Marvin Harrison Jr. gilt in bestimmten Kreisen als bester Spieler der Draftklasse von 2024 in der NFL. Dennoch bleibt er ein Mysterium und sein Trikot weiterhin nicht verkauft. Doch wie kam es dazu und wie wird es weitergehen in dieser heiklen Geschichte?
Wie Cardinals-Fans sicher bemerkt haben, kann man kein Trikot oder andere Fan-Artikel mit Harrisons Namen darauf erwerben. Der Grund dafür ist auf den ersten Blick durchaus kurios: Der vierte Pick des NFL Draft 2024 hatte schlicht noch nicht den Gruppenlizenzvertrag mit der NFLPA unterschrieben, der die Vermarktung seines Namens und seiner Person insgesamt ermöglicht. Mittlerweile jedoch hat er seinen Rookie-Vertrag mit den Cardinals unterschrieben, in dem auch die Lizensierung für Fan-Artikel seitens der NFLPA verankert ist.
Und dennoch bleibt es derzeit dabei, dass sein Trikot wie auch andere Fan-Artikel weder im offiziellen NFL-Shop noch bei Fanatics oder dem Team-Shop zu finden sind. War man etwa von der Unterschrift überrascht? Oder ist dies eine Art Retourkutsche durch den Fan-Artikel-Händler? Grund dazu hätte Fanatics in jedem Fall.
Warum Harrison zuvor nicht den üblichen Vorvertrag mit der Gewerkschaft unterschreiben wollte, ist nicht so leicht zu erklären. Auch eine Klage gegen den 21-Jährigen durch den Sportartikelhändler Fanatics dürfte jedoch eine Rolle spielen, die die Sachlage auch weiter verkompliziert.
Doch beginnen wir am Anfang: Grundsätzlich ist es üblich, dass Spieler, die in die NFL kommen, einen Standard-Vertrag mit der NFLPA unterzeichnen, damit Fan-Artikel von ihnen vermarktet werden können. Ganz oben auf der Liste dieser steht natürlich das Trikot, in diesem Fall das der Cardinals mit der Nummer 18. Zudem wird hierdurch ein Mitwirken des Spielers im alljährlichen Madden-Videospiel ermöglicht. Da Harrison sich jedoch weigerte, einen solchen Deal wie üblich schon im Vorfeld des Draft zu unterschreiben, schauten Fans in die Röhre.
Harrison Jr.: Das Beste für sich selbst tun
"Ich werde weiter mit meinem Team reden. Von nun an tun wir das, was das Beste für mich ist", sagte Harrison noch im April. "Ich schaue jetzt von Tag zu Tag. Ich wurde gerade erst gedraftet, also versuche ich, den Moment zu genießen und so lange wie möglich glücklich zu sein."
Das allerdings ist nicht die einzige Sache, mit der Harrison in dieser Offseason auffällig wurde. Er verzichtete bereits beim Combine im Februar auf die Trainingseinheiten und Untersuchungen sowie Messungen. Mehr noch: Er ließ sogar seine Presserunde sausen.
Der Sohn von Hall-of-Fame-Wide-Receiver Marvin Harrison macht die Dinge, wie er sie für richtig hält. Er hat entsprechend auch keinen Agenten und ließ sich unter anderem bei Verhandlungen mit Fanatics von seinem Vater vertreten.
Und hier kommt dann die Klage des Unternehmens ins Spiel. Vor wenigen Tagen nämlich reichte Fanatics eine Klage gegen MHJ ein, weil dieser trotz eines gültigen Vermarktungsvertrags "seinen Pflichten nicht nachkam", wie es in der Klage heißt. Seitdem es Collegesportlern gestattet ist, NIL-Deals (Name, Image, Likeness) abzuschließen und legal für ihre sportlichen Leistungen bezahlt zu werden, ist Fanatics eines der Unternehmen, die an dieser Front sehr aktiv sind.
Harrison Sr. bestreitet Vertrag
Laut der Klage einigte man sich mit Harrison im Mai 2023 auf einen Vertrag, der über den Standard-Deal, den Fanatics seit einiger Zeit mit namhaften Collegesportlern eingeht, hinausging. Details dazu sind zensiert und damit nicht bekannt. Doch soll es sich um einen Lizenzvertrag für Fan-Artikel und Memorabilia gehandelt haben, der laut "ESPN" mehr als eine Million Dollar wert gewesen sei. Der Deal lief offenbar bis zum April 2024.
Der Streitpunkt ist nun, dass sich Harrison trotz mehrerer Aufforderungen nicht an seine Aufgaben im Vertrag gehalten habe. Was dies genau bedeutet, ist ebenfalls zensiert und nicht bekannt. Harrison Sr. jedoch handelte den Deal nach offenbar harten Verhandlungen aus und beide Seiten unterzeichneten ihn Mitte Mai 2023. Zudem behauptet Fanatics in der Klageschrift, dass Harrison Sr. noch im Vorfeld des Draft 2024 eine Kopie des Vertrags verlangte. Nach Erhalt erklärte jener dann jedoch, dass es keinen Deal mit der Firma gebe. Fanatics fordert ein Geschworenengericht und beziffert den entstandenen Schaden auf "Millionen von Dollar".
Das Ende davon ist offen, suggeriert jedoch, dass Harrison Jr. generell nicht abgeneigt scheint, wenn es darum geht, dem System zu widersprechen. Ob das nun etwas Gutes ist, sei speziell im Fall eines mutmaßlichen Vertragsbruchs dahingestellt, aber immerhin zeigt er, dass man sich eben nicht beugen muss, wenn es um besagten NFLPA-Vertrag geht.
Jener bringt Spielern per se nicht allzu viel ein. Der Basisbetrag für jeden Spieler aus diesem Vertrag lag laut "The Athletic" im Vorjahr bei gerade mal 30.000 Dollar an Tantiemen. Spieler, die letztlich aber mehr Trikots oder andere Fan-Artikel als der Durchschnitt verkaufen, erhalten entsprechend auch mehr Geld aus diesem Deal. Top-Pick Caleb Williams etwa stellte noch am Draft-Abend einen Fanatics-Verkaufs-Rekord auf und dürfte entsprechend davon finanziell profitieren.
NFL: Ein zweiter Fall Arrington?
Harrison allerdings schienen diese Bedingungen nicht auszureichen. Eine Rolle dürfte auch spielen, dass Fanatics Medienberichten zufolge besagte Standard-Verträge mit Collegespielern auch dazu nutzt, bei Anschlussverträgen mit Leuten, die es in die Profiligen schaffen, dann günstigere Konditionen auszuhandeln. Genaue Details sind auch hierzu unter Verschluss, lassen jedoch darauf schließen, dass Fanatics vielleicht nicht mit der besten Absicht für die Spieler agiert.
Harrison ist indes kein Einzelfall. Ein gewisser LaVar Arrington, ein früherer Linebacker und der zweite Pick insgesamt im Draft 2000 von Washington, weigerte sich auch Jahre später noch, diesen Vertrag zu unterzeichnen.
Durch die Unterschrift unter seinem Rookie-Vertrag ist das Thema aus NFL-Sicht nun zumindest mal abgeschlossen, da wohl auch als Folge der Arrington-Situation NFLPA-Vermarktungslizenzen mittlerweile Teil des Standard-Rookie-Vertrags sind, der seit 2011 unter anderem auch regelt, wie viel Geld ein Spieler je nach Draftposition insgesamt erhält.
Die Frage bleibt jedoch, warum es immer noch keine Trikots von Harrison zu kaufen gibt. Weigert sich nun etwa Fanatics, die begehrten Nike-Trikots zu fertigen und zum Verkauf anzubieten, weil man noch auf die Erfüllung von Harrisons Teil der Vertragspflichten wartet, weshalb es zu besagter Klage kam? Unprofessionell wäre dies schon, aber ausschließen sollte man es nicht.
Was Harrison selbst betrifft, sollte derweil klar sein, dass er kein gewöhnlicher Spieler sein wird. Ob das nun zum Vor- oder Nachteil für ihn und sein Umfeld wird, dürfte in jedem Fall spannend zu beobachten sein. Die NFL jedenfalls dürfte es freuen, denn echte "Typen" sind leichter zu vermarkten als die eher unauffälligen Zeitgenossen.
Marcus Blumberg




































