Lindsey Vonn hat ganz genau hingeschaut. "Ich wünschte", schrieb die einstige Speed Queen zum Weltcup-Auftakt in Sölden mit dem vielbeachteten Comeback von Marcel Hirscher, "ich könnte persönlich vor Ort sein." Doch Vonn trainierte in Neuseeland - für ihre eigene Rückkehr?
Derzeit deutet alles darauf hin, dass es auch die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2010 noch einmal wissen will. Wie Hirscher nach fünf Jahren Pause, allerdings in der ungleich anspruchsvolleren Königsdisziplin - und das mit 40 Jahren und einer Knieprothese. Großartig für den Skisport, nennen das die einen - völlig verrückt, sagen die anderen.
"Wenn eine das unmöglich Anmutende schaffen kann, dann ist es die einzigartige Lindsey Vonn", sagte Felix Neureuther kürzlich dem Schweizer "Blick", doch auch der erfolgreichste Deutsche der Weltcup-Geschichte hat Zweifel.
Es sei "ein riesengroßer Unterschied, ob du im Slalom und Riesenslalom ein Comeback machen willst" wie Hirscher, sagte Neureuther in der Sendung "Blickpunkt Sport" im BR, oder in Abfahrt und Super-G wie Vonn: "Bei den Geschwindigkeiten, bei den Sprüngen mit einem künstlichen Kniegelenk, das ist schon tough."
Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg, die einst auf der anspruchsvollen Kandahar in Garmisch-Partenkirchen gewonnen hatte, könnte sich "eine Abfahrt so aus dem Stegreif nicht vorstellen". Auf Vonn warten Geschwindigkeiten von 120, 130 km/h, "du musst dich wieder total überwinden können", warnte Rebensburg.
Ski Alpin: Hat Vonn "einen Vollschuss"?
Olympiasieger Franz Klammer hat deshalb große Bedenken. "Wenn sie das (...) wirklich macht", sagte die österreichische Ski-Ikone über Vonns Comeback-Pläne, "hat sie einen Vollschuss".
Klammer fühlt sich an die Geschichte des legendären Bill Johnson erinnert, der nach seinem Abfahrts-Olympiasieg 1984 für die Spiele 2002 ebenfalls mit 40 noch einmal angriff, nach einem schweren Unfall aber zum Pflegefall wurde.
Doch Vonn scheint wild entschlossen und "bereit für ein neues Kapitel", wie sie verriet. Dabei war die 82-malige Weltcupsiegerin seit ihrem Servus 2019 alles andere als untätig.
Vonn machte einen Abschluss an der Harvard Business School, schrieb eine Autobiographie, gründete eine Produktionsfirma, hatte eine eigene TV-Show, war als Fernsehexpertin tätig, entwarf Skibekleidung.
Sie half, die Winterspiele 2034 nach Salt Lake City zu holen, stieg bei mehreren Firmen und Sportteams als Investorin ein und bezwang 2023 als erste Frau die Streif in Kitzbühel - noch mit kaputtem Knie.
Vonn war und ist eine Meisterin der Selbstinszenierung. Zu ihrem Geburtstag am 18. Oktober stellte sie ein Video mit Trainingsbildern ins Netz, in dem es heißt: "Der schnellste Weg, um herauszufinden, ob etwas klappt, ist, es auszuprobieren." Dazu schrieb sie: "Ich werde es nie bereuen und mir immer treu bleiben. Also könnte ich genauso gut ins kalte Wasser springen und loslegen!"
