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"Ein Monat bleibt"

Skisprung-Hoffnungsträger bangt um Olympia-Teilnahme

Video: Experte: Skisprung-Saison endet mit Hammer
02. April 2025, 09:09

Für den italienischen Skispringer Andrea Campregher wäre eine Teilnahme an den Olympischen Spielen das Größte. Vor allem deshalb, weil jene im nächsten Jahr in seinem Heimatland stattfinden. Doch um die sportliche Qualifikation zu schaffen, braucht er vor allem eins: Finanzielle Unterstützung. Viel Zeit, um diese zu erhalten, bleibt ihm jedoch nicht mehr, wie er gegenüber sport.de schildert.

Es kommt nicht von ungefähr, dass man Italienern ein gewisses Maß an Temperament und Leidenschaft nachsagt. Im besten Fall wird man davon selbst begeistert und angesteckt, sich entziehen kann man nicht.

So ist es auch im Falle von Andrea Campregher, zumindest wenn man, wie er, etwas für den Skisprung-Sport übrighat. Der 24-Jährige bezeichnet sich selbst als "Amateur-Skispringer", obwohl er seinen Sport über alles liebt und im letzten und aktuellen Jahr Punkte im Weltcup und Sommer-Grand-Prix gesammelt hat – also in den Eliteserien des Skispringens.

Doch mit seiner Passion für diesen Sport ist er im Gastgeberland der nächsten Olympischen Winterspiele (!) ein Exot. "Auch wenn es zu den Sportarten mit den meisten Zuschauern in der Welt gehört, ist das Interesse in Italien gleich null", schildert er im Gespräch mit sport.de. Und das bringt gleich mehrere Probleme mit sich.

Italiener Campregher kämpft mit drei großen Problemen

Einerseits sind die Trainingsmöglichkeiten für ihn und seine Teamkollegen überschaubar – um nicht zu sagen aktuell nicht vorhanden, da die Schanzenanlage in Predazzo im Trentino nach wie vor für Olympia 2026 im Umbau ist. Hinzu kommt, dass die ohnehin begehrten Plätze in staatlichen Behörden oder beim Militär für Nischen-Sportarten noch rarer gesät sind. Und, dass auch aus der privaten Wirtschaft niemand auf die Idee käme, in Wintersportler zu investieren.

Alle drei Probleme sind so akut, dass sie aus Campregher immer öfter einen nachdenklichen um nicht zu sagen sorgenvollen jungen Mann machen, weil sie ihm das Ausleben seiner großen Passion so schwermachen.

Weil er im Weltcup nicht punkten konnte, wurde er in der zweiten Winterhälfte immer seltener berücksichtigt und trainierte daher zuhause – jedoch nicht auf der Schanze und das zu seinem Nachteil. "Wenn du in der Heimat bleibst und dort nur in den Kraftraum und nicht an deinem eigentlichen Sprung arbeiten kannst, ist es nahezu unmöglich, dass aus dir ein besserer Skispringer wird", verdeutlicht er die Dringlichkeit, dass die Schanzen wieder nutzbar wären.

Stattdessen musste der aus dem Veneto stammende Skispringer immer wieder in sein Privatauto steigen und ins Ausland fahren, um dort Sprungtraining zu absolvieren. Die Kosten für die Fahrten, die Hotelübernachtungen und die Nutzung der Schanzen blieben schlussendlich an ihm selbst hängen. "Ein oder zwei Mal wären ja kein Problem, aber wenn es jede Woche so ist, hat es keinen Sinn", stellt er klar.

Allein in diesem Winter hat er deshalb einen mittleren vierstelligen Betrag aus eigener Tasche zahlen müssen "und es wäre noch viel teurer geworden, wenn ich wirklich wie ein Profi trainiert hätte, wie es etablierte Weltcupathleten tun und die Kosten vom Verband bezahlt werden." Im Sommer sei dies noch der Fall gewesen, weil er dort permanent zur A-Mannschaft gehört hatte. Mit den ausbleibenden Resultaten verschärfte sich seine Situation jedoch.

Skisprung-Hoffnung erhält keinen Platz beim Militär

Wohlwissend, dass seine Formkurve nicht stetig ansteigen würde, hatte er sich bereits vor drei Jahren zum ersten Mal auf einen Platz beim Militär beworben, um ein festes Standbein zu haben und seinem Sport sorgenfrei nachgehen zu können. Zwei weitere Male tat er dies ebenso vergeblich, "und ich habe auch keine Begründung bekommen warum eigentlich", sagt er ernüchtert. "Es gibt keine festen Kriterien, um dort hineinzukommen, sondern das wird von Einzelpersonen entschieden. Aber wenn man sich anschaut, dass andere Sportler dort einen Platz bekommen, die Probleme haben, im Alpen-Cup (Nachwuchsliga in den Nordischen Skisportarten, Anm. d. Red.) unter die Top 30 zu kommen und ich trotz meiner Ergebnisse auf deutlich höherem Niveau nicht, verstehe ich es nicht", führt er aus.

Und auch an seinem Biss und seinem bisherigen Weg lassen sich keine Makel finden. "Ich bin super motiviert und bin mir auch sicher, dass ich noch viel besser werden kann, als ich es unter meinen aktuellen Rahmenbedingungen bin. Deswegen würde ich am liebsten noch Minimum fünf Jahre weiterspringen", sagt Campregher mit fester Stimme und Leuchten in dem Augen.

Zwar kam er erst mit 13 Jahren auf den kleinen Schanzen in Gallio, nur eine halbe Stunde vom Nordufer des Gardasees entfernt, zum Skispringen, entwickelte sich aber so gut, dass er sogar zwischen den Ausbildungszentren von Predazzo und Tarvisio wählen konnte. Schlussendlich entschied er sich für letzteres, "auch wegen der Nähe zu den Schanzen in Planica und Villach."

Campregher zwischen Olympia-Traum und Sinnfrage

Über diesen Weg möchte er sich für die Spiele in Mailand und Cortina qualifizieren, wofür ihm noch bis zum 18. Januar 2026 Zeit bleibt – wenn er dann überhaupt noch Skispringer ist. Denn angesichts seiner vor allem finanziell schwierigen Frage, "stelle ich mir die Sinnfrage", gesteht er offen. "Diese Ausgaben und diesen Stress für eine weitere Saison auf mich zu nehmen und am Ende vielleicht gar nicht dabei zu sein, möchte ich nicht", begründet er.


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Seine letzte Hoffnung ist nun, einen privaten Sponsor zu finden. Auch hier habe er sich größte Mühe gegeben: "Ich bin zu allen möglichen Leuten gegangen und habe gefragt, ob nicht eine Möglichkeit besteht, aber in Italien ist es unglaublich schwierig. Die Firmen haben keine großartigen Steuervorteile wie in anderen Ländern und der Wintersport ist super nischig. Wenn nicht zufällig die Besitzer eine genauso große Leidenschaft wie wir Sportler fürs Skispringen haben, haben sie kein Interesse."

Deswegen sei es "traurig, dass ich nicht mal ein Jahr vor Olympia ernsthaft darüber nachdenken muss, aufzuhören" und er wolle die Hoffnung auch noch nicht aufgeben, bekundet gegenüber sport.de aber: "Realistisch gesehen bleibt mir noch genau ein Monat, um jemanden zu finden."

Ein Monat also, um sich von seiner Leidenschaft anstecken zu lassen, damit er sich dieser zu seinem eigenen (finanziellen) Wohl nicht selbst entziehen muss.

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