Volles Programm, aber kaum Interesse: Der russische Biathlon-Sport leidet seit Beginn der Saison unter einer massiven Zuschauer-Krise. Zu den Rennen kommen kaum noch Fans, die Tribünen sind regelmäßig leer. Selbst Olympiasieger und "Schönredner" Dmitry Vasilyev sieht das kritisch.
Seit dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine und dem dadurch bedingten Ausschluss durch die IBU hat Russlands Biathlon-Sport mehrere Versuche unternommen, den Betrieb aufrecht zu erhalten, das Interesse der Fans zu wahren. Es wurden neue Wettbewerbe geschaffen und zum Teil völlig neue Disziplinen eingeführt. Gelaufen wird bis heute, etwa im so genannten Commonwealth Cup, Fans aber kommen mittlerweile kaum noch zu den Events.
"Es gibt ein Problem. Das gibt es nicht zu verstecken", findet auch der zweimalige Olympiasieger Dmitry Vasilyev, der in der Regel nicht für kritische Aussagen über den russischen Sport bekannt ist. Am Niveau der Rennen, davon ist der 61-Jährige überzeugt, kann das verschwundene Fan-Interesse nicht liegen.
"Unsere Zuschauer sind bis zu einem gewissen Maß verwöhnt geworden. Sie wollen nur die absoluten Weltklasse-Athleten sehen. Unsere Athleten sind das, aber weil sie sich nicht mit anderen messen können, ist das Interesse nicht so groß", erklärte Vasilyev gegenüber "TASS", dass der fehlende Wettkampf mit den Norwegern, Franzosen, Schweden und auch Deutschen das größte Problem ist.
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Russlands Biathlon-Fans bleiben lieber vor dem TV
Zudem warf der heutige Funktionär den Fans auch noch eine gewisse Bequemlichkeit vor. "Die Wettbewerbe werden alle im Fernsehen gezeigt und manchmal wollen die Fans nicht in der Kälte stehen, wenn die Rennen im TV professionell kommentiert und alle Informationen gezeigt werden", so Vasilyev.
Losgetreten hatte die Diskussion über die Fan-Krise vor wenigen Tagen Langlauf-Olympiasiegerin Veronika Stepanova, die auf ihrem Telegram-Kanal schrieb, dass die Zuschauer-Zahlen bei Langlauf- und Biathlon-Events mittlerweile fast Richtung Null gehen. Wie Vasilyev ist auch sie der Meinung, dass dies nicht am Niveau der Wettkämpfe liegen kann, sondern andere Ursachen haben muss.
"Selbst im IBU-Cup ist es nochmal anders"
Biathletin Viktoriya Slivko ist sich da nicht ganz sicher. Sie sagte gegenüber "TASS", das Niveau des russischen Wintersports sei zwar nach wie vor sehr hoch. "Aber nur hier oder dort [auf der internationalen Bühne] zu laufen, ist ein großer Unterschied. Ich habe Erfahrungen gesammelt und selbst im IBU-Cup ist es nochmal anders."
Slivko vertritt, anders als etwa Vasilyev, auch die Meinung, dass es russische Sportlerinnen und Sportler nach ihrer Rückkehr auf internationale Bühne schwer haben werden. "Wir werden einige Zeit brauchen und nicht direkt bei der Spitze mit dabei sein", sagte sie angesichts eines Comebacks, das derzeit, wie auch ein Ende der Zuschauer-Krise, noch nicht absehbar ist.



