Das kommende Formel-1-Rennen in Barcelona wird ein ganz entscheidendes. Beim Großen Preis von Spanien (live im Free-TV bei RTL) greifen neue Regularien für die Frontflügel, die ab sofort steifer sein müssen. Im Raum steht nun die Frage, wem das zugute kommt - und wem nicht. Und, ob das Thema vielleicht heißer gekocht wird, als es eigentlich ist. Die Meinungen darüber gehen auseinander.
Rein inhaltlich lesen sich die neuen Frontflügel-Vorgaben, die die Formel-1-Teams ab Barcelona erfüllen müssen, wenig aufregend. Sie lauten wie folgt: Bei einer vorab festgelegten Belastung dürfen sich die Flügel in der Vertikalen ab sofort nur noch um 10 statt bisher 15 Millimeter verbiegen, die seitlichen Elemente nur noch 3 statt 5 Millimeter. So weit, so klar.
Völlig unabsehbar ist, welche Auswirkungen diese zusammengerechneten 7 Millimeter am Ende haben werden. Viele Teams glauben: Die Kräfteverhältnisse könnten sich zwar nicht massiv, aber doch leicht verschieben. Und da die Abstände zwischen vielen Teams im Hundertstel-Bereich liegen, könnten diese kleinen Verschiebungen eben doch für ein "neues Klassement" sorgen.
Ferrari-Teamchef fürchtet "Performance-Reset für alle"
"Das Feld ist sehr eng beieinander. Wenn man das Potenzial des Autos um ein, zwei Zehntel verändert, ist das schon riesig", ist Ferrari-Teamchef Fred Vasseur überzeugt, der sagt: Barcelona wird vielleicht zu einem "Performance-Reset für alle".
Christian Horner stimmt zu. "Es wird eine Veränderung", glaubt das Red-Bull-Oberhaupt. In welchem Ausmaß, weiß aber auch er nicht. "Wie das die einzelnen Teams beeinflusst, ist unmöglich vorherzusagen." Möglich sei aber, dass "einiges Ungewöhnliches passieren" werde.
Kleine Änderung mit großen Auswirkungen?
Was Horner, Vasseur und vielen anderen Teamchefs Sorgen macht: Der Frontflügel ist für die Aerodynamik des Autos von elementarer Bedeutung. Im schlimmsten Fall hat er negative Auswirkungen auf den Reifenverschleiß oder den Abtrieb. Und wer hier verliert, fährt hinterher.
Sauber-Teamchef Jonathan Wheatley spricht von einem "Riesen-Unterschiedsmacher" und glaubt: "Es könnte die Reihenfolge verändern. Wenn man sich ansieht, wie eng es an der Spitze und im Mittelfeld zugeht, kann eine kleine Änderung wie diese große Auswirkungen haben."
Noch sind diese Prognosen jedoch nicht mehr als Kaffeesatz-Leserei. Möglich, dass sie eintreten. Möglich ist aber auch, dass alles bleibt wie gehabt.
Danner: Formel-1-Kräfteverhältnis bleibt gleich
RTL-Experte und Formel-1-Insider Christian Danner hält das zweite Szenario für wahrscheinlicher. Das Flügel-Thema und die entsprechenden Kontrollen gebe es schon seit Jahrzehnten. Dass die Vorgaben nun verschärft werden, "ist nichts anderes, als up to date zu bleiben. Ich glaube nicht, dass sich dadurch an der Großwetterlage der Formel 1 etwas verändern wird", sagt Danner im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de.
Bedeutet für den ehemaligen Formel-1-Fahrer: "McLaren ist vorne, Verstappen ist vorne, hin und wieder Mercedes und Ferrari. Ich glaube nicht, dass diese schärferen Tests große Veränderungen in der Startaufstellung oder überhaupt im Feld bewirken."
Was für Danners Einschätzung und gegen eine neue Hackordnung spricht: Die Änderungen der Vorgaben sind seit Monaten bekannt. Alle zehn Rennställe hatten ausreichend Zeit, um neue Flügel zu entwickeln und zu testen. In Danners Augen hat die FIA deswegen hier "fair" gehandelt, wie er im Interview betont.
Toto Wolff sieht noch keine neue Formel-1-Nahrungskette
Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff hält den Ball vorerst flach. Eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse will er noch nicht herbeireden und sagt lediglich: "Es wird ganz interessant werden, ob sich was verändert hat, ob irgendwer zurückfällt oder stärker wird." Ob die strengeren Vorgaben wirklich etwas ändern, "werden wir dann sehen", hält sich Wolff zurück.
Gut für ihn und Mercedes: Die Silberpfeile sind ein Stück weit vorbereitet. Schon in Imola war der neue Flügel am W16 montiert. Ob dieser den neuen Tests der FIA schon standgehalten hätte, verriet Technikchef Simone Resta aber noch nicht. "Das ist eine Frage für das Barcelona-Wochenende", wiegelte er nach dem Rennen in der Emilia-Romagna ab.
Warum ändert die Formel 1 die Vorgaben überhaupt?
Eine noch unbeantwortete Frage ist, warum die FIA die neuen Vorgaben überhaupt angeordnet hat. Das, so erläutert Christian Danner, sei nicht aus einer Laune heraus passiert, sondern sehr wahrscheinlich auf Initiative eines Teams, das an illegale Tricksereien der Konkurrenz glaubt und dieser durch eine Änderung des Regelwerks den Hahn zudrehen will.
"Solche Veränderungen passieren immer, wenn sich ein Team besonders laut beschwert. Dann wird von der FIA geprüft, ob man da mal hinschauen muss und die Beschwerde ernst nehmen kann. Wenn ja, gibt es eine technische Direktive. Damit wird festgelegt, wie was in Zukunft auszusehen hat", schildert der RTL-Experte.

Und welches Team steckt hinter der ganzen Sache? Das ist offiziell nicht bekannt. In Formel-1-Kreisen gilt Red Bull jedoch als "Beschwerde-Meister" der Königklasse. In diesem Jahr wird die FIA vom Verstappen-Team regelrecht mit Anfragen bombardiert, berichtete "Auto, Motor und Sport" vor wenigen Wochen.
Der Hintergrund: Horner und Co. versuchen mit allen Mitteln, dem McLaren-Geheimnis auf die Spur zu kommen. Sie wollen den MCL39 irgendwie ausbremsen. Verstappens Sieg in Imola könnte ein Hinweis darauf gewesen sein, dass sie Erfolg hatten. Spekulationen in diese Richtung gab es hinreichend. In Barcelona könnte sich zeigen, ob dieser Erfolg auch wirklich nachhaltig ist und die Formel 1 tatsächlich auf den Kopf gestellt wird.



