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Aus der "zweiten Reihe" zur Medaillenhoffnung

Exklusiv: Europameister Weber "so stark wie noch nie"

Speerwurf-Europameister Julian Weber will im Sommer wieder eine Medaille gewinnen
Speerwurf-Europameister Julian Weber will im Sommer wieder eine Medaille gewinnen
Foto: © IMAGO/Chai von der Laage
23. Mai 2024, 10:22

Speerwerfer Julian Weber katapultierte sich bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 2022 in München ins Scheinwerferlicht, nun will er in Rom (7. bis 12. Juni) seinen Titel verteidigen. Doch ausgerechnet wenige Tage vor dem EM-Start musste der 29-Jährige Wettkämpfe verletzungsbedingt absagen.

Im Interview mit sport.de hat der Medaillen-Aspirant unter anderem über seine Vorbereitung, seine nationalen Konkurrenten und über seine Ziele in diesem Sommer gesprochen - und darüber, wann bei ihm die magische 90-Meter-Marke fällt.

Herr Weber, in etwas mehr als zwei Wochen beginnen die Leichtathletik-Europameisterschaften in Rom. Eigentlich waren Wettkämpfe in Doha und Rehlingen geplant, Sie sind aber nicht an den Start gegangen. Warum? Lag es an der Adduktorenverletzung, die Sie sich im Trainingslager in Belek zugezogen haben? Wie geht es Ihnen?

Julian Weber: "Ja genau, im Trainingslager habe ich relativ viel und weit geworfen. In der letzten Wurfeinheit habe ich mir dann den Adduktor gezerrt und mir eine Muskelverhärtung zugezogen. Das hat sich dann lange gezogen, ich wollte nicht zu früh einsteigen in eine Saison wie diese mit den Europameisterschaften und den Olympischen Spielen. Deswegen habe ich sicherheitshalber die ersten beiden Wettkämpfe abgesagt, habe auch seither nicht mehr geworfen. Ich habe natürlich viele Behandlungen gehabt und viel trainiert, es fühlt sich jetzt auch gut an.

Ich werde nun schauen, bei welchen Wettkämpfen, am 24. Mai in Dessau und am 29. Mai in Ostrava, ich starten werde. Ich werde auch später im Training testen, wie es sich anfühlt und bin da eigentlich optimistisch."

Wie war denn Ihr Stand in der Vorbereitung vor dieser Verletzung? Wie ist Ihr Gefühl jetzt?

"Trotz der Adduktorenzerrung habe ich ein gutes Gefühl, ich habe da serienweise 85 Meter und weiter geworfen. Das hat mir schon ein sehr gutes Gefühl gegeben. Ich bin so stark und fit wie noch nie. Klar, das mit der Adduktorenzerrung war jetzt ein bisschen nervig, aber sie hält mich jetzt auch nicht auf.

Trotzdem ist es etwas schade, weil es gerade genau die Zeit ist im Training, in der man den Adduktor viel braucht. Ich hätte gerne viele Anläufe gemacht, damit ich da eine Routine habe. Ich hätte gerne im technischen Bereich viel gearbeitet, dafür ist der rechte Adduktor sehr wichtig. Da wollte ich die Technik verbessern, das heißt, dass ich die Hüfte schneller reinbekomme und von rechts nach links setze. Das war nun schwierig. Es kann sein, dass ich jetzt nicht gleich die besten Leistungen bringe, weil ich einfach ein bisschen mehr Zeit brauche. Aber ich bin optimistisch, dass das schnell gut werden kann."

Titelverteidigung in Rom? Weber sieht starke Konkurrenz

Schwingt denn in so einem pickepackevollen Sommer auch immer die Angst mit, dass da wirklich noch so eine Verletzung um die Ecke kommen kann, die dann das ganze Training zunichtemacht?

"Die hat man immer im Unterbewusstsein, aber da denkt man nicht dran. Das bringt nichts, gerade im Speerwurf. Da muss man voll draufgehen, sonst funktioniert das nicht. Ich trainiere so viel, dass mein Körper zusammenhält. Deswegen habe ich keine Bedenken. Klar, kann immer etwas passieren, aber ich kann meinen Körper mittlerweile auch gut einschätzen und weiß, wenn etwas zu viel ist. Dann trete ich auf die Bremse und dann passt das auch."

Sie arbeiten im Training mit Burkhard Looks zusammen. In einer Podcast-Folge mit dem DLV haben Sie mal gesagt, dass er eher einer "von der alten Schule" sei. Sie hingegen probieren auch gerne neue Trainingsmethoden aus. Warum passen Sie beide dennoch gut zusammen?

"Ich denke, wir ergänzen uns gut. Wir arbeiten sehr gut zusammen und haben einen Weg gefunden, dass unser beider Interessen einbezogen werden. Die Technik, und sozusagen die 'alte Schule', kommt vom meinem Trainer Burkhard Looks und ich bringe sehr viel neuen Input rein, mache sehr viel selbst im athletischen Bereich, aber auch Themen wie Muskel-Koordination. Da schaue ich mir auch gerne etwas bei anderen Athleten ab. Das stimmen wir gemeinsam ab und das ergibt dann eine gute Kombi."

Richten wir den Blick nach Rom. Sie reisen nach Italien als amtierender Europameister. Ihr Ziel kann dann ja eigentlich nur heißen, den Titel zu verteidigen, oder?

"Dadurch das die EM in diesem Jahr relativ früh ist und mit Blick auf Olympia sowie auf die Adduktorenzerrung ist alles etwas schwieriger. Ich bin trotzdem sicher, dass ich um eine Medaille mitwerfen kann. Die Konkurrenz ist natürlich sehr stark, wie ein Jakub Vadlejch oder Oliver Helander. Das wird bestimmt nicht einfach, aber klar will ich meinen Titel verteidigen. Ich freue mich extrem auf die EM in Rom, das ist ein Riesending."

Platz vier bei der WM in Budapest: "Das war so ein bisschen der Killer für mich"

Der EM-Sieg in München von 2022 war eines Ihrer größten Highlights. Schwingen diese besonderen Momente noch im Hinterkopf mit? Gibt es da etwas, das Sie mitnehmen können für die Wettkämpfe in Rom?

"Die beste Erfahrung, die ich da gemacht habe, war: Auch wenn nicht viel zusammenpasst, kann es gut laufen. Natürlich war das aber auch eine extreme Leistung der Zuschauer, insgesamt denke ich sehr gerne an München zurück und schaue mir die Videos an. Das war sehr emotional und sicherlich einer der schönsten Momente meines Lebens. Das will man wieder haben."

Bei der am Ende so enttäuschenden WM in Budapest ein Jahr später zählten Sie natürlich schon zu den großen Medaillenhoffnungen. Sie wurden Vierter, verpassten das erhoffte Edelmetall somit. Hat es eine Rolle gespielt, dass die anderen Athletinnen und Athleten zuvor in ihren Wettkämpfen den Erwartungen nicht gerecht geworden sind? Haben Sie da eine zusätzliche Last gespürt?

"Unterbewusst sicherlich. Die Speerwerfer sind meistens am Ende erst dran, das ist eigentlich nicht so schön. Da müsste ich mal nachfragen, ob man das nicht ändern und den Ablaufplan spiegeln kann. Nichtsdestotrotz ist das nichts, was mich großartig beeinflusst hat, die Situation hatte ich jetzt schon öfters. Das hat mich nicht heruntergezogen, ich bin da auf mich fokussiert. Aber es wäre auch schön gewesen, nicht die letzte Medaillenhoffnung gewesen zu sein. Klar ist, dass ich weiter hätte werfen können, weil ich eigentlich gut drauf war. Ich schiebe das aber auch gerne darauf, dass die Abwurflinie ziemlich weit vom Rasen weg war. Wir sind es gewöhnt, kurz vor dem Rasen abzuwerfen. Das war so ein bisschen der Killer für mich."

Also entscheiden wirklich solche Kleinigkeiten am Ende darüber, ob es Platz vier oder eben drei wird …

"Man muss sich das so vorstellen: Es hat sich angefühlt, als würde ich auf Mitte der Anlaufbahn abwerfen. Das war sehr ungewohnt. Ich gehe sehr viel übers Feeling und den Rhythmus, das hat mir den Vibe genommen.

Kommen wir zu Ihrem Platz im deutschen Speerwurf, wo die Konkurrenz unglaublich stark ist. Neben Ihnen tummeln sich da seit Jahren etwa Olympiasieger Thomas Röhler oder Weltmeister Johannes Vetter. Jetzt kommt mit Max Dehning ein weiteres Top-Talent hinzu. Ist es in Deutschland besonders schwer, als Speerwerfer seinen Platz zu finden und auf sich aufmerksam zu machen?

"Ich war lange Zeit der viertbeste deutsche Speerwerfer, teilweise sogar fünftbester und immer eher in der zweiten Reihe. Und trotzdem war ich ja immer bei internationalen Meisterschaften im Finale und somit in der Weltspitze dabei. Das ist schon eine extreme Besonderheit im deutschen Speerwurf. Natürlich war es nicht das Schönste, hinten dran zu sein. Deswegen genieße ich es jetzt auch, ganz vorne zu stehen, einen Titel eingefahren zu haben und als deutsche Medaillenhoffnung zu gelten. Das ist eine schöne Situation, die ich jetzt sehr schätze, weil es lange anders war. Aber die Konkurrenz belebt das Geschäft, wir konkurrieren da auf Weltniveau. Jeder hat sein eigenes Training und seine eigene Technik, man kann sich da vieles abschauen voneinander …"

Kampfansage von Max Dehning? "Hätte vermutlich dasselbe gesagt"

… also schauen Sie durchaus nach links und rechts, um zu sehen, wie Ihre nationalen Konkurrenten arbeiten und abschneiden?

"Ja, auf jeden Fall. Man kann sich da austauschen und Tipps geben. Es ist auch schon, bei internationalen Wettkämpfen nicht alleine zu sein. Bei der EM haben wir theoretisch vier Plätze, es wäre natürlich schön, wenn wir zu viert fahren könnten. Ich habe durch meinen Titel eine Wild Card. Mit Max Dehning haben wir die Next Generation im Team, das ist ein megaguter Typ mit einer unfassbaren Power, obwohl er noch so jung ist. Er ist noch sehr wild, da fehlt noch Routine, auch die Technik kann man sicherlich ausbauen. Aber er hat ja jetzt schon weiter geworfen als ich, das muss man ja auch dazu sagen. Ich hoffe nur, dass er sich dadurch selbst keine Steine in den Weg legt, nur weil er jetzt einmal so weit geworfen hat. Aber ich denke, dass der Max damit auch gut umgehen kann."

Max Dehning sagte nach dem von Ihnen angesprochenen 90-Meter-Wurf im vergangenen Februar, er glaube, dass nun auch "die Großen ein wenig Schiss" vor ihm haben dürften. Wie kommt so eine Kampfansage bei Ihnen an?

"Ich habe mitbekommen, dass er das gesagt hat. Ich hätte vermutlich dasselbe gesagt, wenn ich mit 19 Jahren 90 Meter geworfen hätte. Deswegen nehme ich ihm das auch auf keinen Fall übel. Es ist ja völlig legitim, wenn man da so ein Ding raushaut. Man hat sich schon gewundert, wo der Wurf da plötzlich herkam. Und natürlich habe ich mich für Max gefreut. Im Speerwurf kann auch mal alles zusammenlaufen, wenn man einen perfekten Wurf hat und perfekte Wetterbedingungen herrschen bzw. ein starker Rückenwind weht. Das passiert nicht alle Tage und das muss man dann auch erst einmal einordnen. Es ist schön, dass einem das gelingt, aber es wird schwierig, daran auch anzuknüpfen."

Ihr bester Wurf, 89,54 Meter, datiert aus Juni 2022. Wann klappt es mit den 90 Metern?

"Ich hatte jetzt schon drei 89er. Ich bin in der besten Form meines Lebens und habe sehr hart trainiert. Wenn ich mich gut in die ersten Wettkämpfe einfinde und mich gut fühle, dann sollte das machbar sein. Es muss extrem viel zusammenlaufen, damit das passiert. Aber mein Leistungsstand ist darauf ausgelegt."

Letzte Frage: Wie sähe Ihr perfekter Sommer aus?

"Mein perfekter Sommer? Ein paar Wochen nach Thailand, vielleicht das ein oder andere Festival mitnehmen … (lacht) Nein, Spaß! Das war mein Sommer von 2017, der auch nicht schlecht war, aber da hatte ich eine Verletzung und habe etwas anderes gemacht.

Nein, ich mache jetzt erst einmal die ersten Wettkämpfe, dann geht es zügig auf die EM zu. Da will ich ganz klar eine Medaille. Danach habe ich Zeit, mich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten. In Paris will ich auch eine Medaille holen, das ist das Ziel!"

Das Gespräch führte Gerrit Kleiböhmer

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