Dass ein Skispringer aus Norwegen nach Sponsoren sucht, ist im Jahr 2024 angesichts der Finanzprobleme des Verbands keine Seltenheit. Doch Halvor Egner Granerud suchte nicht nach Geldgebern für sich, sondern für die Para-Langläufer bei der WM in Trondheim. Und sein Aufruf, von dem die Veranstalter im Vorhinein nichts wussten, hatte Erfolg.
Das norwegische Skisprung-Team hatte beileibe glanzvollere Jahre als 2024. Nach den beiden enttäuschenden Großevents Vierschanzentournee und Skiflug-WM gab es auch noch einen internen Zwist mit Trainer Alexander Stöckl, der den Verband nach 13 Jahren Zusammenarbeit schließlich verließ.
Während der sportliche Trend am Saisonende wieder nach oben ging, sah es in den Finanzen düster aus. So düster, dass der Verband im Sommer bekanntgab, dass alle Mitglieder der Nationalteams 50.000 Norwegische Kronen (ca. 4.250 Euro) aus eigener Tasche zahlen müssten, damit die Finanzierung der neuen Saison gesichert sei. Diese Geldlücke wurde in der Zwischenzeit geschlossen, sodass die Athletinnen und Athleten doch nicht zur Kasse gebeten wurden.
Nordische Ski-WM integriert erstmals Para-Langlauf
Aber auch die Veranstalter der Nordischen Ski-WM in Trondheim mussten sich auf Geldersuche begeben, nachdem sie Mitte Mai beschlossen hatten erstmals in über 100 Jahren WM-Geschichte auch Para-Skilanglauf in das Wettkampfprogramm zu integrieren. "Diese Idee ist etwas völlig Neues, somit müssen sich die Dinge erst finden. Dazu gehört auch, dass wir zusätzliche Gelder brauchen", erklärte Ingvil Snøfugl, PR- und Medienverantwortliche der WM, gegenüber sport.de beim Forum Nordicum in Lenzerheide (Schweiz) Ende Oktober.
Im Programm sind zwei Wettkampftage für die Para-Sprints vorgesehen, nämlich der 4. beziehungsweise 5. März mit Prolog sowie Halbfinals und Finals in insgesamt sechs Wettkampfklassen für Männer und Frauen. Austragungsort ist das Grånasen Skicenter, in dem auch alle Wettkämpfe der Nordischen Ski-WM stattfinden – eben auch an diesen beiden Tagen.
Bis zuletzt war jedoch offen, ob und wenn ja wie viel Preisgeld es für die Medaillengewinnerinnen und -gewinner gibt. Genau aus diesem Grund wandte sich der zweifache Skisprung-Gesamtweltcupsieger Halvor Egner Granerud bereits am 9. Oktober mit einem Social-Media-Posting an die Öffentlichkeit.
"Das ist keine Wohltätigkeit, sondern ein Beitrag, um den Para-Sportlern den Respekt zu verschaffen, den sie im Grunde verdienen. Gleichberechtigung kostet, aber sie ist auch eine Investition. Schließlich sind wir im selben Team, egal ob wir Skispringen, Kombination, Langlaufen oder Para-Langlauf machen. Wir sind Kollegen, und wir müssen füreinander da sein. Deshalb hoffe ich, dass ein Unternehmen da draußen den Schritt wagt und helfen will, die Chancengleichheit in den Mittelpunkt zu stellen - denn gemeinsam können wir etwas bewirken", schrieb der 28-Jährige und bat um Hilfe und Vorschläge via E-Mail.
WM-Organisatoren überrascht von Graneruds Initiative
Granerud lebt seit Sommer 2019 in Trondheim, hat dort ein Haus gebaut und ist auch Botschafter der WM 2025. Somit läge es nahe, dass er den Aufruf im Namen der Organisatoren tätigte. Doch, wie Ingvil Snøfugl sport.de verriet, wusste man im WM-Büro nichts von dessen Eigeninitiative: "Wir haben erst durch seine Postings davon mitbekommen, mit uns hatte er das vorher nicht besprochen. Er hat es von sich aus gemacht."
Fast auf den Tag genau vier Wochen später vermeldete die PR-Beauftragte, dass die Sponsorensuche erfolgreich war. Insgesamt kamen eine Million Norwegische Kronen (NOK), also circa 83.530 Euro zusammen. Die Hälfte davon steuert der Internationale Ski- und Snowboardverband (FIS) bei, ein Viertel kommt von einer schwedischen Hotelkette und der Rest von norwegischen Unternehmen.
Somit erhalten alle Para-Weltmeister 60.000 NOK und die Zweit- und Drittplatzierten je 40.000 respektive 25.000 NOK.
Entsprechend glücklich äußerte sich WM-Chef Åge Skinstad: "Das Wichtigste für uns war, die Para-Athleten in die Meisterschaften einzubeziehen und sie auf die große Bühne zu bringen. Wir wollen, dass sie in Granåsen gleichberechtigt mit den anderen antreten und ihre Medaillen auf dem Torvet-Platz in Trondheim in Empfang nehmen können. Die Tatsache, dass wir ihnen auch ein gutes und anständiges Preisgeld geben können, macht uns sehr glücklich."
Graneruds Posting bringt den Durchbruch
Er und sein Team hatten bereits im Februar dieses Jahres versprochen, dass bei der Veranstaltung erstmals gleich viel Preisgeld für Männer und Frauen gezahlt wird, was es bis dato nur der Disziplin Skilanglauf gab.
Die Entscheidung zur Integration der Para-Sprints fiel jedoch danach, sodass "wir seitdem viele Gespräche mit potenziellen Sponsoren geführt haben", wie Snøfugl berichtete. Den Durchbruch hatte es erst nach Graneruds Posting gegeben, sodass sie sich im Gespräch mit sport.de zuversichtlich gab, "schon bald etwas verkünden zu können". Und so kam es.
Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen seien "dankbar, so einen großartigen Botschafter wie Halvor Egner Granerud zu haben, der sich schon seit einiger Zeit für soziale und nachhaltige Themen ein".
Granerud freut sich über Aufmerksamkeit
Auch Granerud freute sich, dass er mit seiner Aktion helfen konnte.
"Es ist großartig, dass wir hier in Norwegen die besten Para-Langläufer zu den Weltmeisterschaften einladen können, und ich hoffe, dass dies künftige Organisatoren motivieren wird, dasselbe zu tun", sagte er gegenüber sport.de und ergänzte: "Die Aufmerksamkeit, die diese Veranstaltung den Athleten bringt, die normalerweise im Schatten stehen, ist wirklich gut, und ich bin stolz darauf, dass mein Land und mein Verband sich sehr darum bemüht haben, dies zu ermöglichen."