Kyle Pitts war nach seiner historischen Rookie-Saison zuletzt nur noch eine Randnotiz bei den Atlanta Falcons. Nun will er mit insgesamt verbesserten Umständen in der kommenden Spielzeit wieder angreifen und beweisen, dass er eben doch ein Star der NFL sein kann.
Im Vorfeld des NFL Draft 2021 wurde viel diskutiert, wann denn das "Generational Talent" Kyle Pitts am Ende gezogen werden würde. Letztlich wurde es Position 4, vor Leuten wie Ja'Marr Chase, DeVonta Smith oder auch den Defensiv-Stars Patrick Surtain und vor allem Micah Parsons. Die Falcons schlugen damals zu, in der Hoffnung, mit Pitts ihre Offense explosiver und unberechenbarer zu machen.
Diese Rechnung ging zunächst auch auf. Der etatmäßige Tight End legte eine historisch gute Rookie-Saison hin und brachte es am Ende auf 1026 Receiving Yards. Damit wurde er erst zum zweiten Rookie-Tight-End neben Mike Ditka, dem dies überhaupt gelang. Man durfte sich also bestätigt fühlen ob der Wahl für Pitts. Seither jedoch verschlechterte sich der Blick zurück auf den damaligen Draft aus Sicht der Falcons ein wenig.
Auch aufgrund mehrerer Verletzungen - erst zwickte der hintere Oberschenkelmuskel, dann riss das Innenband im Knie - machte Pitts 2022 nur zwei Spiele und wirkte 2023 nie vollends fit, obwohl er alle Spiele absolvierte. Doch waren die Verletzungen alleine sicher nicht der Grund, warum seine Leistungen im Vergleich zum Rookie-Jahr klar schlechter wurden?
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NFL: Ist Kyle Pitts schlechter geworden?
Abgesehen von den totalen Zahlen sticht vor allem heraus, dass Pitts deutlich ineffizienter wurde im Laufe der Zeit. Kam er als Rookie noch auf starke 2,02 Yards pro gelaufener Route, eine "PFF"-Statistik, die im Grunde besagt, wie effizient ein Receiver eingesetzt wird, sank dieser Wert 2023 auf gerade mal 1,43 Yards. Ist Pitts also schlechter geworden?
Wahrscheinlich nicht. Allerdings muss man aus heutiger Sicht zumindest mal mit der allgemeinen Annahme aufräumen, dass ihn der frühere Head Coach Arthur Smith nicht ausreichend genug eingesetzt hat. Sah Pitts 2021 noch rund 32 Snaps in Passing-Situationen pro Spiel, waren es 2023 noch rund 29. Drei solche Snaps pro Spiel weniger ist kaum ein Unterschied, der signifikant genug wäre, um schlechtere Production zu begründen.
Ursächlich erscheint daher schon eher die Tatsache, dass die Umstände für Pitts nicht immer die besten waren. Hatte er 2021 noch den routinierten Matt Ryan als Quarterback an seiner Seite, wechselte Smith seither häufig durch. Marcus Mariota durfte sich versuchen, Desmond Ridder war häufig auf dem Feld und selbst Taylor Heinicke hatte ein paar Gastauftritte. Und keiner von ihnen zählt zur Elite dieser Position.
Mit Neuzugang Kirk Cousins soll nun alles anders, alles besser werden. Und die Hoffnung darauf ist durchaus berechtigt. Cousins war schon zu seiner Zeit in Washington einer der produktivsten Quarterbacks, wenn es darum ging, Tight Ends in Szene zu setzen. Das setzte sich auch in Minnesota fort, wo er zuletzt besonders mit T.J. Hockenson auf einer Wellenlänge funkte. Jener hatte in den vergangenen zwei Jahren mehr Snaps in Passing Downs, Targets, Receptions und Receiving Yards als in den drei Jahren zuvor.
Offensive Einflüsse von McVay
Das mag natürlich auch an Head Coach Kevin O'Connell und seiner Offense gelegen haben. Doch das wiederum spricht nun auch für Pitts, denn wie O'Connell kommt auch der neue Offensive Coordinator der Falcons, Zac Robinson, aus dem Sean-McVay-Coaching-Tree. Die Offenses der Falcons und Vikings werden sich also grundsätzlich ähneln.
Nicht unbedingt ähneln tun sich derweil Hockenson und Pitts, wenn man von ihrer nominellen Position absieht. Hockenson ist mehr der klassische Tight End, während Pitts ein Freak ist. Trotz seiner Tight-End-Statur lief er die 40 in 4,44 Sekunden beim Combine 2021. Er ist sehr beweglich und trotzdem stark. Geplant ist, dass er dennoch alle Facetten des Tight-End-Spiels ausfüllen wird. Er soll als Receiver sowohl Inline als auch außen spielen - sowieso im Slot. Und er soll häufiger als bislang auch als Blocker fungieren.
Eine besondere Herausforderung für Pitts, der nun praktisch eine neue Offense und darin zwei Positionen neu erlernen muss. Bei den OTAs der Falcons sagte Pitts: "Ich würde sagen, dass ich ein Super-Rookie bin. Sie wissen schon, ich bin kein 'Rookie-Rookie', aber wir sind alle in dieser neuen Offense, haben ein neues Regime, einen neuen Zeitplan. Also sind wir alle frisch in einer neuen Situation. Aber eine neue Offense zu lernen, macht immer Spaß."
Im Fokus steht für Pitts aber, eine Beziehung zu Cousins aufzubauen. Das Wichtigste im Umgang mit einem QB ist für ihn als Tight End die "Beziehung zu ihm, die Kommunikation und seine Kuscheldecke zu sein". Gemeint ist, der Receiver auf dem Feld zu sein, auf den man sich als QB besonders verlassen kann. So wie Tom Brady auf Rob Gronkowski, Patrick Mahomes auf Travis Kelce oder früher Peyton Manning auf Dallas Clark.
So sollten die Falcons Pitts einsetzen
Robinson jedenfalls ist schon jetzt vollends begeistert von Pitts. "Er lernt im Grunde zwei verschiedene Positionen, denn es gibt die Arbeit als Tight End und als Receiver. Er hat also viel zu tun und bis jetzt hat er das sehr gut gehandhabt. Ich bin begeistert zu sehen, wie er sich allmählich wohler fühlt im neuen System. Und dann ist alles möglich im Bezug darauf, was für eine Saison wir haben können."
Doch was kann man konkret von der Art und Weise erwarten, wie Pitts künftig eingesetzt wird? In seiner Rookie-Saison spielte er in 21,8 Prozent seiner Snaps Inline, 2023 waren es nur noch 14,9 Prozent. Hier erwarte ich einen Anstieg, zumal Cousins eben gerne über die Mitte zu Tight Ends wirft. Es hätte zudem den Vorteil, dass es Gegner schwerer hätten, ihn zu decken. Ein Linebacker oder Safety könnte sich Eins-gegen-Eins schwer tun gegen ihn. Zudem verfügen die Falcons in der anstehenden Spielzeit über drei Wide Receiver, die in jedem Down spielen könnten, es besteht also keine Notwendigkeit, Pitts zu oft etwa im Slot zu platzieren. Dort startete er 2023 58,5 Prozent seiner Snaps - ein klarer Höchstwert für ihn. Zuvor lag der Anteil bei jeweils unter 45 Prozent in seinen ersten beiden Spielzeiten.
Ganz draußen jedoch sollte Pitts auch weiter seine Chancen bekommen. Als Rookie spielte er in 34,2 Prozent seiner Snaps "wide", zuletzt waren es nur noch 26,4 Prozent. Und mit seiner Größe und Geschwindigkeit sollte man seine Fähigkeiten als Contested-Catch-Receiver und Deep Threat nicht vernachlässigen. Zudem würde es vermutlich nicht schaden, seine durchschnittliche Target-Tiefe wieder etwas zurückzuschrauben. Als Rookie kam er auf 11,2 Yards im Schnitt und produzierte letztlich starke 4,7 Yards pro Reception nach dem Catch. Im Vorjahr lag er bei 12 aDoT und seine YAC/REC bei nur noch 2,5. Pässe auf ihn kamen in der Regel recht tief, damit war er für Defenses relativ berechenbar.
Es ist schwer zu sagen, welcher einzelne Faktor am meisten zum Rückgang von Pitts' Production geführt hat, es ist aber anzunehmen, dass die zahlreichen Verbesserungen zur Vorsaison - neuer OC, neues Scheme, bessere Mitspieler auf Receiver und vor allem Quarterback - allesamt die Chancen erhöhen, dass Pitts zu alter Stärke findet und seine wohl beste Saison in der NFL hinlegen könnte.
Marcus Blumberg






































