Die Überraschung saß: Enzo Millot vom VfB Stuttgart wechselt in die Wüste. Statt zu Atlético Madrid geht es nun zu Al-Ahli nach Saudi-Arabien. Das kann man machen, sportlich gesehen ist es aber eine große Verschwendung seines Talents.
Eines muss vorangeschickt werden: Enzo Millot kann wechseln, wohin er möchte. Es ist seine freie Berufswahl, sein gutes Recht. Das ist auch gut so.
Es liegt natürlich nahe, dass der nun fixe Transfer viel mit dem Thema Geld zu tun hat. Millot wird in Saudi-Arabien deutlich mehr verdienen als in Stuttgart und ziemlich sicher auch mehr als in Madrid, Tottenham oder bei Galatasaray. Gut für ihn.
Karriereknick statt Atletico-Boost
Und bei aller Kritik daran darf sich jeder Arbeitnehmer in ruhigen Momenten einmal selbst fragen, wie er mit einem so gigantischen Jobangebot umgehen würde. Nur das zu kritisieren, wäre zu billig. So ist das Leben – ganz einfach.
Aber:
Blendet man das unvermeidbare Gehaltsthema aus, bleibt der Kern: Ein 23-jähriger Ausnahmespieler wechselt vom deutschen Pokalsieger und Europa-League-Teilnehmer (live bei RTL und auf RTL+) NICHT zum spanischen Topklub und Champions-League-Vertreter mit großen Ambitionen, sondern in die (immer noch) deutlich weniger bedeutende Saudi Pro League.
Das schreit förmlich nach: Talentvergeudung.
Auch in Saudi-Arabien sind die Ambitionen riesig, klar. Al-Ahli wurde zuletzt Fünfter in der Liga und gewann 2024/25 sogar die asiatische Champions League.
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Das ist dennoch kein Vergleich zu Atletico oder zur europäischen Königsklasse, bei aller Liebe zu Cristiano Ronaldo, Theo Hernandez und wie sie alle heißen. Tatsächlich wechseln inzwischen häufiger jüngere Spieler wie João Félix, Moussa Diaby oder eben Millot nach Saudi-Arabien, um das Niveau dort zu steigern. Trotzdem: Al-Ahli ist eben nicht Atletico. Und wird es so schnell auch nicht.
Millot und Atletico, der technisch versierte Heißsporn unter Trainer-Vulkan Diego Simeone im kochenden Metropolitano-Stadion – das hätte gepasst wie die Faust aufs Auge. Und in Zeiten der durchorchestrierten "Karrierepläne" von Jung-Stars wäre das auch ein sehr sinnvoller, nachvollziehbarer Schritt gewesen: Sich in Madrid durchbeißen, ein noch größerer Star und Nationalspieler werden – so ungefähr hätte der Fahrplan lauten können. Dem Vernehmen nach wollte Millot auch zu einem europäischen Topklub und regelmäßig Champions League spielen.
Als Fußballfans hätte man Millot gerne im hitzigen Stadtduell gegen Real Madrid oder auswärts bei Barcelona gesehen – statt gegen Neom SC und Al-Ittihad.
"Zocker" Millot schaffte Durchbruch unter Hoeneß
Für die deutsche Liga ist der Transfer ohnehin ein Verlust. Enzo Millot ist einer der größten "Zocker" der Bundesliga. An guten Tagen überragt der Edeltechniker alle, tanzt die gegnerischen Reihen aus, liefert Assists oder Tore und ist ein emotionaler Leader. Ein gutes Beispiel war das 5:1 gegen den BVB in der Vorsaison, wo Millot der beste Mann auf dem Feld war.
An schlechten Tagen ging es auch mal in die andere Richtung. Körpersprache, Meckerei, Gesten, unnötige Karten – unter mehreren Trainern hatte Millot einen eher ambivalenten Ruf, bis ihm unter Sebastian Hoeneß mit etwas Verzögerung der Durchbruch gelang.
In den wichtigen Spielen war er fast immer da. Seine Tore und starke Leistungen im Relegationsspiel gegen den Hamburger SV, im Pokalspiel gegen Nürnberg 2023 (das erste Spiel von Hoeneß) oder im Pokalfinale 2025 belegen das. Millot lieferte.
Das machte ihn in den vergangenen beiden Jahren begehrt. Nebenbei spielte er sich in die französische U21-Nationalmannschaft und holte bei Olympia 2024 die Silbermedaille – dort führte er die Équipe Tricolore als Kapitän an.
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Immer wieder hieß es, Millot stünde kurz vor der Nominierung für die A-Nationalmannschaft. Bislang hat Nationaltrainer Didier Deschamps ihn allerdings nicht berufen.
Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis er den Sprung schafft. Millot galt als das nächste große Talent. Er liebäugelte gerne mit einer Rückkehr zu einem französischen Topklub - am liebsten zu PSG, seinem Lieblingsteam. Nun kommt alles ganz anders.
Millot-Deal ist ein Geschenk für den VfB Stuttgart
Dass er sich mit dem Wechsel in die Wüste keinen Gefallen tut, liegt auf der Hand. Die Chancen auf eine Nominierung für die Nationalelf dürften deutlich gesunken sein. In Al-Ahli steht er in Europa zu wenig im Fokus, zu schwach ist trotz der anhaltenden Spielerwechsel noch das Niveau der Liga – es fehlt schlicht das Schaufenster UEFA Champions League.
Für den VfB Stuttgart ist der Deal indes ein großes Geschenk. Da Millot eine Ausstiegsklausel im Vertrag hatte, wäre er bei einem Wechsel zu Atletico für rund 18 Millionen Euro gegangen.
Da diese Klausel aber für die saudische Liga nicht gilt, macht der Klub Berichten zufolge erheblichen Gewinn und verdient mindestens 28 Millionen Euro, mit Boni sogar mehr. Das sind also rund zehn Millionen Euro Zusatzgewinn. Geholt hatten die Schwaben ihn einst für 1,75 Millionen von der AS Monaco.
Wer weiß, vielleicht überrascht Millot alle, spielt in Saudi-Arabien so stark auf, dass Deschamps nicht an ihm vorbeikommt. Vielleicht ist Saudi-Arabien nur eine kurze Zwischenstation, ehe er doch noch Europa erstürmt. Vielleicht wird er aber auch rückblickend als Vorreiter gelten. Stand jetzt aber sieht es für einen Spieler, der mitten in der Entwicklung steht, eher nach einem Karriereknick als einem Sprung nach vorne aus.

































