Luka Doncic und Kyrie Irving haben mit einem bisher überragenden Playoff-Run bei Dallas Mavericks für Diskussionsstoff gesorgt. Handelt es sich gar um den besten offensiven Backcourt der NBA-Geschichte? Es ist eine komplizierte Frage …
Räumen wir das wichtigste Thema zuerst aus dem Weg: die Begriffsklärung. Es gibt keine Debatte, ob Luka Doncic und Kyrie Irving den großartigsten Backcourt der NBA-Geschichte formieren – das war nicht das Thema, das Stan Van Gundy beim TNT-Broadcast der Western Conference Finals angestoßen hat, es geht auch jetzt nicht darum.
Es wäre ja auch schlichtweg Irrsinn; Stephen Curry und Klay Thompson gewannen vier Titel gemeinsam, Isiah Thomas und Joe Dumars holten als wichtigste Offensivspieler ihres Teams zwei, Tony Parker und Manu Ginobili waren zwei von drei Säulen der Spurs-Dynastie. Walt Frazier und Earl Monroe haben existiert. Bob Cousy und Bill Sharman (und Sam Jones) auch, selbst wenn manch einer davon ausgeht, dass diese Oldies nur gegen halb-betrunkene Hausmeister gespielt haben.
Kyrie und Luka spielen seit anderthalb Jahren zusammen – sie haben einmal die Playoffs verpasst und nun drei Serien gewonnen. Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem das Duo es gemeinsam in All-Time-Debatten schafft. Noch ist dieser Tag aber mit großer Sicherheit nicht gekommen. Das hat auch SVG nicht anders behauptet, selbst wenn ihm die "Inside the NBA"-Crew dies andichten wollte.
Van Gundy ging es um die Offense. Um das gemeinsame Talent. Vielleicht auch um die Rolle, die Verantwortung in diesem Moment. Er nannte LuKai "den besten offensiven Backcourt der NBA-Geschichte". Hat er damit Recht?
Eine komplizierte Frage
Die Antwort auf diese Frage zu finden, ist aus vielerlei Hinsicht kompliziert. Etwa die Subjektivität. Jeder bevorzugt unterschiedliche Spielertypen, bewertet Spieler in All-Time-Rankings unterschiedlich. Es gibt objektive Kriterien, diese lassen sich aber nicht immer ideal als Methoden des Vergleichs nutzen.
Ein Beispiel: 2019/20 spielten zwei recht frisch gekürte MVPs (2017 und 2018) gemeinsam im selben Backcourt. Zu Recht würde jedoch niemand von James Harden und Russell Westbrook als bester Guard-Kombination der NBA-Geschichte sprechen. Neben dem kollektiven Talent ist es schließlich auch eine legitime Frage, ob und wie sich die beiden Spieler ergänzen.
Statistische Maße sind nutzbar zur Veranschaulichung, wenn auch nicht alle ideal. Nimmt man etwa die totalen Zahlen (und berücksichtigt nur die Playoffs), steht LuKai im historischen Vergleich sehr gut da. Gemeinsam erzielen sie in dieser Postseason bisher 52 Punkte und verteilen 14 Assists.
Mehr dazu:
Die besten Werte anderer historischer Duos (in Playoff-Runs mit wenigstens zwei gewonnen Serien):
- Doncic/Brunson: 54 Punkte, 11 Assists (2022)
- Harden/Paul: 50 Punkte, 13 Assists (2018)
- Curry/Thompson: 49 Punkte (2016 und 2022), 9 Assists
- Cousy/Sharman: 41 Punkte, 12 Assists (1957)
- Parker/Ginobili: 40 Punkte, 10 Assists (2008)
- Thomas/Dumars: 38 Punkte, 13 Assists (1990)
- Frazier/Monroe: 38 Punkte, 9 Assists (1973)
Bei einem tiefen Run hat tatsächlich noch kein Backcourt-Duo so viele gemeinsame Punkte und Assists aufgelegt wie Luka und Kyrie (56) – und kein anderes Duo kommt diesem Duo näher als ein anderes Luka-Duo, das mit Jalen Brunson (55).
Man muss dabei allerdings beachten, dass es natürlich Ära-spezifische Unterschiede in Sachen Spieltempo, Punkte pro Spiel und Rollenverteilung gibt – und dass man generell infrage stellen kann, ob "viel" gleichzeitig "gut" bedeutet … eine perfekte Art des Vergleichs ist dies also nicht. Beziehungsweise: Es lässt sich daraus nicht ableiten, dass Doncic und Irving über den anderen genannten Duos stehen sollten.
Die Frage nach der Last
Was sich (etwas besser) vergleichen lässt, ist die direkte offensive Verantwortung der Spieler. Dallas‘ Offense lebt davon, was die beiden Guards kreieren – selbst wenn Doncic auf die Bank geht, ist mit Irving noch immer ein immens kreativer Scorer und Playmaker auf dem Court, der die Offense heliozentrisch am Laufen halten kann. Ein ähnliches Konzept nutzten die Mavs auch schon 2022 mit Brunson, Irving repräsentiert nun eine Steigerung (von Brunsons 22er Version).
Thinking Basketball hat eine Usage-Statistik namens "Load" kreiert, die berechnet, an wie vielen Ballbesitzen von 100 ein Spieler direkt beteiligt war, also entweder per Wurf, Turnover, Assist oder Pass für einen Wurf, der danebengeht. Hier ist LuKai natürlich auch prominent vertreten. Die Load von Doncic beträgt aktuell 55 (Platz 3 in diesen Playoffs), Kyrie liegt bei 38.
Der kombinierte Wert von 93 übertrifft die höchsten Werte der Splash Brothers (92), von Parker und Ginobili (88) und von allen anderen historischen Kombinationen, zumindest bei Teams, die dann auch Meister wurden. Zwei Duos mit höherer Kombination waren jedoch zu finden:
- 21/22: Doncic 64, Brunson 36 – Gesamtwert: 100
- 17/18: Harden 62, Paul 45 – Gesamtwert: 107
Das untere Duo ist interessanterweise der wohl trefflichste Vergleich zum aktuellen Mavs-Duo.
Ein Superstar, ein Zuarbeiter
Blickt man auf die historischen Tandems, fallen einige Parallelen auf. In der Regel gab es einen Superstar und eine Art Zuarbeiter, ohne die Leistungen dieser Spieler schmälern zu wollen; Dumars war nie ein Superstar, Ginobili lange Zeit sogar Bankspieler, wenngleich massiv überqualifiziert für diese Rolle. Thompson war ein unglaublicher Shooter, aber eben kein Spieler, der aus dem Nichts für sich oder andere etwas kreieren konnte. Das regelten die Warriors über andere Wege, namentlich Draymond Green, der einige klassische Guard-Pflichten übernahm.
Die 18er Rockets hingegen ließen ihre gesamte Offense über zwei Spieler laufen. Es war ihre Calling Card, 48 Minuten lang mindestens einen Hall-of-Fame-Level-Point Guard auf dem Court zu haben – mit einem MVP-Kandidaten in seiner Prime in Harden und dem Altmeister Paul, der noch immer auf All-NBA-Level spielte. CP3 war damals 33, ein Jahr älter als Kyrie heute.
Doncic ist jünger als der damalige Harden, aber ansonsten passt vieles: Umgeben wird das Tandem von Rollenspielern, die athletisch sind, vor allem Defense spielen und Dreier schießen können. Einen starken Rim-Runner und Lob-Finisher (Clint Capela) hatten die Rockets auch noch – okay, die Mavs haben mehrere davon.
Die heutigen Mavs folgen einem sehr ähnlichen Modell wie die Rockets damals. Was durchaus Sinn ergibt und keine „Beleidigung“ ist – dieses Team brachte die Warriors mit Kevin Durant an den Rand einer Niederlage, war eins der besten titellosen Teams der NBA-Geschichte, wenn nicht sogar das beste. Auch die Star-Statistiken nach drei Runden sind ziemlich ähnlich:
- Doncic 23/24: 28,8 Punkte, 43,8% FG, 34,3% 3FG, 8,8 Assists, 9,6 Rebounds
- Harden 17/18: 28,6 Punkte, 41% FG, 29,9% 3FG, 6,8 Assists, 5,2 Rebounds
- Irving 23/24: 22,8 Punkte, 48,5% FG, 42,1% 3FG, 5,2 Assists, 3,9 Rebounds
- Paul 17/18: 21,1 Punkte, 45,9% FG, 37,4% 3FG, 5,8 Assists, 5,9 Rebounds
Der feine Unterschied
Doncic und Kyrie sind also einen Ticken besser unterwegs. Sie haben zudem einen wesentlichen Vorteil gegenüber Harden und Paul – sie haben es mittlerweile gelernt, sich gegenseitig zu amplifizieren. Beim Harden und Paul sah die Offense zumeist sehr ähnlich aus, egal, ob gerade beide Guards oder nur einer von ihnen spielte; es wurde viel isoliert, kaum mal Two-Man-Game mit beiden aufgezogen.
Das machte die Rockets-Offense extrem robust, aber Paul und Harden machten sich nicht zwingend gegenseitig besser. Sie waren sich in ihrer Balldominanz etwas zu ähnlich, auch deshalb hielt ihre Ehe lediglich zwei Jahre. Bei den Mavs ist das ein wenig anders, was vor allem an Irving liegt.
Er ist kein besserer Spieler als Paul, aber ein besserer, willigerer Off-Ball-Spieler. Er spielt mit einem anderen Tempo als Doncic und steckt diesen damit bisweilen an. Er kann mit dem Ball in der Hand kochen, Doncic das Leben aber auch anderweitig leichter machen. Die unterschiedlichen Stile der beiden Stars bereichern einander.
Das Offensiv-Rating der Mavs in den Playoffs spricht hier eine ziemlich klare Sprache. Mit beiden Guards auf dem Court liegen die Mavs bei 121, was ein überragender Wert ist. Spielt Doncic ohne Irving, liegt dieser Wert bei 98. So extrem war der Unterschied in der Regular Season zwar nicht, eine Diskrepanz lag jedoch auch da vor. Das offensive Ceiling mit beiden auf dem Court ist schlichtweg deutlich höher einzuschätzen, gerade gegen anspruchsvolle Playoff-Defensiven.
Der größte Test
Insofern: Luka und Kyrie haben einen guten Case dafür, der talentierteste Offensiv-Backcourt dieser Bauart in der Liga-Geschichte zu sein. Sie tragen nicht die kumulierte größte Verantwortung eines Backcourts aller Zeiten, sind aber nah dran an der Spitze. Die Offense steht und fällt mit ihnen.
Und sie gehen gut damit um, weil sie eine unfassbar starke Kombination aus Shotmaking unter Druck, Playmaking für andere und Game Management mitbringen. Sie sind zwei Spieler, die einen defensiven Game-Plan des Gegners nehmen und komplett über Bord werfen können. Da sie sich auch noch das Leben leichter machen, ist der Claim nicht verrückt, sie als besten offensiven Backcourt der Liga-Geschichte zu bezeichnen. Wenn man es auf das Talent bezieht.
Was ihren historischen Stellenwert angeht – nun, das wird die Zeit zeigen. In den kommenden zwei Wochen treffen sie auf ein Celtics-Team, das in der Theorie bessere Antworten auf sie haben könnte, mit zwei All-Defensive-Team Guards und zwei langen, defensivstarken Forwards in ihren Reihen. Es ist eine Herausforderung, die das Duo in dieser Form noch nicht gesehen hat.
Es ist wahrscheinlich der bisher größte Test. Und eine gute Gelegenheit. Vielleicht verdienen sie sich über diese Serie ihre Eintrittskarte für die nächste Diskussion.
Ole Frerks







































