Mit der Vorstellung von Heinz Kuttin als neuer Frauen-Bundestrainer hat der Deutsche Skiverband eine wichtige Personalfrage geklärt. Das Skisprung-Team um Katharina Schmid und sein neuer Chef stehen vor einer wegweisenden Saison, meint TV-Kommentator und sport.de-Experte Luis Holuch.
Wenn sich die deutschen Skispringerinnen eine Saison, in der nicht viel zusammenläuft, hätten aussuchen können, dann wäre es ganz sicher der Winter 2023/2024 gewesen. Natürlich sind Leistungsschwankungen und unbefriedigende Ergebnisse immer schmerzhaft für die Athletinnen, in einem Winter ohne Großereignis jedoch verkraftbarer.
Und, dass es nach der grandiosen Vorsaison mit drei Mal WM-Gold durch Katharina Schmid (damals noch Althaus), im Team und im Mixed-Team, einer weiteren Bronzemedaille durch Schmid sowie elf Podien von ihr, drei weiteren von Selina Freitag und 32 weiteren Top-Ten-Platzierungen im Weltcup nicht genauso weitergehen würde, war auch erwartbar.
Dass sich die Zahl der Top-Ten-Plätze von 46 auf 23 halbieren würden und Schmid als einzige DSV-Springerin den Sprung aufs Podium (und das auch lediglich vier Mal) schaffen würde, übertraf jedoch die Befürchtungen, die man im Vorfeld dieser Übergangssaison haben konnte.
Sinnbildlich dafür stand das Weltcup-Finale in Planica, wo Selina Freitag als beste Deutsche 15. wurde und sich auch noch Luisa Görlich im Training zuvor das Kreuzband riss und nun lange ausfällt.
Wie so oft liegt die Wurzel eines schwachen Winters im Sommer zuvor. Und in diesem kam viel zusammen. Nach dem erfolgreichen WM-Winter war das Interesse an Schmid und Co. groß. Die zahlreichen Medienanfragen, die erfüllt werden wollten, wirkten sich entsprechend auf die Trainingsumfänge aus. Doch die wären gerade in Anbetracht der vielen Materialumstellungen notwendig gewesen.
Dann trennten sich kurz vor Saisonstart auch noch die Wege des Teams und Bundestrainer Maximilian Mechler, weil dieser laut eigener Aussage die Springerinnen nicht mehr so erreichte, wie es notwendig sei, um den maximalen Erfolg zu erreichen. Dessen Posten musste interimsweise sein bisheriger Co-Trainer Thomas Juffinger übernehmen.
Der 30-Jährige Österreicher, der seine Stärken in der täglichen Trainingsarbeit hat, war von einem Tag auf den anderen mehr Administrator und Organisator als Übungsleiter und Vertrauensperson. Überfordert wirkte er dennoch nicht, gab stets sachliche Analysen über die Leistungen seiner Athletinnen ab, die auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbar waren.
Schlussendlich liegt es ohnehin in der Hand der Athletinnen, die Anweisungen des Trainers umzusetzen, gerade wenn die guten Leistungen ausbleiben. Oft genug fehlte schlicht die Konstanz, nur ein guter Sprung pro Wettkampf bringt eben keine großen Punkte.
Dass Juffinger nach dem Winter wieder ins zweite Glied rücken würde, war klar. Seit Mittwoch ist nun auch Mechlers offizielle Nachfolge geklärt: Heinz Kuttin wechselt zu den Spezialspringerinnen.
Skispringen: Heinz Kuttin kommt mit großem Erfahrungsschatz
Die Stelle wurde frühestmöglich besetzt und das mit einem höchst erfahrenen Trainer, der in seiner Vita bereits Athletinnen und Athleten auf jedem erdenklichen Niveau angeleitet hat. Nachdem er eine Saison lang in Österreich als Co-Trainer der finnischen Trainerlegende Hannu Lepistö lernte, wechselte er nach Polen. Dort trainierte er ein Jahr lang den B-Kader, ehe er 2004 zum Cheftrainer der Nationalmannschaft befördert wurde und zwei Jahre einen Mann namens Adam Małysz und dessen Teamkollegen trainierte.
Danach ging er zurück nach Österreich, zunächst als Stützpunkttrainer in Villach, ehe er im April 2014 die Nachfolge von Alexander Pointner übernahm und vier Saisons die Herren-Nationalmannschaft seines Heimatlandes betreute.
Nach einem beschwerlichen zweijährigen Intermezzo in China übernahm er im Frühjahr 2020 das Sprungtraining der deutschen Nordischen Kombinierer, von denen er nun zum Spezialspringen zurückkehrt.
Genau dieser Wechsel kommt Kuttin selbst sicher zugute. Er, der grundsätzlich viel von seinen Schützlingen verlangt, muss in der Trainingsarbeit keine Kompromisse mehr eingehen, da es keine zweite (auch grundlegend verschiedene) Disziplin mehr gibt. Er kann seine sehr physische Trainingsphilosophie so implementieren, wie es ihm beliebt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der 53-Jährige kommt gerade aus einer Saison, in der die Sprungleistungen der deutschen Kombinierer bestenfalls durchwachsen waren. Mit Terence Weber schaffte gerade einmal ein DSV-Athlet den Sprung unter die Top 10 der "Best Jumper Trophy". Im Nationencup fiel die deutsche Mannschaft vor allem deshalb von Rang eins auf drei zurück, weil sie viel zu oft im Springen derart große Rückstände aufriss, die im Langlauf nicht aufzuholen waren.
In diesem Sinne haben Heinz Kuttin und die deutschen Skispringerinnen etwas gemeinsam: Nach einer enttäuschenden Saison haben beide den Anspruch, es in der neuen Saison besser zu machen. Dort wartet mit der WM in Trondheim ein Großereignis.
Für den Deutschen Skiverband, seine Skispringerinnen und Heinz Kuttin ist die Saison 2024/2025 eine wegweisende, schließlich stehen im Winter darauf in Mailand und Cortina d’Ampezzo Olympische Spiele in Europa an. Es wird sich also rasch zeigen, ob die neue Konstellation den Erfolg zurückbringt – abgerechnet wird in Medaillen und Podestplätzen.
Luis Holuch

