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Turnerin Berger exklusiv

"Missbrauchsvorwürfe nur die Spitze des Eisbergs"

Video: Exklusiv: Turnerin Berger erneuert schwere Vorwürfe
08. Januar 2025, 06:59
sport.de
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Die deutsche Turnerin Janine Berger hat jüngst via Instagram Machtmissbrauch beim Deutschen Turner-Bund (DTB) öffentlich gemacht. Im exklusiven Interview mit RTL ist die 28-Jährige noch einmal ins Detail gegangen. Fassungslos macht sie, dass sich an den Strukturen bis heute nichts geändert hat. Noch immer leidet sie unter den Vorkommnissen.

Die deutsche Spitzenturnerin Janine Berger hat den mentalen Missbrauch durch ehemalige Trainer und Verantwortliche bis heute nicht vollständig überwunden. "Komplett abgeschlossen" sei der Prozess der Verarbeitung noch immer nicht, bekannte sie im exklusiven Gespräch mit RTL (Video öffnet sich oben). Seit mehreren Jahren schon nimmt sie professionelle Hilfe in Anspruch.

Die heute 28-Jährige hatte 2012 bei den Olympischen Spielen von London den vierten Platz belegt. Die verpasste Medaille habe sie rückblickend extrem "geprägt und belastet", so Berger. Von Seiten des Deutschen Turn-Bundes erhielt sie damals keine Unterstützung - im Gegenteil: "Mir wurde gesagt, dass der vierte Platz aufgrund meines Gewichts passiert sei."

Damals betrug ihr Körperfett gerade einmal acht Prozent.

Berger: Kritik am Gewicht wurde immer schärfer

Die Kritik an ihrem Gewicht, und waren es nur ein paar Gramm, wurde in den Folgejahren sogar "immer schärfer, sodass man wirklich selbst irgendwann glaubt, dass es stimmt", so die Turnerin. Berger wurde sogar die Streichung des Kaderplatzes und somit das Ende der Finanzierung angedroht, sollte sie ihr Gewicht nicht halten. 

Die Olympionikin berichtet: "Es gab dann Momente, in denen bin ich gesprungen und sobald es nicht wirklich perfekt war - und ich bin sehr perfektionistisch -, bin ich von allein auf die Waage. Und wenn die nur 300 Gramm mehr angezeigt hat, dann bedeutete das: Klar, die Trainer haben recht, kann gar nicht funktionieren." 

Berger rückblickend: "Es war dann wirklich so weit, dass mein Training oder mein Alltag aus Essen, Trainieren und Kotzen bestand."

Auch beim Thema Verletzungen fand Missbrauch statt. "Dir wird wirklich genauso wie mit dem Gewicht eingetrichtert, dass deine Schmerzen nicht bestehen. Es ist nur ein Gefühl und das kann man unterdrücken", so Berger, die klarstellte: "Aber zwischen hartem Training und Machtdemonstrationen und psychischem Missbrauch, da liegen gewaltige Unterschiede. Und ich finde, da gibt es keinen schmalen Grat. Das ist eine klare Grenze."

"Missbrauchsvorwürfe nur die Spitze des Eisbergs"

Vier Jahre nach den Olympischen Spielen von 2012 fiel Janine Berger nach einer schweren Verletzung dann in "ein tiefes Loch". Sie litt an einer "schweren Depression" und an Essstörungen. Nur mithilfe ihrer Familie, ihres Umfelds und der professionellen Hilfe habe sie diese Zeit überwinden können.

Angeführt von den früheren Auswahl-Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm hatten zuletzt mehrere Sportlerinnen Missstände vor allem am Stützpunkt in Stuttgart öffentlich gemacht. Auch Janine Berger prangert systematischen Missbrauch an und fordert nun endlich Konsequenzen.

Die niederschmetternde Erkenntnis der Sportlerin: "Wir wissen alle, dass die Missbrauchsvorwürfe nur die Spitze des Eisbergs sind. Das ist nicht ein einzelner Stützpunkt, sondern es ist normal in dieser Blase." Der Deutsche Turner-Bund und der im Zuge der Enthüllungen in die Kritik geratene Schwäbische Turnerbund hatten jüngst eine Untersuchung angekündigt.

Auch Pauline Schäfer-Betz prangert "systematisches Versagen" an

In der Debatte um die Missstände am Bundesstützpunkt Stuttgart prangert derweil auch Spitzenturnerin Pauline Schäfer-Betz ein "wiederholtes systematisches Versagen" an.

Es bleibe ein zentrales Problem, "dass die Personen, die für diese Missstände verantwortlich sind, durch das System gedeckt werden", schrieb die ehemalige Schwebebalken-Weltmeisterin bei Instagram. "Solange dies der Fall ist, wird es keine wirklichen Veränderungen geben."

Die 28-Jährige spielte auch auf eigene Erfahrungen an. Mit Schäfer-Betz an der Spitze hatten Sportlerinnen des Bundesstützpunktes Chemnitz Ende 2020 ihrer damaligen Trainerin Gabriele Frehse schwere Vorwürfe gemacht. Sie soll die Turnerinnen im Training schikaniert, Medikamente ohne ärztliche Verordnung verabreicht und keinen Widerspruch zugelassen haben.

Das ganze Interview mit Ex-Turnerin Janine Berger gibt es heute Nacht ab 0:25 Uhr im Nachtjournal-Spezial bei RTL zu sehen.

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