Es ist ein Knall mit Ansage und womöglich nicht der letzte: Formel-1-Rennstall Red Bull Racing zieht die Reißleine und wird Liam Lawson nach nur zwei Rennen ins B-Team zurückversetzen. Damit beginnt das riskante Spiel aber nur von vorne, denn die Probleme des Neuseeländers werden auch dessen Nachfolger Yuki Tsunoda einholen.
Nicht einmal 100 Tage nach seiner Vorstellung als neuer Red-Bull-Fahrer ist die Zeit von Liam Lawson beim dominanten Formel-1-Team der letzten Jahre abgelaufen. Der Neuseeländer wird sein Cockpit nach Informationen von RTL/ntv und sport.de sowie anderer Medien mit sofortiger Wirkung verlieren. Offiziell ist das noch nicht, doch die Aussagen, die rund um den Großen Preis von China getroffen wurden, lassen keinen anderen Schluss mehr zu.
Lawson sollte sich darüber freuen. Sein Ruf hat nach nur zwei Rennen im RB21 schwer gelitten. Der Druck hat Spuren hinterlassen. "Er ist zu einem Bonsai-Format eines Formel-1-Fahrers geschrumpft", urteilt sport.de-Kolumnist Felix Görner über den angeschlagenen 23-Jährigen, der "fürchterlich auf die Nase gefallen ist", wie es der RTL-Experte ausdrückt.
Danner: "Es wird immer ein Verstappen-Auto bleiben"
Die große Frage ist: Wie konnte sich Red Bull dermaßen in Lawson täuschen? Niemand hatte erwartet, dass er mit Max Verstappen auf Augenhöhe fahren würde. Das versteht sich von selbst. Dass Lawson nun mehrfach die Rote Laterne spazieren fuhr, hatten Christian Horner, Helmut Marko und Co. allerdings nicht einkalkuliert.
"Das ist schlichtweg untragbar", findet nicht nur RTL-Experte Christian Danner, in dessen Augen Lawson für seine eigenen Ergebnisse nur zum Teil selbst verantwortlich ist. Er sagt: Auch Red Bull und Max Verstappen tragen eine Verantwortung, weil sie den zweiten Piloten in eine Lage versetzen, in der er fast nur scheitern kann.
"Auf der einen Seite zieht Verstappen in eine Richtung: Das Auto muss dies und das machen. Auf der anderen Seite hat bisher jeder andere Fahrer in die andere Richtung gezogen, was das Auto machen muss. Da wird man den goldenen Mittelweg nicht finden. Es wird immer ein Verstappen-Auto bleiben", beschreibt er das große Problem, das mit dem "Verstappen-Paket" einhergeht.
Red Bull richtet Formel-1-Boliden voll auf Verstappen aus
Auch Görner sieht den sprichwörtlichen Hund hier begraben. "Wenn man mit der Fahrzeugabstimmung von Max Verstappen nicht zurecht kommt, hat man keine Chance", erklärt er.
Verstappen bevorzugt bekanntlich eine stabile Front, mit der er schnell und hart einlenken kann. Mit einem leicht übersteuernden Heck ist er in seiner Komfortzone. Genau so baut Red Bull seine Formel-1-Wagen. Und genau das wurde in der Vergangenheit schon zahlreichen Fahrern zum Verhängnis. Entweder sie kommen mit dieser Tendenz des Autos klar, oder sie bekommen ein Problem. So wie jetzt Lawson.
Lawson-Aus verdient: "Die Formel 1 ist eine Leistungsgesellschaft"
"Er reiht sich in eine Reihe von talentierten Fahrern ein, die von der mächtigen Klasse von Verstappen zerquetscht werden wie eine Zitrone. Die Fahrer zerbrechen. Und Lawson zerbricht an der Klasse von Max Verstappen jetzt schneller als ein Kristall", erklärt Görner, der den Fahrerwechsel für die richtige Entscheidung hält.
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"Der Rauswurf ist verdient. Die Formel 1 ist eine Leistungsgesellschaft. Man muss auf Anhieb in einem bestimmten Bereich sein, ansonsten hat man keine Daseinsberechtigung mehr", sagt er.
Auch der Zeitpunkt ist in seinen Augen der richtige: "Weil man dadurch noch Möglichkeiten hat, in der Konstrukteurs-WM Punkte zu holen. Und weil Verstappen einen Wingman braucht. Und als Letzter hat man keinen Wingman, sondern einen gebrochenen Mann, der in einem Formel-1-Auto sitzt." Der Abstand zwischen den beiden Fahrern sei "zu eindeutig", ein Neuanfang alternativlos.
Tsunoda "wird Schwierigkeiten haben"
Für Red Bull ist allerdings auch der Neuanfang mit einem Risiko verbunden. Niemand weiß, wie sich Yuki Tsunoda neben "Super Max" schlagen wird. Niemand weiß, wie der Japaner mit dem RB21 klarkommt. "Der RacingBulls-Wagen ist einfacher zu fahren als unser", gab auch Verstappen in Shanghai zu bedenken und nahm Lawson damit ein Stück weit in Schutz.
Das grundsätzliche Problem bleibt unabhängig vom neuen Fahrer: Verstappen ist zu gut, der RB21 nicht gut genug. Eine Zwickmühle, die auch Tsunoda erstmal meistern muss. "Ob er sich damit [dem Aufstieg zu Red Bull Racing, Anm.d.Red.] einen Gefallen tut, ist eine ganz andere Frage, denn ich bin mir sicher, Tsunoda wird die gleichen Schwierigkeiten haben wie Lawson und auch wie Sergio Pérez im vergangenen Jahr", wird der Tausch für Danner kein Selbstläufer.
Das glaubt auch Görner. "Jetzt kommt die Nagelprobe: Was heißt es, neben Max Verstappen in so einem Team zu fahren? Man hat nur die Chance, wenn man knapp dahinter landet. Das sind meistens ein bis drei Zehntel." Viel größer dürfe der Abstand zwischen dem Niederländer und seinem neuen Wingman aber nicht sein, so der RTL-Experte.
Sollte auch Tsunoda an dieser Vorgabe scheitern, steht das Team vielleicht schon in wenigen Wochen vor dem gleichen Problem. Nur hätten sie dann niemanden mehr für einen weiteren Neuanfang in der Hinterhand.






