
Doch das erklärt dennoch nicht, wie die Ravens dieses Spiel grundlegend angegangen sind. Oder wie sie schon die Partie gegen die Lions verloren haben. Hier sei an John Harbaughs Entscheidung erinnert, beim Stand von 24:31 an der eigenen 32 mit noch 4:32 Minuten zu spielen bei 4th&9 zu punten. Das kostete sein Team jegliche Chance, nochmal zurückzukommen, denn die Defense gab prompt den nächsten Touchdown ab.
Und die Defense der Ravens sieht überhaupt nicht wie erwartet aus. Sie ist nicht dominant, sie ist eine große Schwachstelle. Sie setzt niemanden unter Druck - das Beispiel Mahomes zeigt es eindeutig -, sie tackelt schlecht, sie stoppt den Run nicht. Und die nur aus früheren Erstrundenpick bestehende Secondary hat bislang auch nicht nachgewiesen, dass sie irgendwas Besonderes wäre.
Es sind erst vier Spiele gespielt, doch die Ravens sind nun erstmals seit 2015 wieder 1-3 in eine Saison gestartet. Damals endete die Saison dann 5-11. Das droht nun auch wieder, denn das Lazarett dieses Teams ist schon jetzt beträchtlich. Nach dem Chiefs-Spiel kamen mit allen voran Lamar Jackson (großerer hinterer Oberschenkelmuskel) fünf weitere verletzte Leistungsträger dazu. Unklar ist, ob und wenn ja, wie lange sie ausfallen. Doch wenn die Ravens nicht schnell in die Spur finden, könnte diese Saison endlich fatal enden wie 2015 - zumal die Steelers nun schon zwei Spiele Vorsprung haben und offenbar durchaus mit Glück gesegnet sind dieser Tage.
| Spieler | Position | Verletzung | Zeitpunkt |
|---|---|---|---|
| Lamar Jackson | QB | Oberschenkel | Woche 4 |
| Ronnie Stanley | OT | Knöchel | Woche 4 |
| Roquan Smith | LB | Oberschenkel | Woche 4 |
| Marlon Humphrey | CB | Wade | Woche 4 |
| Nate Wiggins | CB | Ellbogen | Woche 4 |
| Nnamdi Madubuike | DT | Nacken | Vor Woche 4 |
| Broderick Washington | DT | Knöchel | Vor Woche 4 |
| Patrick Ricard | FB | Wade | Vor Woche 4 |
| Travis Jones | DT | Knie | Vor Woche 4 |
| Kyle Van Noy | LB | Oberschenkel | Vor Woche 4 |
Steelers mit dem Glück der Iren
Die Steelers haben ihr "Heimspiel" in Irland gewonnen und damit als erstes Team auf irischem Boden. Und das Glück der Iren war ihnen dabei wieder mal sicher. Wie schon in der Vorwoche bei den New England Patriots (21:14) profitierten sie dabei vor allem davon, dass sich der Gegner einfach viel zu oft selbst ins Bein schoss. In Foxborough leisteten sich die Patriots sage und schreibe fünf Turnovers. Und selbst das hätte am Ende fast nicht gereicht zum Sieg. Erst ein dummes Play von Wide Receiver Demario Douglas, der lieber rückwärts ging nach einem Catch, anstatt einfach vorwärts zu fallen für ein neues 1st Down, besiegelte den Auswärtssieg der Steelers.
Und in Dublin hatten die Steelers auch eigentlich schon alles im Griff, doch letztlich brauchte es am Ende trotz zwischenzeitlicher 24:6-Führung doch noch jede Menge Hilfe von den Vikings, um den 24:21-Erfolg über die Bühne zu bringen. Auch hier waren es zwei Turnovers, die eigentlich schon gereicht hätten, doch Minnesota kam nochmal zurück und wurde erst durch eine chaotische letzte Angriffsserie von Carson Wentz und Co. gestoppt, bei der Wentz unter anderem eine Delay of Game Penalty bei 4th&12 kassierte.
Dass man überhaupt in die Bredouille geriet, lag derweil an Head Coach Mike Tomlin, der auf die absurde Idee kam, bei 4th&1 an der gegnerischen 40 mit 1:08 Minuten auf der Uhr zu punten. Das Analytics-Modell von "rbsdm.com" sprach hier von einer zusätzlichen Siegwahrscheinlichkeit von 9,3 Prozent, wenn man hier den Versuch (erfolgreich" ausspielt. Ein viel eindeutigeres "Go" findet man in solchen Situationen eigentlich nicht.
Tomlin hatte Glück, dass Wentz den Ball danach einmal fast zum Gegner warf und dann letztlich bei 4th Down and Long in die Bütten. Doch das hätte locker nach hinten losgehen können, zumal der anschließende Punt auch noch in der Endzone für einen Touchback landete. Er gewann damit also gerade mal 20 Yards und gab einem eigentlich besiegten Gegner nochmal die Chance, das Spiel mit einer gefühlten Ewigkeit an Zeit auf der Uhr noch zu drehen.
Die Steelers hatten Glück, dass das nicht bestraft wurde. Aber auf Glück sollte man in der National Football League nicht unbedingt bauen. Es kann einem sehr schnell abhanden kommen.
Patriots mit Licht am Ende des Tunnels
Die New England Patriots haben in Woche 4 etwas geschafft, was ihnen seit geraumer Zeit nicht mehr gelungen war. Beim dominanten 42:13-Erfolg über die Carolina Panthers lieferten die Patriots erstmals seit dem 15. September 2019 (43:0 gegen Miami) einen 40-Burger! Sicherlich mag das auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Panthers einfach kein guter Gegner waren. Doch das hielt die Patriots zuletzt nicht davon ab, dennoch nicht zu überzeugen.
Das änderte sich nun. Nach einem schnellen 3-and-out drehten die Hausherren auf und gewannen zudem endlich ihr erstes Heimspiel in dieser Saison. Punt-Returner und Cornerback Marcus Jones hatte großen Anteil daran mit einem 87-Yard-Punt-Return-Touchdown und insgesamt 167 Punt-Return-Yards im Spiel. Doch besonders die Vorstellung von Quarterback Drake Maye sollte Mut machen. Denn der Trend spricht eindeutig für den dritten Pick insgesamt auf dem Draft 2024.
Maye ist nämlich mit seiner starken Vorstellung aus Woche 4 der erste Spieler unter 24 (23 Jahre, 29 Tage), der zwei Touchdown-Pässe und eine Completion Percentage von 75 Prozent in drei Spielen nacheinander hingelegt hat. Zudem legte er 0,86 EPA/Play auf, was ein Karrierebestwert für ihn ist.
Maye war vor allem äußerst effizient (14/17, 203 YDS, 2 TD) und lieferte ein fast perfektes Passer Rating (155,6). Zudem erzielte er einen Rushing Touchdown, der sein Team damit auf die Siegerstraße brachte. Insgesamt führt er die Liga derzeit in Dropback Success Rate und Pass EPA an, hat zudem die zweitmeisten Expected Points Added nach Dropbacks.

Diggs kommt in Schwung
Ein weiterer Schlüssel und vor allem ein positives Zeichen war die Leistung von Stefon Diggs, der nur rund ein Jahr nach seinem Kreuzbandriss nun erstmals in diesem Jahr mehr als 100 Yards erzielt hat (6 REC, 101 YDS). Er wurde rechts, links und im Slot aufgestellt und zeigte eine gute Connection mit Maye, was von Anfang an als Schlüssel für einen Schritt nach vorne für den jungen QB betrachtet wurde.
Auffällig war zudem, dass offensichtlich Konsequenzen aus den Leistungen der letzten Wochen gezogen hat. Im Run Game bekam zwar weiterhin Rhamondre Stevenson trotz seiner zwei verlorenen Fumbles gegen die Steelers die meisten Carries, doch es wären eben nur neun. Insgesamt liefen die Patriots 29-mal im Spiel und jeder durfte mal - neben Maye bekam Wide Receiver Kyle Williams einen Carry. Die Verantwortung wurde also auf mehrere Schultern verteilt und Rookie TreVeyon Henderson erzielte in dem Zusammenhang seinen ersten Rushing Touchdown in der NFL.
Die aber wohl bemerkenswerteste Entwicklung war es, dass Wide Receiver Demario Douglas im Grunde nicht stattgefunden hat. Er sah im Spiel kein einziges Target und war damit außen vor nach seiner dummen Entscheidung am Ende des Steelers-Spiels. Generell ist es aber die Fortsetzung eines Trends, denn Douglas, der die Saison noch als primärer Slot-Receiver begonnen hatte - nach einem starken Camp noch dazu -, wurde nach und nach aus der Offense herausgefiltert. In Woche 1 hatte er noch 40 Passing Snaps auf dem Feld gesehen, waren es in Woche 3 nur noch 25. Dazwischen waren es in Woche 2 sogar nur deren zwölf.
Und gegen Miami sah er auch nur ein Target. New England gewann beide Spiele, in denen Douglas keine Rolle spielte. Zufall?
Dennoch wachsen auch in New England die Bäume nicht in den Himmel, denn in der kommenden Woche geht es zu den Buffalo Bills. Es wird sicherlich ein sehenswerter Vergleich zwischen Maye und Allen im Sunday Night Game, doch als Favorit gehen die Patriots da sicherlich nicht ins Rennen. Doch klar dürfte schon jetzt sein: beim Minimalziel für diese Saison, die Entwicklung von Maye voranzutreiben, scheint man auf Kurs zu sein.




































