Nachdem sie einen Biathlon-Winter der Extraklasse in den Schnee gebrannt hatte und vor allem in Sachen Konstanz brillierte, war der Druck auf Franziska Preuß vor der Weltmeisterschaft in Lenzerheide enorm. Zehn Jahre nach dem Gewinn ihrer zuvor einzigen Einzelmedaille bei einer Großveranstaltung war Edelmetall eigentlich Pflicht: Preuß lieferte, holte sich Platz zwei im Sprint und die WM-Krone im Verfolgungsrennen. Zweimal Staffel-Bronze rundete das gelungene Bild ab, aufatmen kann Preuß trotzdem noch nicht.
Denn nach der starken WM ging die Jagd nach einem der "größten Träume" ihrer Karriere für Franziska Preuß nahtlos, aber leider weniger erfolgreich, weiter. Platz 15 im Sprint und Rang 13 im Jagdrennen von Nove Mesto lesen sich nicht gerade desaströs, waren im Vergleich zu der bisherigen Saison von Preuß und vor allem angesichts von zwei vierten Plätzen ihrer ärgsten Konkurrentin Lou Jeanmonnot ein herber Dämpfer für Preuß' nächsten großen Coup: den Gewinn des Gesamtweltcups.
Vor dem Weltcup in Tschechien lag die Deutsche im Kampf um das Gelbe Trikot noch mit 92 Zählern in Führung, vor den anstehenden Rennen im slowenischen Pokljuka sind es nur noch 36. Sorge bereitet allerdings vor allem ein Umstand.
Obwohl die deutschen Damen in Nove Mesto schnelle Ski unter den Füßen zu haben schienen, konnte Preuß in der Loipe nicht mit der Spitze mithalten. Im Sprint fehlten 42 Sekunden auf Ex-Langläuferin Anamarija Lampic und 30 auf Jeanmonnot, im Verfolger 52 auf die Schnellste und 37 auf Jeanmonnot.
Bedenkt man nun, dass sich Preuß und die Französin am Schießstand kaum etwas nehmen (91 zu 90 Prozent Trefferquote), ist der angestrebte Gewinn des Gesamtweltcups deutlich in Gefahr - zumal das warme Wetter und der dadurch sulzige Schnee in Pokljuka den stärkeren Läufern noch einmal verstärkt in die Karten spielen dürften.
Hinzukommt ein gerade im Biathlon nicht unwesentlicher Fakt: die Psyche. Preuß, die am Dienstag ihren 31. Geburtstag feierte, gab schon nach dem Sprint in Nove Mesto unverblümt zu, dass es "im Hinterstübchen rattert", völlig ungewohnte drei Fehler im ersten Liegendanschlag des Verfolgers untermauerten den Eindruck, dass die Rolle der Gejagten nicht gerade Kräfte freisetzt.
Biathlon-Krimi "um jeden Punkt"
Allerdings, kaum "war das Kind in den Brunnen gefallen" (O-Ton: Preuß), lieferte die DSV-Skijägerin wieder und betrieb mit drei fehlerfreien Einlagen noch wichtige Schadensbegrenzung. "Ich habe es geschafft, dass ich mich nicht hängen lasse und habe noch drei gute Schießen gemacht. Das nehme ich mit für nächste Woche", erklärte die Leitwölfin des deutschen Teams.
Nach Pokljuka mitnehmen, sollte Preuß auch einen Blick auf ihren bisherigen Traumwinter: In den bislang 16 von insgesamt 21 Einzelrennen fuhr sie zwei Siege ein, zehnmal landete sie auf dem Podium. Es ist der beste Winter der Karriere, der Deutschen, die in ihrer Karriere immer wieder als legitime Thronfolgerin der ganz großen DSV-Biathletinnen galt, aber ebenso beständig von ihrem Körper ausgebremst wurde.
Die Statistik dürfte Preuß eigentlich mehr als genug Selbstvertrauen verleihen, sich nach Martina Beck (02/02), Kati Wilhelm (05/06), Andrea Henkel (06/07), Magdalena Neuner (07/08, 09/10, 11/12) und Laura Dahlmeier (16/17) zur insgesamt sechsten deutschen Gewinnerin des gelben Trikots zu küren.
Bis dahin sind allerdings noch fünf Einzelrennen zu absolvieren, für die Preuß selbst längst die Marschrichtung vorgegeben hat: "Man kämpft um jeden Punkt". Los geht es am Donnerstag (11:30 Uhr im sport.de-LIVE-Ticker) mit dem verkürzten Einzel.
