Der frühere Formel-1-Pilot und heutige RTL-Experte Christian Danner hat im exklusiven Gespräch mit RTL/ntv und sport.de auf die aktuellen Themen in der Königsklasse des Motorsports geblickt.
Wie lange hält der Geduldsfaden von Lewis Hamilton angesichts des schwachen Starts im ersten Viertel der Formel-1-Saison, verlässt der Brite Ferrari gar vorzeitig?
Wird Max Verstappen seine Ausstiegsklausel aufgrund der unbefriedigenden Performance des Red-Bull-Boliden nutzen und 2026 zu einem anderem Team wechseln? Und was ist von Mercedes-Youngster Kimi Antonelli noch zu erwarten?
Christian Danner gegenüber RTL/ntv und sport.de über ...
... einen möglichen vorzeitigen Rückzug von Lewis Hamilton:
Der Fall Hamilton ist eigentlich eher ein Fall Ferrari. Denn Charles Leclerc geht es ja nicht so viel anders als Hamilton. Leclerc fühlt sich im Team natürlich wohler, er ist dort seit langem zu Hause. Der Neuankömmling Hamilton hat natürlich Schwierigkeiten.
Das Problem ist: Die Gesamtperformance stimmt nicht. Genau deshalb kann man schon sagen, dass rund um Hamilton derzeit ein wenig Bewegung drin ist.
Denn Lewis ist zwar loyal, aber ich kann mir schon vorstellen, dass er drüber nachdenkt und sich fragt: Was soll ich hier eigentlich?

... über die Maßnahmen, die bei Ferrari nun nötig sind:
Die Sache ist ganz einfach: Bis zum Imola-Rennen muss sich etwas getan haben. Aus zwei Gründen: Einerseits am Auto. Es muss mehr Abtrieb her, mehr Haftung, mehr Grip, insgesamt ein schnelleres Auto.
Zweitens: Warum ist das abseits der sportlichen Weiterentwicklung in Imola so wichtig? Weil das Rennen vor den Toren Maranellos, vor der Haustür, im Ferrari-Land und damit vor den Augen der Tifosi stattfindet. Und irgendwann ist die Geduld genau dort zu Ende.
Ich glaube, es muss sich schnell etwas tun bei Ferrari. Denn das, was wir in Miami gesehen haben, war schon ein bisschen desaströs, man bewegt sich eher nach hinten als nach vorne.

... über die ganz besonderen Schwierigkeiten bei Ferrari:
Die Herangehensweise, bei Ferrari Probleme zu lösen, ist natürlich gänzlich anders als zum Beispiel bei einem englischen Team wie McLaren oder Mercedes.
Die Emotionen kochen hoch und auch wenn Teamchef Fred Vasseur das Ganze sehr gut unter Kontrolle hat, sehr gut steuert, sehr gut lenkt und auch die richtigen Entscheidungen in Vorbereitung hat, so ist es sehr, sehr schwierig, das Tagesgeschäft unter Kontrolle zu halten.
Entscheidend ist, dass man bei Ferrari jetzt nicht irgendwie Panik bekommt, sondern dass man ganz normal sagt: "Was war los? Wo hatten wir die Probleme und wie können wir sie lösen?"
... über einen vorzeitigen Wechsel von Max Verstappen und seine Ausstiegsklausel:
Ich glaube, da ist alles eigentlich schon längst wirksam. Max ist der einzige Mann im Fahrerlager, der überall hingehen kann und der auch jederzeit gehen kann.
Natürlich sind die genauen Vertragsdetails nicht für jedermann zugänglich, aber eine sogenannte Erfolgsklausel beinhaltet natürlich die technische Entwicklung des Autos, die Performance. Und hier kommt Red Bull derzeit einfach nicht mit mit Mercedes und McLaren.
In dieser Hinsicht hat Verstappen, glaube ich, jede Möglichkeit, jederzeit eine Entscheidung zu treffen. Ich denke aber, dass er im Moment gar keine Entscheidung treffen will, denn er wartet ab. Er schaut, wie sich das entwickelt.
Er ist in diesem Falle auf jeden Fall in der besseren Position, denn er hat Wochenende für Wochenende gezeigt, was er für ein klasse Mann ist.
.. über die Chancen von Red Bull, Verstappen über die Saison hinaus zu halten:
Das liegt einzig und allein an Max Verstappen, wie es da weitergeht. Er wird in dieser Saison abwägen, was im kommenden Jahr auf ihn zukommt. Auch dieses Jahr ist wichtig, er würde gern wieder Weltmeister werden, aber das kommende Jahr beinhaltet einen großen Reglementwechsel. Und da muss ihn Red Bull überzeugen.
Da muss ihm Red Bull zeigen, wie das Auto ausschaut, wie der Motor sich entwickelt, den sie ja gerade selbst bauen. Und wenn er dort das Vertrauen findet, kann er natürlich bleiben.
Seine Alternativen sind allerdings vielschichtig und ich glaube, das wird keine schnelle Entscheidung oder ein Schnellschuss. Max wird nachdenken, sich Zeit lassen und im richtigen Moment für ihn dann sagen: Ich bleibe oder ich gehe.
... über Verstappens Aussichten auf den WM-Titel:
Max Verstappen hat immer eine Chance auf den Titel, denn er ist ein herausragender Fahrer. Die Frage ist: Wird Red Bull weiter Fortschritte machen? Ein bisschen besser ist es ja schon geworden, aber für McLaren langt es noch bei weitem nicht.
Trotzdem würde ich Verstappen auf keinen Fall abschreiben in Sachen WM. Der bleibt dran bis zur letzten Möglichkeit, mit vollem Einsatz.
... über das Duell der McLaren-Piloten Oscar Piastri und Lando Norris und die fehlende Teamorder:
Das interne McLaren Duell ist natürlich wahnsinnig spannend. Das, was man in Miami gesehen hat, war vor allem: Norris hatte ein bisschen Pech in dem Kuddelmuddel am Anfang und Piastri ein bisschen Glück.
Aber davon abgesehen war sehr schön zu beobachten, wie sich die beiden an Verstappen vorbeigekämpft haben. Piastri war entschlossen, hat nicht lange gefackelt und zack, hat er ihn gehabt. Lando hat sich da ein bisschen festgebissen.
Jetzt muss man zu seiner Verteidigung sagen, er ist nicht der einzige, der sich an Verstappen mal festbeißt, wenn es ums Überholen geht. Denn der ist schwierig zu knacken. Aber das sind vielleicht die Unterschiede.
Vom reinen Speed her sind sie auf Augenhöhe und ich bin mir sicher, dass McLaren die beiden in den nächsten paar Rennen auf jeden Fall noch so weiterfahren lässt.
... über Mercedes-Youngster Kimi Antonelli, der in Miami überraschend die Sprint-Pole holte:
Das war sicherlich ein kleiner Vorgeschmack auf die Zukunft, denn Antonelli ist auf der Strecke in Miami zum ersten Mal gefahren. Es war ein Sprintwochenende, das heißt, er hatte nur eine einzige Stunde Zeit im Freien Training, um die Strecke zu lernen, das Auto ein bisschen zu spüren. Da muss man schon sagen: Großes Kompliment, wie er sich da aus der Affäre gezogen hat.
Dass Russell letztendlich stärker war, ist klar. Russell ist eine echte Hausnummer. Dass Antonelli überhaupt so gut mit ihm mitkommt, zeigt, was da gerade für ein Supertalent heranwächst.
... über Aston Martins misslungen Saisonstart:
Aston Martin ist ein eigenartiger Fall. Auf der einen Seite hat man das Team ja mit sehr, sehr viel Geld hochgepimpt und hat jetzt die modernsten Dinge dort stehen, in der Nähe von Silverstone, was in der Formel 1 zur Konstruktion von solchen Autos vonnöten ist.
Man hat hervorragendes Personal: Andy Cowell als Chef, ein exzellenter Mann, erwiesenermaßen einer der besten überhaupt. Adrian Newey, der Ingenieur, ist sowieso ein Genie. Aber das braucht Zeit.
Da kann die Fabrik noch so gut sein, alle guten Leute brauchen ein bisschen Zeit, um sich einzuarbeiten. Und ein bisschen Zeit heißt nun mal leider auch, dass es noch dauern kann. Von heute auf morgen geht da höchstwahrscheinlich gar nichts.
Mehr dazu:
... über den kürzlich verstorbenen Jochen Mass:
Der Tod von Jochen Mass ist natürlich unendlich traurig. Jochen war ein großer Motorsportler, den ich sehr gut kannte, auch wenn er seine Karriere beendet hat, als ich meine begann. Er war ein Vollblutmotorsportler, der in allen Bereichen des Motorsports, auf der Langstrecke, im Tourenwagen-Sport, aber natürlich auch in der Formel 1 Großartiges geleistet hat.
Und was mich besonders traurig macht: Wir waren ja auch bei RTL eine Zeit lang Kollegen. Das ist einfach schade, dass solch ein Mann gehen muss. Ich war sehr traurig und sehr berührt.
Im Video: RTL-Team verabschiedet Jochen Mass emotional
Zur Person:
Christian Danner (67) schaffte 1985 mit dem Gewinn der Formel-3000-Europameisterschaft den Sprung in die Formel 1. Bis 1989 fuhr er in der Königsklasse für mehrere kleine Teams und errang bei 36 Grand-Prix-Starts vier WM-Punkte. Danach fuhr er in der US-amerikanischen IndyCar-Serie und avancierte zum ersten deutsche Rennfahrer, der in Formel 1 und IndyCar Punkte holte. In der DTM gewann Danner zwischen 1988 und 1996 fünf Rennen, 1997 zog er sich aus dem Motorsport zurück. Seit 1998 kommentierte der Bayer an der Seite von Heiko Waßer die Formel 1 bei RTL. Danner arbeitet als TV-Experte und Fahrsicherheitstrainer. Folgt Christian Danner auf Instagram!





