Mit einem Drei-Stufen-Plan möchte der Ski-Weltverband FIS das Frauen-Skispringen auf ein neues Level heben. In nicht allzu ferner Zukunft sollen Männer und Frauen alle Weltcups am selben Ort bestreiten, auch bei der Vierschanzentournee gibt es Neuerungen. sport.de erklärt das Vorhaben und beleuchtet die Vor- und Nachteile.
Man übertreibt nicht, wenn man behauptet, dass der Skisprung-Renndirektor des Ski-Weltverbands FIS, Sandro Pertile, immer für eine Überraschung gut ist. Diesem Ruf wurde er beim 45. Forum Nordicum in Lenzerheide (Schweiz) gerecht: Der Italiener verkündete eine Entscheidung, die der Verband bereits im Frühjahr getroffen hat: Nämlich die Vereinigung von Männer- und Frauen-Skispringen zu einer gemeinsamen Serie, wie es auch in den FIS-Sportarten Skilanglauf und Nordische Kombination oder im Biathlon unter dem Dach der IBU der Fall ist.
"Wir erwarten uns davon, dass das Medieninteresse am Frauen-Skispringen in den kommenden Jahren noch weiter wächst und wir einige Kosten reduzieren", erläuterte er und begründet diesen Schritt damit, dass "wir als Verband das Potenzial auf Seiten der Skispringerinnen sehen und voll ausschöpfen möchten."
FIS sieht Drei-Stufen-Plan für Fusion vor
Dieses Vorhaben soll mittels eines Drei-Stufen-Plans umgesetzt werden. Der erste Schritt wurde bereits damit getätigt, dass das Mixed-Team-Springen beim Sommer-Grand-Prix-Finale in Klingenthal von den FIS-Offiziellen, die aktuell noch für die Männer zuständig sind, beaufsichtigt wurde. Im Winter folgen drei weitere Events dieser Art in Lillehammer (Norwegen), Willingen (Deutschland) und Lake Placid (USA), das der erste Ausrichter von Frauen-Weltcups auf dem amerikanischen Kontinent überhaupt sein wird. Insgesamt absolvieren die Skispringerinnen im Winter sieben ihrer 15 Stationen gemeinsam mit den Männern, was den FIS-Verantwortlichen dabei helfen soll, die beiden Serien auf administrativer Ebene zusammenzuführen.
Damit verbunden ist auch die Zukunft seines bisherigen Konterparts bei der Frauen-Serie, Chika Yoshida. Die Japanerin war in der letzten Saison noch mehr als ohnehin in die Kritik geraten, weil ihr es wiederholt nicht gelungen war, Ersatz für abgesagte Wettkämpfe zu finden, sodass sich im Springerinnen- und Trainerlager zunehmend Widerstand breitmachte. Mit dem nun vorgestellten Plan wird es ihre Position schon ab der Saison 2025/2026 nicht mehr geben, ihre Tage als FIS-Renndirektorin werden somit im Frühjahr 2025 gezählt sein – auch wenn Pertile dies in seinem Vortrag nicht erwähnte.
Ab der Olympia-Saison soll es nur noch ein festes Gespann an FIS-Offiziellen geben, die sowohl Männer- als auch Frauen-Wettkämpfe leiten. Zudem wird die Zahl der gemeinsamen Veranstaltungen auf zehn aus 17 erhöht, was die zweite Stufe des Plans darstellt.
Frauen-Vierschanzentournee kommt 2026
Der Kalenderentwurf der Saison 2026/2027 sieht die dritte und letzte Stufe vor, nämlich, dass dies die erste Saison ist, in der alle Orte gemeinsam bereist werden. Einhergehend damit versprach Pertile: "Dies wird die Saison sein, in der wir die Vierschanzentournee für die Frauen einführen." Diese wurde bereits im April 2022 für die Saison 2023/2024 angekündigt, jedoch ein gutes halbes Jahr später seitens des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) in Person von Präsidentin Roswitha Stadlober wegen "noch vielen zu berücksichtigenden Faktoren" in der Organisation auf "nicht vor 2024/2025" verschoben. Daraufhin führte der Deutsche Skiverband (DSV) mit der 2NightsTour eine Tournee in Garmisch-Partenkirchen und Oberstdorf ein, welche aber lediglich eine Übergangslösung darstellen sollte.
Wie die Verschmelzung von Männer- und Frauen-Skispringen im Detail funktionieren soll, wollte Pertile nicht verraten, wohlwissend, dass das Vorhaben mit einigen Herausforderungen gespickt ist. "Geschrieben auf Papier klingt es einfach, wenn wir festlegen, dass wir alle Orte gemeinsam bereisen. Es hat einen Dominoeffekt, weil die Zeitpläne der Veranstaltungen dichter werden. Aber wir arbeiten daran, neue Lösungen für die nächsten Saisons zu finden", so der 53-Jährige.
Auf die FIS warten große Herausforderungen
Für sein Team besteht die Herausforderung bei gemeinsamen Veranstaltungen vor allem darin, adäquate Start- und damit auch TV-Sendezeiten für beide Geschlechter zu finden. Gleichzeitige Wettkämpfe wären fortan nicht mehr möglich. Zudem wären bei wetterbedingten Verschiebungen oder Verzögerungen automatisch beide Geschlechter betroffen, wenn sie am selben Tag Wettkämpfe bestreiten sollen. Bei solchen Fällen mussten die Frauen zugunsten der Männer nahezu immer weichen. Es fällt schwer zu glauben, dass dies zukünftig nicht so sein wird.
Der Weltverband spart durch die Streichung von Offiziellen-Stellen freilich Kosten, doch für die Weltcup-Ausrichter fallen mehr Kosten für die Unterbringung und das Preisgeld an. Da die Veranstaltungstage länger und auch in der Anzahl mehr werden, kommen obendrein mehr Arbeitsstunden zusammen, weshalb auch mehr Helfer benötigt werden.
Diese Mehrkosten werden unweigerlich dazu führen, dass finanzschwächere Orte von einer Bewerbung für Weltcup-Veranstaltungen absehen werden und somit auch die aktuell noch vorhandene Vielfalt im Kalender verloren gehen wird. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Ort wie Ljubno ob Savinji in Slowenien, das im vergangenen Winter mit über 10.000 Zuschauern an einem Veranstaltungstag einen Rekord für einen reinen Frauen-Weltcup knackte, zukünftig noch Weltcup-Station sein wird.
Viele Fragen und Risiken
Auch bei der Größe der Schanzen würde sich Grundlegendes ändern: Während die Männer im Weltcup aktuell ausschließlich auf Großschanzen springen, herrscht bei den Frauen ein Gleichgewicht zwischen Normal- und Großschanzen – vor allem, um den jüngeren Athletinnen den Anschluss an die Weltspitze zu erleichtern. Somit sitzt man hier zwischen zwei Stühlen: Normalschanzen-Springen werden trotz der knapperen Ergebnisse von TV-Stationen und Fans als nicht besonders attraktiv angesehen, sind aber für die Wahrung der breiten Masse im Frauen-Skispringen essenziell und nicht in allen aktuellen Weltcup-Orten möglich.
So gut der Wille ist, das zweifellos vorhandene Entwicklungspotenzial des Frauen-Skispringens voll auszuschöpfen, so viele offene Fragen und auch Risiken birgt das bis dato bekannte Konzept in der Umsetzung. Pertile und Co. bleiben zwei Winter und drei Sommer, um es zu perfektionieren, ehe sie sich an Ergebnissen messen lassen müssen.

