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"Setze mir da keine Grenzen"

Exklusiv: Top-Läufer Pfeiffer will in Berlin angreifen

Hendrik Pfeiffer stellte im Januar in Houston seine Bestzeit auf
Hendrik Pfeiffer stellte im Januar in Houston seine Bestzeit auf
Foto: © IMAGO/Erik Williams
21. September 2024, 09:33

Hendrik Pfeiffer (31) ist einer der deutschen Hoffnungsträger beim Berlin-Marathon 2024 (29. September, ab 8:30 Uhr LIVE bei RTL und auf RTL+). Im exklusiven Interview spricht der deutsche Top-Läufer über seine wilde Vorbereitung, die Ziele beim Berlin-Marathon, eine mögliche Aussprache mit dem deutschen Rekordläufer Amanal Petros und warum er am Start immer noch mindestens so aufgeregt ist wie ein Hobbyläufer.

Herr Pfeiffer, Sie stecken mitten in der Endphase Ihrer Vorbereitung für den Berlin-Marathon: Wie ist die Form?

Hendrik Pfeiffer: Ich fühle mich gut. Ich hatte Anfang September noch den Härtetest beim Münster-Marathon. Da habe ich bis zum Halbmarathon die kenianische Spitze gepact. Das lief gut. Das habe ich letztes Jahr auch schon gemacht. Damals war das auch ein sehr gutes Signal. Und ich freue mich jetzt sehr darauf, dass es endlich in Berlin losgeht. Gerade jetzt zum Jubiläum ist es ein besonderes Rennen.

Sie waren auch im Höhentraining in Kolumbien und in Österreich. Was haben Sie sich davon versprochen?

Pfeiffer: Es war eine wilde Vorbereitung. Das lag aber vor allem auch daran, dass ich Ersatzläufer bei Olympia war und mich deswegen eigentlich auf zwei Höhepunkte vorbereiten musste. Also für das Olympia-Rennen, wo man relativ sicher vorher schon sagen konnte, dass es nichts wird - aber eben nicht ganz sicher. Und deswegen ist die die Herausforderung in dieser Vorbereitung innerhalb von kürzester Zeit zweimal in eine sehr gute Form zu kommen.

Sie haben von den deutschen Startern die schnellste Bestzeit – was ist Ihr Ziel in diesem Jahr?

Pfeiffer: Ich will auf jeden Fall wieder in solche Regionen laufen. Ob es jetzt tatsächlich noch mal zu einer neuen Bestzeit reicht, ist ein bisschen schwer zu sagen, weil ich jetzt vom Gefühl her gerne noch zwei, drei Wochen mehr Vorbereitung gehabt hätte. Ein Erfolg wäre alles unter 2:09:00 Stunden. Darüber würde ich mich freuen und ich werde versuchen, das wieder abzurufen. Meine zweitbeste gelaufene Marathonzeit war im vergangenen Jahr in Berlin eine 2:08:48. Die würde ich gerne unterbieten und werde alles dafür geben.

In der Top 10 der internationalen Starter für Berlin haben alle eine Zeit unter 2:06:00 Stunden stehen. Liebäugeln Sie trotzdem mit der Top 10?

Pfeiffer: Grundsätzlich sind Top-10-Platzierungen bei Majors immer schon ein Karriereziel gewesen. Ich habe es jetzt dieses Jahr in London tatsächlich schon erreicht. Aber ich würde es natürlich gerne wiederholen. Das ist immer etwas sehr prestigeträchtiges. Also ich lasse mich da jetzt nicht von der Konkurrenz einschüchtern, die dann vielleicht noch mal ein, zwei Minuten bessere Bestzeiten hat. Das heißt auch nicht viel. Wenn man seine PS auf die Straße bringt, dann kann man ziemlich viele schlagen, die auch höher eingestuft sind. Deswegen setze ich mir da keine Grenzen.

Ich glaube, dass es ein sehr hochwertiges Feld sein wird und es sicherlich auch Mitläufer geben wird. Das ist mir immer wichtig, dass man eben nicht alles alleine laufen muss. Dass man vielleicht auch mit einer echten Gruppe läuft, die auch bis ins Ziel durchgehen möchte.

Deutsche Läufer "auf Augenhöhe"

Wie schätzen Sie generell die Konkurrenz ein – international und national? Die ganz großen Namen wie Eliud Kipchoge sind diesmal nicht dabei.

Pfeiffer: International bietet das natürlich Chancen für Athleten, die vielleicht noch nicht ganz so sehr im Vordergrund sind. Das Feld ist schon tief. Und das sind eben die Athleten, die dann die Plätze einnehmen können von den ganz großen Leuten, die sich jetzt so langsam auch zurückziehen werden.

Und national ist das auch sehr reizvoll. Ich glaube, wir fünf – Filimon Abraham, Haftom Weldey Sebastian Hendel, Johannes Motschmann und ich - sind auf jeden Fall auf Augenhöhe. Und das wird auch spannend zu sehen, ob sie es sehr aggressiv angehen wollen auf die WM-Norm von 2:06:30 oder eher eine defensive Variante kommt. Das wird sicherlich auch schon am Start interessant, wie sich die Gruppen bilden.

Ist es Ihr Ziel, der schnellste Deutsche im Ziel zu sein?

Pfeiffer: Ich werde natürlich versuchen, es den anderen so schwer wie möglich zu machen. Das ist ganz klar. Eine Zeit von unter 2:07:00 wäre jetzt für mich auch überraschend, weil ich tendenziell einen Tick zurück bin in der Vorbereitung. Man wird auf jeden Fall schnell laufen müssen, um schnellster Deutscher zu werden.

Der Berlin-Marathon hat einen besonderen Ruf. Sie haben schon viel gesehen: Boston, New York, Houston, wie ordnen Sie Berlin da ein?

Pfeiffer: Berlin ist Champions League im Marathon. Also die die sechs Major-Marathons sind schon die prestigeträchtigsten. Und da ist Berlin natürlich eine ganz große Nummer, gerade auch mit den ganzen Weltrekorden, die da schon gelaufen wurden oder auch die Tiefe des Feldes. Wenn man sieht, wie viele Leute da unter 2:10:00 rennen, ist es eine schnelle Strecke. Allein deswegen ist es schon sehr reizvoll, weil es für immer mehr Athleten auch eine immer wichtige Rolle spielt, dass man ständig Wahnsinnzeiten produzieren muss. Und das geht dann eben nur auf den flachen Strecken. Stichwort Kadernominierung. Da ist eben auch ein sehr großer Druck drauf. Ich habe natürlich jetzt die günstige Situation, dass ich Kadernorm für dieses Jahr schon erfüllt habe in Houston. Grundsätzlich ist Berlin sicherlich einer der Top-5-Marathons der Welt.

Wie haben Sie die Stimmung in Berlin erlebt?

Pfeiffer: Das ist auf jeden Fall eine Liga mit London, New York und Boston gewesen. Das waren so die intensivsten Erlebnisse, die ich bislang hatte. Und dann ist natürlich Berlin sehr interessant, weil man da als Deutscher natürlich auch angefeuert wird und das ist eben was etwas anderes. In Amerika ist die Stimmung auch unfassbar. Aber in Berlin hat man oft das Gefühl, da stehen viele Leute tatsächlich auch wegen einem selbst. Und dann ist das natürlich noch mal eine ganz andere Dimension des Erlebnisses.

Brandenburger Tor war "Knackpunktstelle"

Gibt es einen Lieblingsort an der Strecke?

Pfeiffer: Es ist schon das Brandenburger Tor, weil man dann weiß: Wenn du das Tor erreichst, dann erreichst du sicher auch das Ziel. Und das war letztes Jahr für mich eine spannende Knackpunktstelle, weil es für mich um die Kadernorm ging. Und am Brandenburger Tors war ich noch über der Kadernorm. Ich wusste, es sind noch 400 Meter und dass es jetzt verdammt schnell gehen muss. Und dann war ich am Ende zwei Sekunden drunter. Deswegen habe ich da eine besondere Erinnerung daran.

Was sind abseits des Berlin-Marathons Ihre Ziele? Gibt es eine besondere Zeitmarke, die Sie perspektivisch knacken wollen?

Pfeiffer: Also an der Schallmauer von 2:07:00 Stunden bin ich so dicht dran, die will ich auf jeden Fall in absehbarer Zeit auch wieder angreifen. Gerade mit der Erfahrung in Houston, wo eigentlich vieles gar nicht so optimal war: Kein Tempomacher, da musste ich alles von der Spitze laufen, Gegenwind, es ist nicht die allerschnellste Strecke. Da glaube ich schon, dass ich in den 2:06:00-Bereich reinlaufen kann. Und wer weiß, ob es da noch einen Tick weiter geht. Das wäre schön. Ich möchte auf jeden Fall alle sechs Major-Marathons als Profi erlebt haben. Da fehlen mir jetzt noch Chicago und Tokio und ich möchte mich weiter stabilisieren auf diesem Weltniveau, dass ich eben auch bei großen City-Marathons ganz vorne reinlaufen kann.

Sie sind bekannt dafür, mit traditionellen Trainingswegen zu brechen: Sie spulen sehr viel ab, machen mehrere Marathons in einem Jahr. Ist das Ihr Erfolgsrezept?

Pfeiffer: Ich mache das nicht aus Selbstzweck, sondern das sind Wege, die ich einfach austeste. Und am Ende soll Sport immer noch Spaß machen. Bei allem Druck und bei allen Härten, die der Sport bietet. Gleichzeitig will ich vielleicht auch ein bisschen inspirieren, so dass man eben auch mal 'outside the box' denken kann.

Zum Beispiel das Laufband-Training, das ich jetzt ganz massiv aufnehme oder einfach auch mal was zu erleben und herumzukommen in der der Welt durch den Sport. Das sind Ansätze, die man sich auch im Profisport erhalten sollte.

Sie haben sich gerade in der vergangenen zwei Jahren stark verbessert. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Bausteine, um schneller zu werden im Marathon?

Pfeiffer: Ich finde es auch interessant, dass jetzt in meinen Dreißigern noch mal deutliche Verbesserungen eintreten. Ich erkläre es mir damit, dass ich konstanter bin. Also ich bin seit sechs Jahren nicht mehr verletzt. Das heißt, man kriegt eine immer größere Zähigkeit und das funktioniert natürlich im Marathon gut. Da hilft einem die Zähigkeit, die man sich aufbaut. Bei schnellkräftigeren Sachen wäre es etwas anderes. Und deswegen profitiere ich jetzt von den vielen Jahren Verletzungsfreiheit. Ich setze neue Reize mit dem Laufband-Training, dass ich eben diese höheren Geschwindigkeiten tendenziell über mehrere Kilometer laufe als vorher, weil ich auch in Carbonschuhen trainiere und im Training eine Tempo-Einheit mehr unterbringen kann. Das macht auch einen erheblichen Unterschied. Und ich bin seit 2020 Profi als Sportsoldat und das hat auch noch einiges geändert, dass ich mich eben komplett auf den Sport konzentrieren kann und dementsprechend auch eine ganz andere Regenerationsfähigkeit habe.

Im Sommer haben Sie nach dem Olympischen Marathon für Schlagzeilen gesorgt und eine öffentliche Diskussion losgetreten. Es gab Ärger zwischen Ihnen, dem Verband und Teamkollegen Amanal Petros. Da ging es vor allem um die Kommunikation rund um seine Erkrankung vor dem Lauf, wie Sie betont haben. Haben Sie sich inzwischen ausgesprochen?

Pfeiffer: Es war im Grunde von mir als konstruktive Kritik gedacht. Im Zentrum dieser Diskussion stand vor allem die Kommunikation im Vorfeld. Dass man überhaupt Teil der Diskussion wurde, lag im Grunde eher daran, wie die Kommunikation nach dem Marathon war, wo ich dann einfach nur gerne ein klärendes Gespräch gehabt hätte, was leider nicht zustande kam.

Bei meiner Kritik ging es zu keiner Zeit um den Start von Amanal selbst, sondern es ging bei allen Themen einmal mit dem Verband und einmal auch mit Amanal nur um die Kommunikation, die nicht ideal lief und leider gab es noch keine Aussprache. Ich habe sie angeboten, aber die gab es noch nicht. Es würde mich immer noch freuen, wenn es passieren würde.

Aber was mir am wichtigsten an der ganzen Diskussion war, dass es eben in vier Jahren besser gemacht wird. Und das war der ganze Sinn dieser Diskussion und das wurde mir im Grunde auch zugesichert. Der Verband hat gesagt, dass man es noch optimieren kann und deswegen ist das Thema auch im Guten erledigt.

Das heißt, Sie bereuen diese öffentliche Kritik auch nicht?

Pfeiffer: Ich bereue das nicht, weil ich ja nach wie vor 100 Prozent hinter allem stehen, was ich gesagt habe. Es ging um eine konstruktive Kritik und in dem Fall auch für das Einstehen von gewissen Werten, die im Vorfeld dann eben propagiert wurden.

Ich fand die Reaktion des Verbandes auch in Ordnung. Ein klärendes Gespräch würde ich gerne haben, aber das ist am Ende auch seine persönliche Entscheidung. Deswegen ist das Thema für mich mittlerweile auch erledigt. Ich würde es tatsächlich, wenn jetzt das Gleiche nochmal passieren würde, auch wieder so kritisieren. Aber ich hoffe, dass es dazu nicht noch mal kommt.

"Die Nervosität auf jeden Fall genauso hoch"

Nochmal der Blick nach vorne gerichtet: Wie läuft bei Ihnen die letzte Woche vor dem Wettkampf ab?

Pfeiffer: Es ist eigentlich nur so, dass sich der Gesamtumfang massiv reduziert. Grundsätzlich laufe ich nie langsamer als sonst. Es sind dann eben anstatt 30 Kilometern am Tag vielleicht nur noch zwölf. Am Tag vor dem Rennen sind es meistens auch 12 Kilometer in einem normaler Dauerlauf-Tempo mit ein paar koordinativen Übungen, ein paar Steigerungen. Einen kompletten Tag Pause mache ich, wenn überhaupt, dann nur zwei Tage vor dem Rennen. Und ansonsten ist es dann so eine Woche mit dem Marathon selbst, die dann so 100 Kilometer, 110 Kilometer Umfang hat, während es sonst 200 Kilometer sind.

Sind Sie eigentlich noch genauso aufgeregt wie ein Hobbyläufer, wenn Sie an den Start gehen?

Pfeiffer: Mindestens genauso. Also das vielleicht sogar noch mehr, weil es tendenziell um noch mehr geht. Es gibt oft genug die Situation: Wenn ich jetzt nicht die Leistung komplett abliefere, dann verliere ich meine Existenzgrundlage. Zum Beispiel letztes Jahr beim Berlin-Marathon. Ich wusste, wenn ich jetzt nicht diese Kadernorm schaffe, dann wird es ganz eng mit dem Fördersystem. Deswegen ist die Nervosität auf jeden Fall genauso hoch. Mindestens.

Und das ist auch gut so, weil ich glaube, nur dann kann man die besondere Leistung abrufen. Man muss sich diese Nervosität auch aufbauen. Man lernt mit der Zeit, dass sie nicht dazu führt, dass einem übel wird und man sich vor Nervosität übergibt und dann keine Leistung bringen kann, sondern man nutzt sie dann für seine Zwecke aus.

Herr Pfeiffer, vielen Dank für das Gespräch.

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