Die Équipe tricolore will ihr Albanien-Trauma besiegen und in Marseille nach Tagen der Hooligan-Gewalt für eine friedliche EM-Party sorgen. Im Stade Vélodrome wartet allerdings der vermeintliche Angstgegner. Und der schlägt auch jetzt wieder forsche Töne an.
"Dem Gastgeber eins auszuwischen, wäre natürlich auch geil. Das spukt in unseren Köpfen am ehesten rum", sagte Albaniens Abwehrspieler Mergim Mavraj vom 1. FC Köln vor dem Duell an diesem Mittwoch (21:00 Uhr). "Wir haben gezeigt, dass wir keine Angst vor großen Teams haben", sagte Amir Abrashi von Bundesliga-Aufsteiger SC Freiburg: "Ich denke, wir können ein positives Ergebnis erzielen."
Das gelang den Albanern in den vergangenen zwei Jahren schon zweimal gegen die Franzosen. Im November 2014 trotzten sie dem EM-Gastgeber ein 1:1 in Rennes ab, ein Jahr und zwei Tage vor dem Rendezvous in Marseille gewann Albanien 1:0 daheim. "Wir haben zweimal in zwei Jahren gegen sie gespielt und sie nicht geschlagen", erinnerte Deschamps, der wieder einen kompakten und gut organisierten Gegner erwartet. "Es wird ein schweres Spiel, aber wir haben eine Rechnung offen", betonte Mittelstürmer Olivier Giroud.
Vom Tiefpunkt zum Höhepunkt?
Die Niederlage vor einem Jahr war einer der Tiefpunkte in der bisherigen Deschamps-Ära als Trainer der Équipe tricolore. Lustlos, ideenlos - auch Payet, der neue fußballerische Nationalheld der Grande Nation, enttäuschte damals und wurde erstmal nicht wieder ins Nationalteam berufen. Nie schien der mittlerweile 29-Jährige weiter weg von der EM als an jenem Abend in Albanien.
Nie war Payet wichtiger für die Franzosen als jetzt, zumal die vermeintlichen Stars Paul Pogba und Antoine Griezmann gegen die wie Albanien defensiv starken Rumänen enttäuschten und wirkungslos blieben. Im Lager der Franzosen ist die Zuversicht aber groß, dass die beiden schnell in EM-Form kommen.
"Wir wissen, dass er zu Außergewöhnlichem fähig ist", sagte Mittelfeld-Mann Blaise Matuidi über Pogba. Am Sonntag hatte der Profi von Juventus Turin nicht mit der Mannschaft trainiert, sein Einsatz gegen Albanien soll aber nicht gefährdet sein. Griezmann fühlt sich gut und will weiter an sich arbeiten.
Deschamps probiert viel aus
Notfalls kann Deschamps - "Ich habe keine elf Spieler, ich verwalte Personal" - aber auch auf Bayerns Kingsley Coman zwei Tage nach dessen 20. Geburtstag zurückgreifen. Im Geheim-Training ließ der Franzosen-Coach jedenfalls nach Informationen der Sportzeitung "L'Équipe" schon mal ein 4-2-3-1-System ohne Griezmann und Pogba, dafür aber mit Coman und Anthony Martial auf den offensiven Außenpositionen und Payet in der Mitte, üben.
Das alles könnte viel Ungemach für die Albaner bedeuten. Zumal ihr italienischer Trainer Gianni De Biasi gegen die Hochkaräter der französischen Offensivabteilung auch noch auf Kapitän und Abwehrchef Lorik Cana wegen einer Gelb-Roten Karte aus dem Spiel gegen die Schweiz (0:1) verzichten muss. Um die Chance aufs Weiterkommen zu wahren, muss der EM-Debütant punkten.
Aus Sicht der unstrittig klar favorisierten Franzosen dürfte nicht nur der Sieg wichtig sein, die Art und Weise zählt. "Wir müssen mehr riskieren", meinte Matuidi. Gegen Rumänien schien der Druck die Mannschaft jeglicher Finesse und Courage beraubt zu haben. "Das wird im zweiten Spiel besser, ich mache mir da keine Sorgen", sagte Matuidi.