Der Traum von einer Medaille bei der Handball-WM 2025 ist krachend geplatzt. Für die deutsche Nationalmannschaft ist schon im Viertelfinale Schluss. Die Niederlage gegen Portugal zeigt die Versäumnisse, die sich schon im gesamten Turnierverlauf bemerkbar machten. Bundestrainer Alfred Gislason muss sich hinterfragen. Ein Kommentar.
"Ich schätze uns als die stärkste Mannschaft ein, ohne Frage. Das klingt vielleicht arrogant, aber das ist aus meiner Sicht so", hatte Alfred Gislason vor der Handball-WM 2025 dem "NDR" gesagt.
Eine Aussage, die dem Bundestrainer nach dem verlorenen 30:31-Verlängerungsthriller gegen Portugal vor die Füße fällt.
Für die "stärkste Mannschaft" sollte mehr als das Viertelfinale drin sein, die "stärkste Mannschaft" sollte durch eingeschworenen Teamgeist und eine siegessichere Körpersprache überzeugen.
Doch das war gegen Portugal gerade in der ersten Halbzeit nicht der Fall. Das DHB-Team trat teilweise ratlos auf, die Spieler warfen sich fragende Blicke zu.
Unbedingten Willen kann man Kapitän Johannes Golla und Co. im zweiten Durchgang zwar nicht absprechen, das Team kämpfte sich schließlich nach mehreren Rückständen zurück. Am Ende aber war Portugal galliger.
Vor allem spielten die Portugiesen befreiter und lockerer auf.
Bei Deutschland wurde jeder Angriff zum Krampf. Das untermauern die mickrigen neun Tore in der ersten Hälfte - nur fünf davon aus dem Spiel heraus. "Das war absolut katastrophal", analysierte Golla schonungslos in der "ARD".
Das Gislason-Team ließ Spielwitz in jeglicher Hinsicht vermissen, agierte ideen- und teilweise sogar kopflos. Es waren immer wieder erzwungene Einzelaktionen, die Deutschland im Spiel hielten. Über die Außen und den Kreis fand das Spiel kaum statt.
Auch in der Abwehr ließ man Portugal zu viel Platz. Dass 21 Paraden von Andreas Wolff, der gemeinsam mit seinem Torwart-Kollegen David Späth als einziger deutscher Spieler Topleistungen im Turnier zeigte, nicht reichten, spricht Bände.
Auch Gislason muss sich hinterfragen
Nach dem Aus muss sich Alfred Gislason hinterfragen. Hat der Isländer seinem Team immer den richtigen Matchplan mit auf den Weg gegeben?
"Sportschau"-Experte Johannes Bitter äußerte nach der Niederlage Zweifel: "Das ist ja gegen Portugal nicht zum ersten Mal passiert. Wir brauchen fast in jedem Spiel die ersten 20 Minuten, um überhaupt mal zu lernen und zu verstehen, was der Gegner macht. Da frage ich mich ganz ehrlich: Wo ist die Vorbereitung?"
Zudem wirkten Gislasons Ansprachen in den Auszeiten nicht immer glücklich. Statt den Spielern konkrete Anweisungen zu geben, sagte er zum Beispiel im Spiel gegen Portugal: "Hey Jungs, macht euren Job."
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Auch die Zusammenstellung des Kaders sollte bei der Analyse noch einmal unter die Lupe genommen werden. Zwar hat Gislason mit David Späth, Renars Uscins, Justus Fischer Nils Lichtlein und Marko Grgic auf zahlreiche junge Spieler gesetzt.
Doch warum fehlte zum Beispiel Tim Freihöfer von den Füchsen Berlin im Kader? Der Linksaußen erzielte in der bisherigen Bundesliga-Saison mehr Tore (110) als Lukas Mertens (33) und Rune Dahmke (34) zusammen.
Warum verzichtete Gislason zunächst auf eine echte Alternative für Renars Uscins im rechten Rückraum? Christoph Steinert war hauptsächlich für die Abwehr eingeplant, Nils Lichtlein für den Aufbau. Mit Franz Semper wurde zwar ein Ersatzmann nachnominiert, der 27-Jährige fiel aber nach nur einem Spiel wieder aus. So gab es kaum Entlastung für Uscins, der (zu?) viel Verantwortung trug.
Deutsches Aus bei der Handball-WM verdient
Insgesamt ist das Aus des DHB-Teams bei der Handball-WM verdient. Die Versäumnisse machten sich bereits im gesamten Turnierverlauf bemerkbar. Vollends überzeugen konnte Deutschland kein einziges Mal.
Nach dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen waren die Hoffnungen groß, dass erneut Edelmetall drin ist. Doch die Pleite gegen Portugal holte das Gislason-Team auf den Boden der Tatsachen zurück. Von der Weltspitze ist Deutschland weit entfernt.