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Legendärer Sieg vor 30 Jahren

Als Box-Opa Foreman sein Ali-Trauma überwand

Mit einer gewaltigen Rechten haute George Foreman Titelverteidiger Michael Moorer um
Mit einer gewaltigen Rechten haute George Foreman Titelverteidiger Michael Moorer um
Foto: © via www.imago-images.de
05. November 2024, 08:17

Vor 30 Jahren gelingt George Foreman eine Jahrhundert-Sensation. Mit fast 46 Jahren krönt sich "Big George" noch einmal zum Weltmeister im Schwergewicht - 20 Jahre nach seiner größten Schmach. Sein K.o.-Sieg in Las Vegas gegen Michael Moorer ist ein Comeback gegen jede Wahrscheinlichkeit.

Als Ringrichter Joe Cortez Schwergewichts-Weltmeister Michael Moorer am Abend des 5. November 1994 in Las Vegas in der zehnten Runde auszählte, fiel Jim Lampley nicht viel ein.

Der HBO-Kommentator sagte nur zwei Worte, die er direkt wiederholte – ganz so, als müsse Lampley sich und den Zuschauern diese Ungeheuerlichkeit, die da soeben im MGM Grand Hotel abgelaufen war, noch einmal bestätigen: "It happened, it happened!"

Passiert war folgendes: Der 45-jährige George Foreman hatte Titelverteidiger Moorer eine gewaltige Rechte an den Kinnwinkel gedroschen, die den ungeschlagenen Champion (26) zu Boden beförderte. Dort lag Moorer, Beine und Arme weit ausgestreckt, wie ein Käfer auf dem Rücken, der verzweifelt gegen sein Schicksal anstrampelt. Mit jeder Zahl brüllte Cortez unter dem Getöse der 14.000-Mann-Meute am Ring lauter: Acht, neun, zehn. Aus.

Während Lampley seine zwei Wörtchen fand, die Zuschauer freudig-schockiert weiter tobten, blickte George Foreman so erschöpft wie erlöst nach oben, sank auf die Knie und dankte seinem Herrn. Fast schien es, als habe ein gequälter Teil seiner Seele Foreman verlassen, als habe er den bösen Geist jener Oktober-Nacht vor 20 Jahren vertrieben.

Gegen Ali verlor Foreman den Titel und seinen Stolz

Am 30. Oktober 1974 hatte der Mann aus Texas seinen Weltmeister-Titel beim "Rumble in the Jungle" in Kinshasa (Zaire, heute Demokratische Republik Kongo) an Muhammad Ali verloren. Es war mehr als eine sportliche Niederlage für "Big George". Ali verputzte Foremans Stolz, das Ego des Kämpfers.

Der Gedemütigte fiel in ein Loch. Sinnkrise. Erst drei Jahre später hatte Foreman das Aha-Erlebnis seines Lebens: Nach einer Punktniederlage gegen Jimmy Young 1977 sei er in der Umkleidekabine zusammengebrochen und dem Tod nahe gewesen, berichtete der Boxer von einer göttlichen Erweckung.

Mit nur 27 Jahren hängte Foreman die Handschuhe an den Nagel und wurde Pfarrer der "Church of the Lord Jesus Christ". Die einst so schrecklich-böse Zertrümmerungsmaschine verwandelte sich in einen allseits geliebten, stets freundlichen Hirten.

Als Foreman 1987 das Geld für seine Herde ausging, zog er zurück in den Ring. Wirklich ernst nahm ihn kaum jemand. Zu gerne stellte der zu einem 120-Kilo-Brummer aufgeblasene Geistliche seinen Heißhunger auf Hamburger zur Schau, zu unsportlich wirkte er bei seinem Comeback.

Die Kritiker verstummten erst, als Foreman 1991 in einem spektakulären WM-Kampf den unbesiegten Titelträger Evander Holyfield in den roten Bereich trieb. Es schien wie ein letztes Hurra. Zwei Jahre später unterlag der Amerikaner seinem aufstrebenden Landsmann Tommy Morrison haushoch nach Punkten und kassierte die vierte Niederlage seiner Profikarriere.

Foreman erträgt Moorers Tracht Prügel

Dass Foreman Ende 1994 trotzdem eine Titel-Chance gegen Holyfield-Bezwinger Michael Moorer bekam, empfanden viele Fans und Experten als lächerliches Theater. Als "a gazillion to one" (eine Fantastillarde zu eins) bezifferte HBO-Analyst Larry Merchant die Chancen des Alten.

Dem in 35 Duellen unbesiegten Champion, mit 26 Jahren im Zenit seiner Schaffenskraft, gefiel der Witz freilich. Sieben Millionen Dollar Börse, um einen fast 46-jährigen Box-Opa zu vermöbeln – das klang nach einer so simplen wie verlockenden Rechnung. Neun Runden ging sie auf.

Wer sich den Kampf heute, 30 Jahre später, zu Gemüte führt, muss noch immer staunen. Runde für Runde deckt der 20 Jahre jüngere, agile Rechtsausleger Moorer seinen behäbigen Herausforderer mit Schlägen ein. Rechte Führhände und linke Aufwärtshaken prasseln auf den 250 Pfund schweren Foreman ein.

Aber: "Big George" erträgt die Prügel stoisch. Selbst die härtesten Treffer Moorers prallen wirkungslos an ihm ab. Foreman wirkt wie ein Bulle auf der Weide, den die nervigen Stiche einer Mücke nicht im Geringsten kratzen. Er lässt Moorer machen und wedelt beständig mit dem Schwanz, um den blutsaugenden Quälgeist zu beschäftigen.

Foreman wartet ab und schlägt zu

Er habe gewusst, ja sogar davon geträumt, dass seine Chance kommen würde, wenn er nur geduldig genug sei, sagte Foreman später in einer HBO-Dokumentation über die magische Nacht von Las Vegas. Irgendwann wäre Moorer reif – offen für eine seiner gefürchteten Schlagkombinationen.

Im MGM Grand läuft Runde zehn. Noch immer hat der Weltmeister den Kampf im Griff, nach Punkten ist das Ding längst gelaufen. Aber: Moorer ist auch etwas langsamer geworden. Wer will es ihm angesichts des Pulvers, das er gegen den Eichbaum aus Houston verschossen hat, verdenken?

Foreman sieht seinen Moment gekommen. Der Box-Opa erhöht die Schlagfrequenz, trifft Moorer mit einer Links-Rechts Kombination, die den Champion in eine Schockstarre versetzt. Die Beine wie festgefroren, verharrt Moorer im Trefferradar seines Kontrahenten. Wieder haut Foreman zu. Links. Rechts.

Es ist ein dumpfer Einschlag, der in Moorers Nervensystem ein Erdbeben auslöst. Die Verbindung zwischen Gehirn und Bein, zwischen Geist und Muskeln, bricht zusammen. Moorer geht k.o. Das vielleicht unglaublichste Comeback der Boxgeschichte ist perfekt.

"Du musst den Typ runter schicken!"

Es passte ins Bild, dass George Foreman an jenem Abend die gleiche rote Hose mit blauen Streifen trug, mit der er 20 Jahre zuvor in Kinshasa auf Geheiß des "Größten" Ringstaub gebohnert hatte.

Ebenso passte es, dass in Las Vegas mit Angelo Dundee ausgerechnet Alis Trainer von damals in seiner Ecke stand und dem verschwollenen, nach Luft japsenden Foreman vor dem Gong zur zehnten Runde folgenden Befehl ins Ohr raunte: "Du musst den Typ runter schicken, du liegst hinten, Baby!"

Mit 45 Jahren und neun Monaten krönte sich Foreman am 5. November 1994 zum bis heute ältesten Schwergewichts-Weltmeister der Geschichte. "One for the Ages" (Einer für die Geschichte) hatten die Promoter den Kampf am Las-Vegas-Strip im Vorfeld getauft, um den Boxfans Foremans eigentlich aussichtslose Mission schmackhaft zu machen. Die Strippenzieher ahnten ja nicht, was passieren würde.

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