Mehr als 250 Rookies kommen jedes Jahr in die NFL, manche mit viel Hype und hohen Erwartungen, andere eher unter dem Radar und mit nicht mehr als einer Backup-Rolle zum Start. Die Narrative rund um die neuen Talente können sich jedoch schon nach wenigen Wochen verändern.
NFL-Experte Adrian Franke hält euch auf dem Laufenden: Ein Mal pro Monat kürt er für sport.de seinen Rookie des Monats und erklärt, welchen Youngster man besonders im Auge haben sollte. Los geht’s mit dem Fazit nach der Preseason.
Der vergangene Draft bot Quarterbacks fast wie in einer Art Massenproduktion: Elf Quarterbacks wurden in den ersten 150 Picks ausgewählt, ein Draft-Rekord. Zwölf waren es in den ersten fünf Runden, insgesamt wurden 14 Quarterbacks gepickt.
Klare Starter sind zum Start der Regular Season nur derer drei. Und spätestens ab Hendon Hooker, den Detroit in der dritten Runde pickte, spricht man über Backups. Also über Quarterbacks, die perspektivische Projekte sind, oder auch über junge Prospects, bei denen man hofft, die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen gefunden zu haben.
Ziemlich genau in der Mitte dieser Gruppe war Aidan O'Connell. Die Raiders wählten O'Connell mit Pick Nummer 135 aus, sieben Quarterbacks gingen vor ihm, sechs nach ihm. Als zeitnahen Starter dürften ihn auch innerhalb der Liga nur wenige eingeschätzt haben.
NFL: O'Connell zeigt sich von seiner besten Seite
Und das nicht zufällig. O'Connell hatte in seinem College-Tape nicht wenige Momente, in denen er zwischen Genie und Wahnsinn schwankte. In seinen negativen Momenten klebte er entweder an einem Read oder er ging ein viel zu hohes Risiko mit seinen Pässen ein - in den positiven Momenten dagegen glänzte er mit gutem Pocket-Verhalten und feuerte den Ball entweder präzise über die Mitte oder legte Big Plays mit gutem Touch auf.
Nun sollten drei Preseason-Auftritte - O'Connell hatte insgesamt 64 Dropbacks, verteilt auf die drei Preseason-Spiele gegen San Francisco, die Rams und die Cowboys - keine Draft-Analyse über den Haufen werfen. Aber es war auffällig, dass bei O'Connell in der Preseason die positiven Aspekte seiner Pre-Draft-Analyse alle zu sehen waren, während er die negativen Punkte weitestgehend komplett ausblenden konnte.
Was sofort ins Auge springt, ist O'Connells Bereitschaft, präzise durch die Pocket zu arbeiten. Der Dropback ist gut getimt, er setzt seine Füße neu und zeigt souveräne Beinarbeit, er ist selbstbewusst bei Pässen über die Mitte; etwas, womit manche erfahrene Quarterbacks manchmal auch nach Jahren noch Probleme haben.
Und auch hier gilt der Preseason-Disclaimer: Defenses sind insbesondere in ihren Coverages und ihren Post-Snap-Rotationen in der Preseason deutlich simpler unterwegs. Auf der anderen Seite sehen wir auch hier insbesondere junge Quarterbacks, die damit Probleme haben.
Gefahr für "Jimmy G" ?
O'Connell zeigte vom ersten Spiel weg, dass er die Crosser gegen Single-High-Coverage findet und attackiert, was der Offense schon eine angenehme Baseline geben kann - und was im Übrigen eine Spezialität von Jimmy Garoppolo ist, der für die Raiders starten wird - aber auch eine gut dokumentierte Verletzungshistorie hat.
O'Connell bekam im ersten Spiel gegen die Niners einige offene Würfe. Gegen die Rams traf er die gleichen Würfe auch in engere Fenster. Einer der eindrucksvolleren Pässe seiner Preseason kam mit noch 11:37 auf der Uhr im vierten Viertel gegen L.A., als er den Ball über den Linebacker und zwischen zwei tiefere Verteidiger perfekt zum Receiver platzierte.
Dass O'Connell Garoppolo in dieser Hinsicht vielleicht sogar zeitnah ersetzen kann, ist eine gute Erkenntnis. Doch der Rookie zeigte, dass er in einem Bereich vielleicht der Offense sogar mehr geben kann, nämlich bei den Big Plays: Der Shot gegen die 49ers nach außen mit noch 7:10 Minuten im zweiten Viertel war spektakulär. Gegen Dallas zeigte er mit noch 2:40 Minuten im dritten Viertel sein Ball Placement mit einem tollen Pass nach außen über den Corner.
Wie ein alter Hase in der NFL
Die Armstärke sah man bei einigen Out-Routes, aber es war die gesamte Souveränität, mit der O’Connell spielte, welche mir aus seiner Preseason in Erinnerung bleibt.
Unter allen Quarterbacks mit mindestens 45 Dropbacks in dieser Preseason lag O'Connell dabei auf Platz 2 in puncto durchschnittliche Target-Tiefe (10,1 Yards), es war also nicht so, dass er sich mit vielen Checkdowns rettete und seine Stats so aufhübschte.
"PFF" listet ihn als einen von nur vier Quarterbacks mit über 45 Dropbacks und ohne Turnover Worthy Play. Zusätzlich wurde nur aus einem seiner zehn Pressure-Dropbacks ein Sack.
Kurzum: O'Connell spielte aggressiv, ohne unvorsichtig zu werden, er zeigte Pocket-Verhalten wie ein Veteran-Quarterback und Präzision als ein roter Faden zog sich durch sein ganzes Spiel. Ob beim Dropback, beim Pocket-Management oder ganz direkt bei seinen Pässen.
Meistert O'Connell den gleichen schweren Weg wie im College?
Wenn in einer Woche die Regular Season beginnt, wird O'Connell erstmal auf der Bank Platz nehmen und in vier Wochen wird an dieser Stelle hier ein anderer Rookie im Mittelpunkt stehen. Für O'Connell ist das kein ungewohntes Bild: Aus der High School hatte er zunächst keine Division-1-Angebote, bis schließlich Purdue ihm eine Gelegenheit bot. Dort war er anfangs der neunte Quarterback in der internen Hackordnung, doch er arbeitete sich hoch, verdiente sich so ein Stipendium und schließlich den Startplatz.
Wenn die Preseason ein erster Hinweis auf das war, wie O'Connell sich entwickeln kann, gibt es ein reelles Szenario, in dem er sich auch in der NFL von einer relativ unbekannten Größe hin zu einem spannenden Starting-Quarterback mausert.
Adrian Franke



































