Der NFL Draft ist per se ein Glücksspiel und Draftpicks in erster Linie mal Lotterietickets. Insofern ist es natürlich generell schwierig, einem Team so kurz danach irgendwas vorzuwerfen oder gar den Pick zu hinterfragen. Doch was die Atlanta Falcons gemacht haben, ist zumindest schwer nachzuvollziehen. Ein Kommentar.
Die Falcons sorgten für einen großen Splash in der Offseason, als sie sich Quarterback Kirk Cousins von den Minnesota Vikings als Free Agent angelten. Ein Move, für den es nun eine Untersuchung wegen möglichem Tampering gibt. Sie statteten ihn mit einem Vierjahresvertrag in Höhe von 180 Millionen Dollar aus, von denen 100 Millionen über die ersten drei Jahre garantiert sind.
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Die Message war also klar: Cousins ist unser Quarterback der Zukunft. Das suggerieren jedenfalls diese Zahlen. Nun allerdings muss man diese Zukunft offenbar schon wieder relativieren, denn mit dem achten Pick zogen die Falcons nun mit Michael Penix Jr. den potenziellen Nachfolger von Cousins. Und Cousins hat noch nicht mal einen Snap für Atlanta absolviert. Und er ist mit seinen bald 36 Jahren auch noch ein Stück vom Ruhestand entfernt.
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Falcons: Penix hat lange Krankenakte
Was die Sache verkompliziert, sind zwei Dinge. Zum einen ist Penix selbst mit seinen bald 24 Jahren schon relativ alt für einen Rookie und wäre demnach 26 oder 27, wenn er für Cousins übernehmen würde. Zum anderen zieht das Argument, dass Cousins nach seinem Achillessehnenriss ein gewisses Verletzungsrisiko bürgt auch nur geringfügig. Denn Penix selbst hatte schon diverse Verletzungen seinerseits, weshalb er insgesamt sechs Jahre am College (Indiana und dann Washington) verbracht hat.
Problematischer ist allerdings die Kommunikation, die die Falcons hier an den Tag gelegt haben. Das lässt sich ganz gut an der Diskrepanz der Berichterstattungen ablesen. Zunächst hatte Dianna Russini von "The Athletic" noch berichtet, dass die Falcons Cousins im Vorfeld schon darüber informiert hätten, dass ein QB an 8 eine Option sein könnte, auch wenn er das nicht geglaubt habe. Und er sei "ein bisschen fassungslos" gewesen, als man ihn dann während des Drafts anrief.
Diese Darstellung stammt offensichtlich von einer Teamquelle der Falcons, denn Cousins' Agent Mike McCartney hatte eine andere Darstellung der Situation. Er schrieb unter anderem Reporter Mike Garafolo vom "NFL Network": "Ja, es war eine große Überraschung. Wir hatten keine Ahnung, dass das anstand. Die Wahrheit ist, dass die ganze Liga keine Ahnung hatte. Wir wurden nicht im Voraus informiert. Kirk bekam einen Anruf von den Falcons, als sie an der Reihe waren. Da haben wir zum ersten Mal davon gehört. Es war nie Thema in irgendeinem Gespräch."
Und laut Jane Slater vom "NFL Network" sei Cousins "geschockt" und "enttäuscht" über die Situation.
Falcons stoßen Cousins vor den Kopf
Man kann nun rationalisieren, dass dieser Move das Beste für Zukunft des Franchise ist. Ebenso kann man die Bedeutung eines guten Backups hervorheben. Im Vorjahr starteten rund 60 verschiedene Quarterbacks mindestens ein Spiel in der NFL. Doch stellt sich eben die Frage, ob man das so abwickeln muss, wie es die Falcons gemacht haben.
Man holt nicht einen teuren und erfahrenen Quarterback in der Free Agency, um diesem dann nur wenige Wochen später so vor den Kopf zu stoßen. Das führt unweigerlich zu Animositäten in einer Phase, in der man sich gerade erst für kurze Zeit kennt. Sollte Cousins nun bereits das Vertrauen in die Organisation verlieren, wäre das fatal für die Falcons. Denn potenziell loswerden können sie Cousins mit seinem Vertrag und seiner No-Trade-Klausel ohnehin nicht. Nicht, dass sie das wollten. Aber allzu gut gelaunt wird er in nächster Zeit nicht sein.
Die Falcons hätten ihr Team um Cousins herum in der Offense weiter verstärken können, wie es etwa die Bears für ihren Rookie-QB Williams mit Rome Odunze an Position 9 gemacht haben, obwohl sie schon zwei Top-Receiver im Team hätten. Ebenso hätten sie endlich einen Elite-Pass-Rusher holen können, um diese langjährige Baustelle in der Defense anzugehen. Stattdessen holen sie bestenfalls einen Backup für ihren neuen Top-Quarterback, wovon der offenbar nichts wusste. Und das in einer Zeit, in der Spieler immer mächtiger werden und gerade Quarterbacks viel Einfluss in einer Organisation haben und wohl auch haben sollten.
Penix kann sich als guter Move für die Zukunft entpuppen. Für die Gegenwart ist er jedoch vor allem ein Störfeuer, dass die Falcons in ihrer bis dahin vorherrschenden Euphorie nicht gebraucht hätten.
Marcus Blumberg
Weiter geht der Draft mit den Runden 2 und 3 in der Nacht zum Samstag ab 1 Uhr. RTL+ sendet ab 0:30 Uhr live aus Detroit, dazu könnt Ihr das Geschehen auch bei sport.de im Liveticker verfolgen.




































