Tadej Pogacar ist mit einer Niederlage beim Amstel Gold Race in die Ardennen-Woche gestartet. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist futsch.
Tadej Pogacar hatte den großen Frustschluck offensichtlich bitter nötig. Nach seiner empfindlichen Sprintpleite beim Amstel Gold Race stieß der Radsport-Superstar auf dem Podest mit Mattias Skjelmose und Remco Evenepoel bitter lächelnd an.
Doch während die Rivalen das große Glas Bier des Rennsponsors ohne Anstandsnippen abstellten, kippte "Pogi" den halben Liter auf ex in den Rachen. Verpasste Siege wurmen den Slowenen - und die gibt es derzeit ungewohnt oft.
"Heute war einfach jemand schneller als ich", sagte der Weltmeister ratlos wie missmutig, nachdem er beim Auftakt zur Ardennen-Woche, die sich am Mittwoch mit dem Fleche Wallonne und am Sonntag mit Lüttich-Bastogne-Lüttich fortsetzt, hauchdünn hinter dem dänischen Überraschungs-Gewinner Skjelmose und vor dem wieder verblüffend starken Olympiasieger Evenepoel Zweiter geworden war: "Die Zielgerade war einfach fünf Meter zu lang."
Nun schert sich der beste Radfahrer der Welt im Normalfall weder darum, wie stark ein Kontrahent oder wie lange eine Zielgerade ist - Pogacar gewinnt im Regelfall unbeeindruckt wie ungefährdet. Doch in diesem Frühjahr - eine gute Nachricht für den Radsport - siegt der kannibalenhafte Dominator der Vorsaison nicht mehr nach Belieben. Bereits eine Woche zuvor hatte Mathieu van der Poel ihm bei Paris-Roubaix die Grenzen aufgezeigt.
Nach zwei Klassiker bleiben Pogacar
"Wenn Tadej wegfährt, fährt der Rest im Normalfall nur noch um Platz zwei. Und ich habe eben versucht, Zweiter zu werden", sagte Skjelmose, der den Sieg unter Tränen seinem kürzlich verstorbenen Opa widmete, einigermaßen ungläubig.
Beim wichtigsten Klassiker der Niederlande war Pogacar - das üblichere Prozedere - 40 Kilometer vor dem Ziel dem Feld davongefahren, besaß 50 Sekunden Vorsprung. Bislang war das Rennen in so einem Fall gelaufen. Diesmal aber fuhren Skjelmose und der Belgier Evenepoel, der nach der Rückkehr nach langer Verletzungspause fast schon auf Bestniveau fährt, wieder heran, und Pogacar gab den Fluchtversuch auf.
Nun wäre es unpassend, den Tour-Champion in die Krise zu reden. Bei seinen fünf großen Eintagesrennen in diesem Frühjahr gewann er zweimal furios (Strade Bianche, Flandern-Rundfahrt), wurde zweimal Zweiter (Roubaix, Amstel) und einmal Dritter (Mailand-Sanremo). Nur: Im gesamten Jahr 2024 gewann Pogacar bei elf Starts lediglich zweimal nicht - daran misst ihn nun die Radsportwelt. "Es wird schwer, das zu toppen", hatte er prophezeit.
"Pogi" ist einerseits ein schwerst lockerer Zeitgenosse, aber auch ungemein ehrgeizig. Und deshalb richtete er schon kurz nach dem österlichen Frustbier den Blick auf den "Fleche" und "LBL". Beide Rennen hat er im Vorjahr gewonnen, bei beiden ist er wieder Topfavorit. "Es werden schönen Klassiker, ich freue mich darauf", sagte er - mit Skjelmose und Evenepoel bekommt er es beide Male wieder zu tun.
Noch zwei Frühjahrsrennen - danach kann sich Pogacar sammeln für das Hauptduell: Bei der Tour im Juli muss er sich wieder mit Jonas Vingegaard auseinandersetzen. Des asketische Däne wird das "Amstel" verfolgt haben - ohne großes Bier, aber mit großem Erkenntnisgewinn.





