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Einer der legendärsten Super Bowls überhaupt

Als ein Nobody die Patriots-Dynasty rettete

Malcolm Butler gelang die wohl legendärste Interception der Super-Bowl-Historie
Malcolm Butler gelang die wohl legendärste Interception der Super-Bowl-Historie
Foto: © imago sportfotodienst
15. September 2024, 18:11

Wenn die New England Patriots am kommenden Sonntag die Seattle Seahawks in der NFL empfangen, geht es nicht nur um den zweiten Sieg für beide Seiten in dieser Saison. Es geht auch darum, zurückzuschauen auf einen der denkwürdigsten Super Bowls überhaupt, der im kommenden Februar zehn Jahre her sein wird.

Die Neuauflage dieses denkwürdigen Duells seht Ihr am Sonntag ab 19 Uhr live bei RTL und im Stream auf RTL+*.

"3 Corners, Malcolm Go!" Mit diesen Worten schickten Defensive Coordinator Matt Patricia und Safeties Coach Brian Flores in den Schlusssekunden von Super Bowl XLIX den Undrafted Rookie der New England Patriots, Malcolm Butler, aufs Feld. Es war eine kuriose Situation, die Seattle Seahawks, der amtierende Super-Bowl-Champion, stand innerhalb der Ein-Yard-Linie und hatte mit Marshawn "Beastmode" Lynch einen der besten Running Backs der NFL in seinen Reihen. Allen im Stadion war klar, dass jener in Kürze den Ball bekommen und ihn in die Endzone rammen würde. Die Seahawks, die 24:28 zurücklagen, standen kurz vor der Titelverteidigung und dem Eintrag in die Geschichtsbücher.

Dieser Super Bowl war denkwürdig. Aus so vielen Gründen. Die Seahawks, die mit ihrer legendären Secondary, der "Legion of Boom", ein Jahr zuvor die historische Offense der Denver Broncos um Peyton Manning zerlegt und blamiert hatten (43:8), waren drauf und dran, als erstes Team seit den 2004er Patriots, ihren Titel zu verteidigen. Und das ausgerechnet gegen eben diese Patriots, die seit damals auf einen Titel warteten. Seither standen sie zweimal gegen die New York Giants im Super Bowl und verloren beide Male.

Während die einen eine neue Dynasty hätten begründen können, standen die anderen vor dem Ende ihrer. Head Coach Bill Belichick und Quarterback Tom Brady, dessen vermeintlicher Nachfolger Jimmy Garoppolo bereits im vorangegangenen Draft gezogen worden war, standen nach den zwei verlorenen Endspielen gehörig unter Druck. Gerade Brady jagte dem neuralgischen vierten Ring, den zuvor nur sein Idol Joe Montana mit den 49ers und Terry Bradshaw mit Pittsburgh geholt hatten, hinterher und war bereits 37 Jahre alt - kein gutes Alter für einen Quarterback.

Steinige Wege nach Arizona

Der Weg zum großen Spiel in Glendale/Arizona, der Ort, an dem die Patriots im Februar 2008 ihre Hoffnungen auf eine 19-0-Perfect-Season begraben mussten, war derweil für beide kein Zuckerschlecken. Beide waren sie zwar als Top-Seed ihrer Conferences angereist, doch die Seahawks brauchten dafür ein spektakuläres Comeback gegen die Green Bay Packers im NFC Championship Game - samt eroberten Onside-Kick in der Schlussphase. Und die Patriots mussten schon tief in die Trickkiste greifen, um die Baltimore Ravens nach zweimaligem Rückstand im Divisional Game zu besiegen. Wide Receiver Julian Edelman warf einen spektakulären Touchdown-Pass auf Danny Amendola und man überrumpelte Baltimore mehrfach mit einer exotischen Formation, die im Anschluss an die Saison verboten wurde.

Anschließend zerstörte man die Indianapolis Colts im AFC Championship Game noch deutlicher als es die Seahawks mit den Panthers in ihrem Divisional Playoff gemacht hatten. Daraus entstand jedoch "Deflate Gate", was für viel Chaos im Vorfeld des Super Bowls und noch lange danach gesorgt hat.

Wie für viele Super Bowls üblich ging auch dieser eher zäh los. Die Patriots gelangten jedoch als erstes in die Red Zone. Doch Ende des ersten Viertels suchte Brady Tight End Rob Gronkowski und übersah Safety Jeremy Lane, der sich die Interception schnappte und das Spiel punktlos hielt. Bei der Aktion jedoch brach er sich das Handgelenk und musste früh raus.

Nach knapp sechs Minuten im zweiten Viertel brachte Brady sein Team dann aber doch in Front. Er fand Wide Receiver Brandon LaFell in der Endzone. Und es sah länger danach aus, dass diese Führung auch bis zur Pause halten würde. Dann jedoch wurde es turbulent. Lynch lief zwei Minuten vor der Pause in die Endzone zum Ausgleich, woraufhin ein schneller 2-Minute-Drill der Patriots begann, den Brady mit einem 22-Yard-Touchdown-Pass auf Gronk abschloss - mit 31 Sekunden zu spielen. 

Das bis dahin größte Comeback der Super-Bowl-Geschichte

Das war genug Zeit für Wilson, nochmal zurückzuschlagen. Und das tat er auch. Er führte sein Team in die Red Zone und fand dort den Undrafted Rookie Chris Matthews für den Ausgleich zwei Sekunden vor Schluss. Das Besondere: Matthews hatte vor diesem Super Bowl noch keinen einzigen Catch in der NFL gesammelt.

Dieses Spiel war denkwürdig auf so vielen Ebenen. So viele Plays hätten das Play des Spiels sein können, an das man noch Jahrzehnte später denken würde. Da wäre etwa die Interception gewesen, die sich Seahawks-Linebacker Bobby Wagner über die Mitte gegen Gronkowski geschnappt und damit den Patriots direkt nach der Pause den Wind aus den Segeln genommen hat. Darauf folgte zwar nur ein Field Goal, doch wenig später fand Wilson auch noch Doug Baldwin in der Endzone für eine 24:14-Führung. 

Und das hätte es eigentlich schon gewesen sein können, denn nie zuvor hat ein Team im Super Bowl einen solchen Vorsprung nach der Pause noch wettgemacht. Jedoch sei hier erwähnt, dass sich auch nie zuvor Tom Brady in einer solchen Lage wiedergefunden hatte. 

Die Patriots taten dann etwas, was in der damaligen Zeit undenkbar schien - im Übrigen zum zweiten Mal in jenen Playoffs: sie warfen das Run Game im Grunde aus dem Fenster und setzten voll auf Brady und seinen rechten Arm. Gegen Baltimore war das der Gameplan, im Super Bowl dann eine notwendige Anpassung. Und Brady fand im vierten Viertel seinen Rhythmus und verkürzte schließlich durch einen kurzen Touchdown-Pass auf Amendola Mitte des Schlussviertels.

Die Defense schaffte einen kurzen Stopp und Brady bekam den Ball mit weniger als sieben Minuten auf der Uhr zurück. Eine Ewigkeit für den Mann, der 13 Jahre zuvor seinen ersten Super Bowl mit 81 Sekunden zu spielen gewann, zwei Jahre später dann mit 68 Sekunden auf der Uhr. Und so kam es, wie es kommen musste: Mit 2:02 Minuten zu spielen fand Brady Edelman in der Endzone zum Touchdown. 28:24 New England!

"Nicht schon wieder!"

Der vierte Titel war zum Greifen nahe, doch wie schon in den vorherigen zwei Endspielen gegen die Giants hatte eben auch der Gegner nochmal den Ball und die Chance auf eine Antwort. Und nicht wenige dürften dann 1:06 Minuten vor Schluss ein Déjà-vu erlebt haben. Wilson feuerte einen tiefen Pass zu Jermaine Kearse an die 5-Yard-Linie. Der Receiver bekam den Ball aber nicht unter Kontrolle, weil ihn Butler abgewehrt hatte. So jedenfalls sah es auf den ersten Blick aus. Doch in Wahrheit jonglierte Kearse den Ball auf dem Boden liegend und schaffte letztlich einen Zirkus-Catch nahe der Seitenlinie. Es war dann einzig jenem Butler zu verdanken, dass er nach seiner Aktion gegen den Ball nicht abschaltete, sich aufraffte und Kearse doch noch stoppte. Andernfalls wäre er locker in die Endzone spaziert.

Die Kameras gingen danach fast automatisch auf Brady, der gedacht haben dürfte, was so ziemlich alle Fans dieses Teams auf der ganzen Welt gedacht haben: "Nicht schon wieder! Nicht schon wieder ein Zirkus-Catch wie der mit dem Helm von David Tyree 2008 oder Mario Manninghams Catch an der Seitenlinie 2012. Nicht schon wieder!"

Die Seahawks nahmen dann eine Timeout und anschließend war klar, was passieren würde. Lynch bekommt den Ball und läuft Richtung Endzone. Beim ersten Anlauf stoppte ihn erst D'Onta Hightower innerhalb der Ein-Yard-Linie. Die Uhr tickte und so ziemlich jeder im Stadion und vor den Fernsehern dürfte sich in dem Moment gefragt haben, warum Belichick keine Timeout seinerseits nahm. Lynch würde gleich scoren und dann braucht man Zeit für einen erneuten Gegenschlag. Doch Belichick blieb stoisch stehen und scannte die andere Seitenlinie. Und auch dort schien etwas Verwirrung zu herrschen, warum Belichick die Zeit nicht stoppte.

In Saisonrückblicken 2014 kam zur Sprache, dass New England genau diese Situation akribisch trainiert hatte. Belichicks langjährige rechte Hand, Taktik- und Regel-Fuchs Ernie Adams, hatte auf irgendwelchen Gametapes der Seahawks das Goal-Line-Personal gesichtet, das die Seahawks nun auch aufs Feld schickten. Die Reaktion darauf: ein dritter Cornerback, den man an der Goal Line in der Regel nicht erwarten würde.

"3 Corners, Malcolm Go!"

Jener war Malcolm Butler, den Belichicks Assistenten dann auch aufs Feld schickten. "3 Corners, Malcolm Go!"

Zum Schock aller bekam Lynch eben nicht den Ball. Stattdessen versuchten die Seahawks ein Pick Play samt Pass auf Ricardo Lockette in die Endzone. Butler jedoch, der bei diesem Play im Training geschlagen wurde, war schneller als Lockette und schnappte sich die Interception an der Goal Line. Das Spiel war vorbei, die Patriots zum vierten Mal Super-Bowl-Sieger. Zehn lange Jahre nach dem bis dahin letzten Triumph dieses Franchise.

Brady zog mit Montana und Bradshaw gleich, wurde zudem zum dritten Mal Super Bowl MVP (wie Montana) und Belichick egalisierte den Rekord von Steelers-Legende Chuck Noll. Die Dynasty ging weiter und sollte erst 2019 - nach zwei weiteren Titeln und drei Super-Bowl-Teilnahmen - ein Ende finden. Die Seahawks-Dynasty hingegen kam nie zustande. Sie kamen seither nicht mehr aus der Divisional Round der Playoffs hinaus.

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