Mit der Verpflichtung von Design-Guru Adrian Newey hat Aston Martin einen echten Coup gelandet. RTL-Experte Christian Danner erklärt, was der Wechsel-Hammer für die Formel 1, den Rennstall und Max Verstappen bedeutet – und warum die Zusammenarbeit zwischen Newey und Aston Martin kein Selbstläufer wird.
Es war das wohl am schlechtesten gehütete Geheimnis der Formel 1, jetzt ist es endlich offiziell: Der quasi von der gesamten Königsklasse gejagte Star-Designer Adrian Newey heuert bei Aston Martin an. Ab März 2025 legt der Brite in Silverstone los, wird dort "Gesellschafter und Geschäftsführender technischer Partner".
Der Wechsel des Ex-Red-Bull-Ingenieurs ist nichts weniger als eine Ansage an den Rest der F1. RTL-Experte Christian Danner spricht im exklusiven Interview mit sport.de von einem "Erdbeben, das wir hier erleben". Für das Team von Milliardär Lawrence Stroll, Vater von Aston-Martin-Pilot Lance, ist es der nächste Schritt beim Großangriff auf den ersehnten WM-Titel.
Der Transfer hat weitreichende Folgen für die Formel 1 und das britische Team. "Für Aston Martin bedeutet es, dass man die erfolgreichsten Leute aus der Vergangenheit fest unter Vertrag hat", sagt Christian Danner im Gespräch mit sport.de. Neben dem "absoluten Top-Mann" Andy Cowell, der für den gesamten Erfolg des Mercedes-Motorenprogramms mitgezeichnet hat, habe man nun auch noch den "erfolgreichsten Ingenieur aller Formel-1-Zeiten unter Vertrag". Dieser werde mit "Sicherheit ein paar Leute" von Red Bull mitnehmen.
Fantastisch für Aston Martin, ein Problem für Red Bull
Während Aston Martin also extrem profitiert, müssen die Roten Bullen einen Brain-Drain hinnehmen, einen Abgang von hochtalentierten Mitarbeitern. "Das ist nicht nur fantastisch für Aston Martin, sondern auch ein Problem für Red Bull, weil die Leute dort nicht mehr arbeiten", so Danner. "Das ist schon ein Erdbeben, das wir hier erleben."

Dass Newey zu Aston Martin geht, liege nicht nur am hoch datierten Vertrag (laut "BBC" bis zu 35 Millionen Euro jährlich inklusive Bonuszahlungen), betonte RTL-Experte Danner. Es ging vor allem auch um die Details des neuen Jobs.
"Das Interessante ist, dass ein gewisser Eddie Jordan, den wir ja gut aus der Formel 1 kennen, die Verhandlungen für Newey geführt hat. Das heißt, dass man sehr genau abgeklärt hat, was Newey auf seiner Position, in seinem Arbeitsalltag genau hätte. Ich bin mir sicher, dass Lawrence Stroll der Einzige war, der in jedem Punkt zugestimmt hat. Weil er ihn unbedingt haben wollte." Insgesamt sei es eine "spannende Situation", so Danner. Und trotz aller Euphorie liege "viel Arbeit vor Aston Martin und Adrian Newey."
Denn aktuell steht das Team nur auf Rang fünf der Teamwertung, in der Fahrerwertung liegen Fernando Alonso und Lance Stroll nur auf Rang neun und zehn. Zu wenig für die großen Ambitionen.
Formel 1: Team lässt großen Worten Taten folgen
Denn 2021 hatte das Team schon ehrgeizige Pläne und Ziele ausgegeben. Seit Jahren investiert man massiv, in eine neue Fabrik und Windkanal in Silverstone, in Top-Fahrer wie Sebastian Vettel und Alonso, in Technik-Personal – nun kommt als "Kirsche" auf die Aston-Martin-Torte auch noch Newey dazu.
2021 gab Stroll den ehrgeizigen Plan aus, in "drei bis fünf Jahren" den WM-Titel zu holen. Bleibt also nur noch Zeit bis 2026, um im Soll zu sein.
Und genau 2026 ist ein "entscheidendes Jahr", betont Danner. "Weil wir einen Reglement-Wechsel haben: Neue Motoren, neue Aerodynamik, neue Reifen. Genau dann hat Adrian Newey die Nase vorne, weil ihm da meistens mehr einfällt als den anderen", so der RTL-Experte. "Aston Martin wird mit viel Grundoptimismus in die Zusammenarbeit gehen. Da steckt unvorstellbar viel Potenzial drin."
Für die neue F1-Ära ab 2026 sieht Danner Aston Martin klar mit Trümpfen. Newey habe ein paar entscheidende Vorteile gegenüber anderen Chefingenieuren, zählt Danner auf.
Newey hat oft die Nase vorne
"Er kann das ganze Auto beurteilen - nicht nur seinen Teil. Er sieht es als Gesamtkonstrukt. Er hat das sein Leben lang gemacht", erklärt der TV-Experte. "Zweitens hat er unglaubliche Kreativität. Gerade bei Reglementwechseln ist das unglaublich wichtig. Man kann nichts kopieren. Alle fangen bei 0 an, genau da liegen seine Stärken, weil er unglaubliche gute Ideen hat. Das hat er in der Vergangenheit immer wieder bewiesen."
Ist der britische Rennstall also bald der natürliche Top-Kandidat auf den Titel?
So weit will Danner noch nicht gehen. "Also so einfach ist es nicht, dass man dann vom Top-Favoriten sprechen kann. Ganz einfach deshalb, weil nicht nur die Hardware, Fabrik, Software-Tools, Simulator, Windkanal, sondern auch die Leute aufeinander gepolt werden müssen", erklärt Danner. Das gehe meistens nicht von "heute auf morgen, dass man sich blind versteht".
Daher sei es wichtig, dass Newey zum Beispiel auf ein Mitarbeiterteam zurückgreifen kann, das er bereits kennt. "Dann geht es relativ schnell. Die Kombination, die wir sehen, ist auch schon etabliert. Wir dürfen nicht vergessen: Honda ist der neue Motorenpartner von Aston Martin. Da kommen Leute zusammen, die sich kennen, weil sie zusammengearbeitet haben. So gesehen ist die Zeit, bis sich das System etabliert hat, kürzer als normal. Aber es wird doch ein bisschen dauern“, kündigt Danner an. Wie lange das "bisschen" ist, wisse er nicht. Aber: "Von 0 auf 100 geht es sicher nicht.“
Wechselt Max Verstappen zu Aston Martin?
Durchaus interessiert dürfte auch Weltmeister Max Verstappen die Entwicklung bei Aston Martin beobachten.
Zwar endet der Vertrag des Weltmeisters beim kriselnden Dauer-Sieger Red Bull erst 2028, aber in dieser Saison kursierten bereits ernsthafte Gerüchte über einen Wechsel zu Konkurrenz. 2026 läuft das Arbeitspapier von "Oldie" Fernando Alonso bei Aston Martin aus. Stroll-Sohnemann Lance hat einen "langfristigen" Vertrag, sein Cockpit gilt als sicher.
Könnte Verstappen in mittelnaher Zukunft zum neuen Newey-Team wechseln? Vorstellbar, findet Danner. "Natürlich ist Aston Martin für Verstappen eine Option. Wenn sein Vertrag ausläuft, schaut er ganz entspannt: Wo gibt’s für mich die besten Möglichkeiten zu gewinnen. Was anderes interessiert ihn nicht. Ist es Mercedes? Oder geht es weiter bei Red Bull? Ist es vielleicht Aston Martin?"
Für Verstappen sei es durchaus gut, dass es mehrere Teams gibt, die mitmischen. "Dann hat er mehr Auswahl. Im Prinzip kann er sich das Team aussuchen."