Ostalb oben auf. Heidenheim bleibt auch im zweiten Jahr ein Bundesliga-Phänomen. Der Klub scheint die prominenten Abgänge gut zu verkraften und stürmt mit seiner außergewöhnlichen Kader-Strategie an die Tabellenspitze der Liga.
Der 1. FC Heidenheim reist als Tabellenführer zu Borussia Dortmund. Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
2007 spielte der Klub noch in der Oberliga, legte dann dank hervorragender Arbeit von Trainer Frank Schmidt und Geschäftsführer Holger Sanwald und ja, Sponsorengeldern aus der Region, einen rasanten Aufstieg hin.
Und jetzt ist der FCH plötzlich Bundesliga-Tabellenführer. Klar, es ist erst der 3. Spieltag. Und dennoch: Heidenheim wirkt unter Schmidt schon wieder so stabil wie die Finanzierung eines schwäbischen Häuslebauers.
Heidenheim international
Dazu kommt: Auch im Pokal und in der Conference League lieferte der Klub ganz souverän. Heidenheim international. Auch das ist ein Satz, der vor einigen Jahren ungläubiges Stauen ausgelöst hätte. Jetzt ist er Realität. Schon bald reist der FC Chelsea auf die Ostalb (Die Conference League läuft exklusiv auf RTL+, RTL und NITRO). Man wird sich wohl noch in Jahrzehnten davon erzählen.
Beachtlich ist das alles vor allem wegen der Art und Weise. Denn die Heidenheimer fahren eine Kader-Strategie, die außergewöhnlich ist. Setzen mehr auf Mentalität denn bekannte Namen.
Natürlich sticht die Bayern-Leihgabe Paul Wanner heraus. Das deutsch-österreichische Edeltalent ist die Geschichte des Saisonstarts. Der 18-Jährige brachte sich mit vier Toren, zwei Vorlagen in den ersten vier Pflichtspielen mal sowas von auf die Bundesliga-Karte. Der DFB und Österreichische Verband liefern sich nun ein Fernduell um die künftigen Dienste in ihrer A-Elf.
Die ganze Bundesliga redet von Wanner. Selbst Frank Schmidt wurde das zu viel. Der Youngster mache seine Sache "richtig gut", aber: "Ich bitte da um Verständnis. Es ist mir zu viel Paul Wanner", sagte Schmidt in seiner ihm eigenen Art. Die Message aber war klar: Piano, bitte.
Bitte nicht nur Wanner
Und es ist ja auch nur die halbe Wahrheit. Heidenheim ist nicht nur Wanner. Wie schon in der vergangenen Saison hat sich der Klub klug auch mit erfahrenen Spielern aus der 2. und 3. Liga verstärkt, die unter Schmidt dann einschlagen.
Schon in der Vorsaison gab Heidenheim karge 2,3 Millionen für neue Spieler aus. Allesamt Transfers, die man in der Bundesliga nicht unbedingt erwarte, sagte Schmidt damals. Marvin Pieringer, Nikola Dovedan, Benedikt Gimber setzten sich dann prompt durch.
In Heidenheim haben sie eine klare Vorstellung von den Transfers: Im Kader seien nur Spieler, die sich aus "voller Überzeugung" für Heidenheim entschieden haben und "sich nicht wichtiger nehmen, als sie sind", fasst es der Trainer zusammen. Der Heidenheim-Way.
In diesem Jahr verpflichtete der FCH für rund sechs Millionen Euro neun externe Zugänge. Das Muster ist wieder ähnlich. Linksaußen Leo Scienza kam von Zweitliga-Aufsteiger SSV Ulm und hat sich schon einen Stammplatz erspielt, Luca Kerber wechselte von Drittligist und Pokalschreck 1. FC Saarbrücken zum Team. Scienza erzielte in der Bundesliga und den Conference-League-Playoffs gleich mal je einen Treffer.
Im Kollektiv blühen die neuen Spieler auf
Heidenheim ist also weiterhin so ein bisschen das erfolgreichste Auffangbecken der Bundesliga. Profis aus dem Unterhaus, die man nicht unbedingt auf dem Zettel hat, blühen auf der Schwäbischen Alb reihenweise im Kollektiv der Schmidt-Elf auf.

Dann wirkt es vielleicht sogar weniger überraschend, dass die Mannschaft bisher die prominenten Abgänge derart gut kompensieren konnte. Nach der sensationellen Premierensaison, die bis nach Europa reichte, gab es personellen Aderlass. Nationalspieler Jan-Niklas Beste heuerte bei Benfica an. Torgarant Tim Kleindienst wechselte nach Gladbach und Sturm-Kollege Eren Dinkci zog es zum SC Freiburg. Drei absolute Stammspieler weg - bislang kaum ein Problem für das Team. So sogar Transferplus von fast neun Millionen erwirtschaftet.
Weit entfernt von diesen Ausgabesummen ist der kommende Gegner Borussia Dortmund, der im Sommer für Serhou Guirassy, Waldemar Anton, Pascal Groß und Co. rund 80 Millionen Euro auf den Tisch legte.
In Dortmund sind sie vor dem Überraschungsteam gewarnt. RTL-Experte Lothar Matthäus kündigte im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de an, dass den BVB "harte Gegenwehr" von einem disziplinierten und selbstbewussten Team erwarte. Trotzdem sei der BVB vor heimischer Kulisse Favorit, sagte der DFB-Rekordspieler.
Dass der FCH aber auf der großen Bühne bestehen kann, demonstrierte er schon im Vorjahr. Trotz frühen Rückstandes erkämpften sich die Schwaben im Westfalenstadion am Ende ein 2:2. Ein Punkt der Mentalität, der für die weitere Saison Auftrieb gab.





























