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Leichtathletik-EM 2024
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Leichtathletik-EM 2024
Do, 06.06. - Mi, 12.06.

Konkurrent Neugebauer der "Goldfavorit"

Niklas Kaul exklusiv: "Sonst wäre ich raus für Paris"

Der Speerwurf ist Niklas Kauls Lieblingsdisziplin, wie er im exklusiven sport.de-Interview verriet
Der Speerwurf ist Niklas Kauls Lieblingsdisziplin, wie er im exklusiven sport.de-Interview verriet
Foto: © IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Axel Kohring
09. Juni 2024, 21:33

Zehnkämpfer Niklas Kaul startet am Montag in die Leichtathletik-EM in Rom. Als amtierender Europameister zählt er automatisch zu den großen Favoriten.

Im Vorfeld hat der deutsche Hoffnungsträger mit sport.de über seine Vorbereitung, seinen Olympia-Traum und seine Konkurrenten gesprochen. Die Leistung von Leo Neugebauer, der bei der EM nicht an den Start geht, lobte er in höchsten Tönen.

Herr Kaul, Sie stehen kurz vor der ersten von zehn Disziplinen bei dieser Leichtathletik-Europameisterschaft in Rom. Wie geht es Ihnen? Wie war die Vorbereitung?

Niklas Kaul: Sehr gut, ich bin echt zufrieden. Die Aufregung ist langsam da, das gehört dazu. Die Vorbereitung lief gut, jetzt ist alles getan.

Wie sieht das Training so kurz vor einer EM aus?

Das ist gar nicht mehr so viel, man testet eher Kurzdisziplinen an, ich war in der letzten Woche kein Mal länger als anderthalb Stunden im Training. Das ist schon sehr kurz. Also: Kurz hingehen, warmmachen, Disziplinen antesten und wieder nach Hause gehen. Da passiert nicht mehr viel. Alles, was an Training gemacht werden musste, ist in den letzten Monaten passiert. Jetzt kann das, was man nicht trainiert hat, auch nicht mehr retten.

Das ist Ihr erster Wettkampf seit langer Zeit. Auch für Sie ist das eine besondere Situation ...

Ja, total. Das ist mein erster Zehnkampf seit der WM in Budapest im letzten Jahr. Einzelwettkämpfe habe ich noch gemacht, aber eben keinen ganzen Zehnkampf.

Sie sind amtierender Europameister und gelten als großer Hoffnungsträger für diese EM in Rom. Wie gehen Sie mit der Erwartungshaltung um?

Es ist für mich relativ einfach, ich gehe da auch nicht anders heran als sonst. Wenn ich den Zehnkampf abrufen kann, den ich in meinem Kopf habe, dann passt das alles. Dann wird das gut. Wenn von außen jemand sagt, dass das nicht so gut war, muss man eher die Frage stellen, was erwartet worden ist. Denn meine Erwartung habe ich dann erfüllt. Ich muss eher mit meiner eigenen Erwartung klarkommen als mit der von außen.

Niklas Kaul kämpft um die Olympia-Qualifikation

Wie sieht die denn konkret aus? Machen Sie Ihren persönlichen Erfolg eher an einer Punktzahl oder an einer Medaille fest?

Eher an der Punktzahl, wobei ich es jetzt bei so einem ersten Zehnkampf nach längerer Zeit eher vom Feeling abhängig machen würde. Es kann schon sein, dass eine Disziplin daneben geht und die Endpunktzahl nicht so ist, wie ich sie mir vorgestellt habe. Aber wenn die generelle Form in die richtige Richtung zeigt, werde ich trotzdem zufrieden nach Hause gehen. Aber klar ist auch: Es gibt drei Medaillen zu vergeben und eine hätte ich schon ganz gerne.

Gibt es so kurz vor den Olympischen Spielen überhaupt noch genügend Zeit, um sich im Training noch einmal zu verbessern?

Steigerungspotential im Training gibt es eher nicht, aber es ist schon so, dass, weil jetzt Sommer-Saison ist, wir gutes Wetter haben und viel wettkampfnah trainieren, normalerweise schon noch einmal so ein Schub kommt. Das war bei mir sonst auch in den Jahren immer so. Der erste Zehnkampf einer Saison war nicht annähernd so gut wie der zum Ende. Das ist einfach so, das muss man auch im Hinterkopf behalten. Nichtsdestotrotz bin ich in einer Form, die auf jeden Fall so gut ist wie in München (2022, als Kaul Europameister wurde, Anm. d. Red.).

Schwirren jetzt unweigerlich Gedanken über Paris herum, wo bald die Olympischen Spiele stattfinden werden? Gewichtet man als Sportler die Wettkämpfe automatisch?

Nein, gar nicht. Dieses Jahr ist auch so, dass die EM und Olympia so weit auseinander liegen, dass beides gut machbar ist. Jetzt liegt der Fokus auf der EM - und auf der Olympia-Quali. Denn wir haben jetzt vier Deutsche dabei und es gibt da ja noch die Punktzahl von Leo (Neugebauer, der kürzlich bei den College-Meisterschaften 8961 Punkte einfuhr, Anm. d. Red.). Es werden nicht drei Deutsche besser sein. Von daher dürfen am Ende des Tages auch nicht zwei Deutsche besser sein als ich. Sonst wäre ich raus für Paris.

Wie oft denken Sie noch an Ihren Erfolg in München? Ziehen Sie daraus noch eine besondere Motivation?

Natürlich denkt man immer mal an vergangene Wettkämpfe und somit auch an München. Es hat Spaß gemacht damals, aber man muss auch dazu sagen, dass der Wettkampf nicht perfekt war. Ich habe mich in manchen Disziplinen weiterentwickelt und will das auf die Bahn bekommen.

Von den zehn Disziplinen: Welche liegt Ihnen am meisten? Und welche könnten Sie eher streichen?

Speerwerfen ist schon meine Lieblingsdisziplin. Das mache ich im Training auch am liebsten. 

Und eine, die überhaupt nicht Ihr Fall ist?

Ja gut, die 100 Meter. Darauf werde ich auch am meisten angesprochen. Es ist einfach nicht meine Disziplin. Ich muss es einfach mal schaffen, da mehr bei mir zu bleiben. Der Beginn des Zehnkampfs ist auch etwas von Nervosität geprägt und ich mache häufig noch zu viele technische Fehler. Wenn ich die einfach mal abstellen würde, dann steht da auch eine Zeit, dass wir darüber nicht mehr diskutieren müssten. Es ist, Stand jetzt, einfach meine schlechteste Disziplin.

Neugebauer? "Goldfavorit" in Paris

Bei der EM hat der französische Superstar Kevin Mayer eine Extra-Starterlaubnis vom Veranstalter European Athletics erhalten. Wie stehen Sie dazu?

Wenn das der Weg von European Athletics ist, die Starterfelder wie von uns gewünscht größer zu machen, ist das für mich ok. Ich hätte es schwierig gefunden, wenn dafür der 24. rausgeflogen wäre. Das wäre mir dann doch sehr bitter aufgestoßen. Aber so ist es in Ordnung.

Was trauen Sie ihren nationalen Konkurrenten Manuel Eitel, Felix Wolter und Tim Novak bei der EM zu?

Bei Manuel (Eitel) ist es schwierig, er hat noch nicht so viel gemacht dieses Jahr. Deshalb kann ich es nicht so gut einschätzen. Felix (Wolter) hat einen guten Mehrkampf schon gemacht, deswegen gehe ich davon aus, dass er nochmal einen Ticken an Punkten drauflegen kann. Und Tim (Novak) wird das auch versuchen und kann das von der körperlichen Verfassung her sicherlich auch. Alle, die dabei sind, wollen nach Paris. Daher wird es bis zur letzten Disziplin spannend.

Ein letztes Wort noch zu Leo Neugebauer, der in den USA für Furore gesorgt und den deutschen Rekord pulverisiert hat? 

Wenn es ein Wort ist, dann ist es Goldfavorit. Für mich ist er in der Verfassung, in der er ist, der ganz klare Favorit für Paris. Das muss er natürlich auch im Olympiastadion bringen, aber es war schon sehr, sehr stark, das muss man einfach so sagen. Es freut mich brutal für ihn. Es hilft auch unserer Sportart. Ich stelle mich nicht hin und sage, dass es doof ist, dass einer besser war als ich. Es hilft ja unserer Disziplin.

Das Gespräch führte Gerrit Kleiböhmer

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