Vor der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft noch krisengeschüttelt, mischen die deutschen Skispringer bei den Titelkämpfen von Trondheim wieder voll mit. Nach dem starken Ergebnis auf der Normalschanze machen dubiose Anzug-Vorwürfe gegen die DSV-Adler die Runde. Im deutschen Lager reagiert man äußerst gelassen – und verweist vielmehr auf die intensive Vorbereitung.
Material-Zoff hat im Skispringen irgendwie Tradition, man erinnere sich nur an Simon Ammans "krumme" Bindung bei Olympia 2010. Und so überrascht es Insider nicht wirklich, dass nach dem unerwartet starken Abschneiden der Deutschen beim Springen von der Normalschanze Schummel-Vorwürfe aufkommen.
Mit einem "monströsen" Anzug sei Karl Geiger auf Rang 4 gesprungen, ereiferte sich das polnische Portal "sport.pl". Der Wettkampf sei so zu einem "kompletten Skandal" geworden.
Sogar Polens Skisprung-Legende Adam Malysz beteiligte sich. "Irgendetwas stimmt hier nicht. Das ist doch offensichtlich. Es ist sehr seltsam", befand der Präsident des polnischen Ski-Verbandes im Gespräch mit der Sportzeitung "Przeglad Sportowy" und vermutete ein Schlupfloch im Anzug-Regelwerk. Zweifel von höchster Stelle.
Kern der Aufregung: Auf TV-Bildern war zu erkennen, dass sich an Geigers Anzug vor dem Anlauf eine Beule im Schritt bildete. Auch nach seiner Landung war diese zu erkennen.
Horngacher-Schützlinge trainierten nur auf Normalschanze
Der Deutsche Ski-Verband (DSV) spielt das mediale Spiel indes nicht mit, verweist auf Anfrage von sport.de auf das engmaschige Kontrollsystem des Ski-Weltverbandes FIS.
Alle Anzüge seien von den Regelhütern kontrolliert, nach erfolgreicher Musterung mit einem Chip versehen und bei jedem Wettkampf noch einmal kontrolliert worden, teilt der DSV mit.
Ähnlich hatte sich zuvor schon Karl Geiger selbst geäußert: "Ich hatte eine Inspektion und die habe ich bestanden", sagte er.
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Die Fakten – sie sprechen für Geiger und den DSV. Seit diesem Winter dürfen die Skispringer über die gesamte Saison insgesamt nur noch zehn Anzüge tragen. Die Anzüge der Springer werden an sieben Stellen mit Chips markiert, die eine eigene ID-Nummer haben. So soll ausgeschlossen werden, dass Anzüge im Saisonverlauf ausgetauscht werden.
Der DSV verweist auf die intensive Vorbereitung, die das Team von Bundestrainer Stefan Horngacher vor der WM in Trondheim absolviert habe. Man habe "den bisherigen Saisonverlauf" nicht ignorieren können und daher ausschließlich auf einer Normalschanze trainiert.
Hintergrund: Auf kleinen Schanzen wird im Weltcup nicht mehr gesprungen, sondern nur noch bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. In gewisser Weise sind die Karten auf dem kleinen Bakken neu gemischt, bisherige Kräfteverhältnisse nur noch bedingt tragfähig.
Stärke von "Kleinschanzen-Karl" keine Überraschung
Das starke Ergebnis der Deutschen sei nicht überraschend gekommen, heißt es von DSV-Seite. "Wir haben absprungstarke Athleten. Karl Geiger etwa hat nicht umsonst den Spitznamen Kleinschanzen-Karl", kommentiert Verbandssprecher Ralph Eder die Silbermedaille von Andreas Wellinger und Geigers vierten Platz.
Wellinger hatte schon bei der WM 2023 in Planica Silber von der Normalschanze gewonnen, Geiger sprang in Slowenien zu Bronze.
Man hoffe, durch den Trainings-Schwerpunkt Normalschanze die Krise der vergangenen Monate überwunden zu haben und mit dem Rückenwind der ersten Wettkämpfe in einen WM-Flow zu kommen, so Eder weiter.
Vor den Titelkämpfen in Norwegen waren die deutschen Skispringer der Konkurrenz im Weltcup teils deutlich hinterhergesprungen. Auf wesentlich größeren Schanzen – und mit kontrollierten Anzügen. Anzug-Vorwürfe gab es damals – wen wundert's – keine.