Zu den Tennis-Meisterschaften von Wimbledon 2025 beerdigte der Grand Slam eine altehrwürdige Tradition: Erstmals kommen im All England Lawn and Croquet Club keine menschlichen Linienrichter oder Linienrichterinnen mehr zum Einsatz. Ein Umstand, der am Sonntag zu unerwarteten Problemen führte. Der Veranstalter reagierte nun.
Während des Achtelfinals zwischen der britischen Überraschung Sonay Kartal und der Russin Anastasia Pavlyuchenkova (6:7 und 4:6) setzte das so genannte Live Electronic Calling, das man auch aus dem Fußball unter dem Namen "Haw Eye" kennt, zeitweise aus. Nun kam ans Licht, dass das System durch "menschliches Versagen" im neunten Spiel des ersten Satzes deaktiviert wurde.
Den deutschen Schiedsrichter Nico Helwerth setzte man darüber freilich nicht in Kenntnis, was zu Tumulten führte. Nach einem Schlag Kartals ins Aus hatte Pavlyuchenkova das Spiel zum 5:4 eigentlich für sich entschieden, doch der Aus-Ruf blieb aus. Helwerth unterbrach die Partie - der Punkt musste wiederholt werden. Die Russin kassierte das Break zum 4:5, gewann das Spiel und den Satz letztlich zwar, zeigte sich verständlicherweise aber recht aufgebracht.
"Du hast mir das Spiel gestohlen", sagte die Weltranglisten-50 auf dem Platz. Später fügte sie versöhnlicher an: "Er hat mir nach dem Match gesagt, dass er den Ball im Aus gesehen hat. Ich dachte, dass er das dann auch sagt. Aber es war auch für ihn nicht einfach."
"Wir haben uns bei den betroffenen Spielern entschuldigt", teilte ein Sprecher des Turniers anschließend mit. Es habe sich um einen "menschlichen Fehler" gehandelt, der dazu geführt habe, dass das System "irrtümlicherweise für ein Spiel auf der Serverseite des Platzes deaktiviert worden sei".
Die Abkehr von menschlichen Referees an den Linien verkündete Wimbledon übrigens bereits im Herbst 2024, "Die Entscheidung, Live Electronic Line Calling bei den Meisterschaften einzuführen, wurde nach einer langen Zeit der Überlegungen und Beratungen getroffen", wurde Turnierdirektorin Sally Bolton damals auf "wimbledon.com" zitiert.
Bei den US Open schon 2006 im Einsatz
Und weiter: "Nachdem wir die Ergebnisse der bei den diesjährigen Meisterschaften durchgeführten Tests überprüft haben, sind wir der Meinung, dass die Technologie hinreichend robust ist und die Zeit reif ist für diesen wichtigen Schritt, um eine maximale Genauigkeit bei der Spielleitung zu erreichen. Für die Spieler wird es die gleichen Bedingungen bieten, unter denen sie schon bei einer Reihe von anderen Veranstaltungen auf der Tour gespielt haben."
Man nehme die Verantwortung "sehr ernst", auch in Wimbledon den Spagat zwischen "Tradition und Innovation" zu meistern. Wimbledon ist das älteste Grand-Slam-Turnier der Welt. Bereits 1877 wurde das erste Mal gespielt.
Im Tennis setzte man 2005 erstmals auf das von Paul Hawkins im Rahmen des Hopman Cups entwickelte System. Die US Open 2006 waren das erste Grand-Slam-Event mit Live Electronic Calling.
Es ist nicht das erste Mal, dass man in Wimbledon mit der Zeit geht. 2023 wurde bereits die "All-White-Regel" abgeändert. Ursprünglich war es den Spielern untersagt, etwas anderes als weiße Kleidungsstücke zu tragen. Seit 2023 ist zumindest bunte Unterwäsche gestattet.