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Die sport.de-Kolumne von Florian Regelmann

Monster-Vertrag: Warum Draisaitl jeden Dollar wert ist

Leon Draisaitl wird zum bestbezahlten Eishockey-Spieler der Welt.
Leon Draisaitl wird zum bestbezahlten Eishockey-Spieler der Welt.
Foto: © IMAGO/Perry Nelson
04. September 2024, 21:15

In seiner sport.de-Kolumne beleuchtet Florian Regelmann Themen, die ihn umtreiben, begeistern oder aufregen. Diesmal geht es um die Lage bei den Edmonton Oilers in der NHL und den neuen Vertrag von Leon Draisaitl.

Leon Draisaitl ist der bestbezahlte Eishockeyspieler der Welt. Auf der einen Seite ist sein neuer Vertrag mehr als gerechtfertigt, auf der anderen Seite müssen die Edmonton Oilers in Zukunft kleine Wunder vollbringen, wenn sie den Stanley Cup endlich gewinnen wollen. Die Hintergründe. 

Acht Jahre, 14 Millionen Dollar pro Jahr, 112 Millionen Dollar Gesamtvolumen. Der historische neue Vertrag für Leon Draisaitl ist vor allem eines: verdient, sehr verdient. 

"Ich bin natürlich froh, dass sie sich geeinigt haben. Ich denke, dass Leon sehr glücklich und zufrieden mit dem Deal ist. Das ist alles, was mich interessiert. Jetzt kann er in Ruhe und Zufriedenheit das tun, was er am liebsten tut: Eishockey spielen", sagt Peter Draisaitl am Telefon.  

Der Ex-Nationalspieler wäre zu bescheiden, um zu beschreiben, warum sein Sohn jeden Dollar wert ist. Deshalb mache ich das an dieser Stelle. Fangen wir einfach mal mit ein paar nackten Zahlen an. 

Seit Beginn von Draisaitls aktuellem Deal (acht Jahre, 68 Millionen Dollar) im Jahr 2017 liest sich die Statistik für den 28-Jährigen wie folgt: 713 Punkte (Rang zwei in der NHL), 297 Tore (Rang zwei), 130 (!) Powerplay-Tore (Rang eins). Übrigens: Bei den PP-Toren liegt in diesem Zeitraum Steven Stamkos auf Platz zwei. Mit 27 Toren weniger als Draisaitl - es ist irre. Dazu kommen in den letzten drei Playoff-Runs mit Edmonton 81 Punkte (Rang zwei), 30 Tore (geteilter Rang eins) und 15 Powerplay-Tore (Rang eins). 

Leon Draisaitl: Die Zahlen sprechen für sich

Und ich mache noch weiter. Schauen wir uns mal Spieler an, die seit 2009 in einer Saison jeweils mindestens 50 Tore und 50 Assists verbucht haben. Hier die vollständige Liste: Alexander Ovechkin, Sidney Crosby, Evgeni Malkin, Leon Draisaitl, Leon Draisaitl, Connor McDavid, Leon Draisaitl, David Pastrnak, Mikko Rantanen, Nathan MacKinnon. Zehn Spieler und Draisaitl kommt halt einfach dreimal vor! Seine Kombination aus Elite-Playmaker und Elite-Torjäger ist einzigartig.

Ich erinnere mich gut an meine Interviews mit ihm in den Anfängen seiner NHL-Karriere, als er immer wieder betonte, an seinem Schuss arbeiten zu müssen. Jetzt hat er seit Jahren den tödlichsten One-Timer auf der Welt, aber er würde es mir heute wieder sagen, wenn ich ihn anrufe. So ticken die besten Sportler der Welt, egal in welchem Sport.    

Was auch deutlich werden muss: Ja, Connor McDavid ist anerkanntermaßen der beste Spieler der Welt und Draisaitl "leidet" in Edmonton naturgemäß hier und da unter dem 1b-Syndrom, so ähnlich wie es zum Beispiel auch immer für Evgeni Malkin bei den Penguins an der Seite von Sidney Crosby war.

Aber Draisaitl ist eben mehr als nur McDavids kongenialer Partner. Denken wir gerade an die letzten Playoffs und die ersten beiden Runden, da war Draisaitl ohne jeden Zweifel der beste und dominante Spieler, nicht McDavid.

Dass der Deutsche jeden Cent seines Vertrages wert ist, haben wir also hoffentlich geklärt. Zumal er mit seinem jetzigen Deal und den 8,5 Millionen Dollar im Jahr einfach im Verhältnis ein krass "unterbezahltes" Schnäppchen für die Oilers war und noch eine Saison lang ist.   

Aber unabhängig davon, dass Draisaitl den Vertrag verdient, stellt sich natürlich trotzdem die große Frage, inwieweit sich Edmontons Chancen auf den ersehnten Stanley-Cup-Triumph dadurch perspektivisch verschlechtert haben.     

"Ich kenne Leon ein bisschen und weiß, dass er ganz sicher nicht auf Teufel komm raus den letzten Dollar ausreizen wird, auch wenn er es könnte", hat mir Peter Draisaitl erst jüngst erzählt. Wohlwissend, dass es am Ende des Tages ein Business ist und jeder Dollar zählt. 

Leon Draisaitl hätte auch noch mehr bekommen können

Wenn wir uns Draisaitls Vertrag genau anschauen, sehen wir, dass er in Relation zum Salary Cap zum Zeitpunkt der Unterschrift 15,9 Prozent ausmacht. Damit liegt er quasi auf identischem Niveau wie Torontos Superstar Auston Matthews (15,87 Prozent), der vor Draisaitl mit einem Jahressalär von 13,25 Millionen Dollar der bestbezahlte Spieler war.

Peter Draisaitl hat recht, dass Leon mehr hätte rausschlagen können. Auf dem freien Markt hätte es Teams gegeben, die ihm locker 16 Millionen Dollar angeboten hätten, ohne jede Frage. Und ehrlicherweise hätte er auch von den Oilers 16 Millionen Dollar fordern können, wenn er darauf bestanden hätte.

Was hätte Edmonton denn machen sollen? General Manager Stan Bowman musste mehr oder weniger eh akzeptieren, was die Draisaitl-Seite will, weil es nur ein Szenario gab, das nicht eintreten durfte: dass man ihn verliert.

Insofern sind 14 Millionen fair für beide Seiten, man muss aber auch sagen, dass Draisaitl den Oilers keinen Rabatt gegeben hat. In Edmonton sind alle logischerweise extrem glücklich über die Verlängerung, aber insgeheim hätten sich einige gewünscht, dass Draisaitl nicht über 13,5 Millionen hinausgeht, dass er vielleicht sogar dem Team stark entgegenkommt und 13 Millionen (oder 13,29…) akzeptiert. 

Dass sich beispielsweise Crosby in Pittsburgh vor Jahren prozentual zum Cap mit weniger zufrieden gab, ermöglichte es den Pens, einen Spieler wie Phil Kessel im Team zu haben. Zwei Stanley Cups waren die Folge.

Nochmal: Draisaitls Vertrag ist absolut in Ordnung und extrem verdient, zumal man davon ausgehen kann, dass Draisaitl von seiner Spielweise her auch in seinen 30ern nicht groß abbauen wird. Und als Randnotiz: Es ist schon verrückt, dass Draisaitl mit seinen 14 Millionen Dollar in der NHL auf Rang eins liegt, in der NBA würde er damit auf Rang 117 liegen. 

Es ist aber eine Tatsache, dass die Oilers sich auf Jahre hinaus in der Salary-Cap-Hölle befinden werden. Wobei das in Teilen, so ehrlich muss man auch sein, natürlich daran liegt, dass sich Edmonton bei anderen Spielern (Darnell Nurse oder vor allem Jack Campbell) übelst verzockt und katastrophale Verträge abgeschlossen hat.

Die Draisaitl-Verlängerung rechtzeitig vor dem Start des Training Camps war unglaublich wichtig für die Oilers. Zum einen ist es völlig klar, dass man keine Angst mehr haben muss, dass McDavid in ein paar Jahren Edmonton verlassen wird.

Oilers: Zwei starke neue Winger für Draisaitl

Draisaitl bleibt, auch McDavid wird bleiben - das ist spätestens jetzt gesichert, beide werden miteinander gesprochen haben. Und zum anderen haben die Oilers dringend gute News benötigt, nachdem die Offseason sich zuletzt gar nicht mehr so gut entwickelt hatte wie anfangs gedacht.  

Zur Einordnung: Edmonton hatte nur wenige Tage nach der bitteren 1:2-Niederlage in Spiel 7 der Stanley Cup Finals bei den Florida Panthers einen fulminanten Start in den Sommer hingelegt. Obwohl die Oilers finanziell limitiert waren, gelangen ihnen in der Free Agency zwei starke Verpflichtungen.

Mit Viktor Arvidsson (zwei Jahre, vier Millionen Dollar pro Jahr) und dem ehemaligen 40-Tore-Mann Jeff Skinner (ein Jahr, drei Millionen Dollar) kamen zwei namhafte Stürmer (und mögliche neue Winger für Draisaitl) für vergleichsweise überschaubares Geld nach Edmonton. Die Aussicht, mit McDavid und Draisaitl zusammenspielen zu können und sehr gute Chancen auf den Stanley Cup zu haben, war dabei das entscheidende Argument. 

Außerdem konnte man wichtige Rollenspieler wie Mattias Janmark und Adam Henrique halten und holte sich mit Matthew Savoie ein sehr spannendes Stürmertalent per Trade aus Buffalo. 

So weit, so gut. Na ja, nicht ganz. Denn womit man in Edmonton nicht rechnete, war die "Gemeinheit" der St. Louis Blues. Diese hatten nichts Besseres vor, als den Sommer der Oilers doch noch empfindlich zu stören. Die Blues machten nämlich etwas, was in der NHL in den vergangenen Jahren praktisch gar nicht mehr vorgekommen war. 

Spielern, die bei anderen Teams "Restricted Free Agents" sind, finanziell so gute Angebote unterbreiten, sodass diese sogenannte "Offer Sheets" unterschreiben und ihrem aktuellen Klub so die Pistole auf die Brust gesetzt wird. Entweder du ziehst bei den Angeboten mit, dann behältst du deine Spieler, oder du entscheidest dich, sie gegen eine Kompensation in Form von Draft Picks ziehen zu lassen.

Edmonton unter Schock: St. Louis krallt sich zwei Spieler 

Genau das ist Edmonton passiert. St. Louis bot sowohl Verteidiger Philip Broberg (zwei Jahre, 4,58 Millionen Dollar pro Jahr) als auch Stürmer Dylan Holloway (zwei Jahre, 2,29 Millionen Dollar pro Jahr) jeweils so gut dotierte Zweijahresverträge, dass man Edmonton damit in die Bredouille brachte. "Das war schon ein Schock, der die Offseason mehr als nur ein bisschen getrübt hat", meint auch Peter Draisaitl.

Die Oilers hätten kreative Wege finden können, um ihre beiden besten jungen Spieler zu halten, sie hätten aber einen hohen Preis bezahlt. Sie hätten sich damit vor allem in eine Situation gebracht, in der sie unglaublich an Flexibilität eingebüßt hätten. 

Es wäre sehr schwierig geworden, während der Saison, vor allem an der Trade Deadline, das Team noch für den nächsten Playoff-Run zu verstärken. Und man hätte sich Spielraum genommen für die Vertragsverlängerungen der Superstars. 

Es gibt also durchaus gute Argumente dafür, dass es die richtige Entscheidung war, beide Spieler gehen zu lassen. Es finden sich aber auch sehr schnell gute Argumente dagegen. Broberg hat zwar viel zu wenige NHL-Spiele auf dem Buckel und sich viel zu wenig etabliert, als dass der 23-Jährige Stand jetzt über 4,5 Millionen Dollar im Jahr verdienen sollte. 

Aber der Schwede war ab dem Zeitpunkt, als er in den Playoffs ins Lineup rutschte, einer der besten Oilers-Spieler überhaupt. Es ist schon nicht unwahrscheinlich, dass sich Broberg in den nächsten Jahren als Top-Defender in der NHL etabliert, der im ersten oder zweiten Verteidiger-Pärchen von St. Louis eine starke Rolle spielt. Und dann ist er ohne jeden Zweifel das Geld wert.

Salary-Cap-Hölle: 50 Millionen für vier Spieler?! 

Ohne Broberg und ohne den erfahrenen Codi Ceci, den man nach San Jose tradete, um sich sein Gehalt einsparen zu können, klafft in Edmonton ein eklatantes Loch in der Abwehr. Hinter dem Top-Duo Evan Bouchard und Mattias Ekholm gibt es mehr oder weniger nur noch Darnell Nurse, der aufgrund seines viel zu hohen Gehalts (9,25 Millionen pro Jahr) eben selbst ein Problem darstellt.   

Und im Sturm hat man mit dem jungen und pfeilschnellen Holloway auch einen Power Forward verloren, auf den man eigentlich große Stücke gesetzt und dem man noch einen gewaltigen Sprung zugetraut hat. Die Oilers haben zwar nach wie vor einen sehr guten Nukleus, aber der Kader ist und bleibt einer der ältesten der gesamten Liga - und der Kader hat extrem an Speed verloren.

Das große Problem: Der Draisaitl-Vertrag ist zwar abgehakt, aber die nächsten Aufgaben kündigen sich schon an. In einem Jahr geht McDavid in sein letztes Vertragsjahr, dann braucht auch der Captain einen neuen Monster-Deal. Und dass McDavid ab diesem Zeitpunkt wieder über Draisaitl liegen muss, sollte unstrittig sein.

Aber es gibt da ja auch noch Superstar-Verteidiger Evan Bouchard, der beste Powerplay-Quarterback der NHL, der aktuell lediglich 3,9 Millionen pro Jahr einstreicht und perspektivisch auch in Richtung zehn Millionen gehen wird.

Wenn Stuart Skinner wirklich der Goalie der Zukunft ist, kommt auch er irgendwann ums Eck und will vielleicht auch sieben oder acht Millionen. Der Salary Cap in der NHL beträgt momentan 88 Millionen Dollar, für die Saison 2025/26 wird er sich in die Range von 93 Millionen Dollar bewegen, danach Richtung 98 oder 100 Millionen Dollar.

Nehmen wir der Einfachheit 100 Millionen als Referenzwert: McDavid wird schätzungsweise 16 Millionen Dollar (oder vielleicht sogar 17?) bekommen müssen, er will sicher auch im Gesamtvolumen die Nummer eins werden und Ovechkin (124 Millionen Dollar) hier ablösen.

Das wären 30 Millionen Dollar im Jahr für die beiden Megastars. Nehmen wir Nurse und Bouchard dazu, bist du ganz schnell bei 50 Millionen und damit 50 Prozent des Salary Caps für vier (!) Spieler. Oder mit Skinner bei 57, 58 Millionen Dollar für fünf (!) Spieler. 

Stan Bowman muss kleinere Wunder vollbringen

Es ist selbsterklärend, dass es eine Herkulesaufgabe wird, dann noch ein Team zusammenzustellen, das den Stanley Cup gewinnen kann. Es ist auf keinen Fall unmöglich, aber Bowman wird als GM kleinere Wunder vollbringen müssen.   

Dass die Oilers darauf angewiesen sind, dass der Salary Cap wie erwartet stark ansteigt, ist die Grundvoraussetzung. Aber selbst dann müssen die Oilers jedes Jahr erfahrene Spieler verpflichten, die bereit sind, für wenig Geld nach Edmonton zu kommen, weil sie mit McDavid und Draisaitl einen Titel holen und ihre Karriere wieder ein Stück neu lancieren wollen. 

Jeff Skinner ist das beste Beispiel. Geht die Wette auf und Skinner spielt eine überragende Saison, ist er danach natürlich sofort zu teuer und weg, dann müssen die Oilers genau wieder diesen Typ Spieler finden und hoffen, dass es erneut aufgeht.

Gleichzeitig brauchen sie dringend ein paar junge Spieler, die hochkommen und für kleines Geld passable Rollenspieler werden - anders geht es nicht. Vielleicht müssen sie auch bei Verträgen kreative Wege gehen. Carolina hat kürzlich bei der Verlängerung mit Seth Jarvis ein cleveres Konstrukt gefunden, bei dem ein Teil des Gehalts als Signing Bonus erst nach Ende des Vertrages ausbezahlt wird, um bis dahin Platz unter dem Salary Cap zu gewinnen. 

Es gibt also Wege, um die Herausforderung zu meistern. Aber es ist trotzdem nicht unwahrscheinlich, dass die Oilers gerade in der nächsten Saison, in der Draisaitls neuer Vertrag noch nicht angefangen hat, womöglich die besten Chancen auf die Meisterschaft haben, ehe es danach immer schwieriger und schwieriger werden könnte.

Die Konkurrenz ist so oder so gigantisch. Da müssen wir uns nur die Western Conference anschauen: Colorado, Dallas, Las Vegas, Vancouver, Nashville - es gibt im Sport wahrscheinlich kaum etwas Schwierigeres als den Weg in den NHL-Playoffs bis zur Meisterschaft.     

"Die meisten Mannschaften müssen erstmal verlieren, bevor sie den großen Titel holen. Florida ist das beste Beispiel dafür. Wenn Edmonton wieder ins Finale kommt, wird ihnen diese Erfahrung sicher enorm helfen. Das Problem ist, dass du erstmal wieder so weit kommen musst. In den Playoffs über mehrere Monate dahin zu kommen, ist ein unglaublicher Grind", meint auch Peter Draisaitl.   

Und je teurer deine Superstars werden, desto schwieriger wird der Grind - das werden die Oilers in den kommenden Jahren merken.

sport.de-Kolumnist Florian Regelmann kann auf viele Jahre als leitender Sportredakteur zurückblicken, seit März ist er als Head of US Sports für HEIM:SPIEL tätig.